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Eine Republik mit zu wenig Einwohnern

Noch ist das Onlinemagazin «Republik» nicht am Ende. Sollte es aber soweit kommen, lassen sich die Ursachen erstaunlich schnell eruieren. Und sie sind auch für unser regionales Medium eine wichtige Erkenntnis - wenn auch keine neue.

Stefan Millius am 09. Dezember 2019

Die «Republik», die angetreten war, um den Journalismus in der Schweiz zu retten, kämpft ums Überleben; wir haben berichtet. Gut möglich, dass das Medium die Kurve doch noch kriegt, aber selbst dann werden einschneidende Massnahmen nicht zu umgehen sein. Denn das Onlinemagazin hat ein strukturelles Problem. Eines, das Betriebswirtschaftsstudenten vermutlich im ersten Semester durchnehmen.

Als die «Republik» noch eine blosse Ankündigung war und via Crowdfunding Unterstützung suchte - in Form von künftigen Leserinnen und Lesern -, da gab es kaum ein Halten. Es kam viel mehr Geld zusammen, als eigentlich als notwendig budgetiert war. Zumal neben den «normalen» Lesern auch noch Mäzene im Spiel waren, welche die eingegangene Summe kurzerhand verdoppelten. Die Kriegskasse war also prall gefüllt.

Normalerweise ruft das Begehrlichkeiten bei den Konsumenten auf. In diesem Fall war es aber das Unternehmen selbst, das - berauscht vom Geldsegen - während des ganzen Prozesses immer neue Leistungen versprach, die jeweils begleitet waren von den notwendigen personellen Ausbauten. Sprich: Die «Republik» pumpte ihren Apparat schon vor dem Startschuss massiv auf gegenüber den ursprünglichen Absichten.

Das Crowdfunding war eine einmalige Sache, die Personalkosten sind laufend. Es ist eine einfache Rechnung: Mit ihrem offensiven Vorgehen legten sich die Medienmacher selbst ein massives Korsett an. Konkret heisst das: Es war schnell einmal klar, dass die Zahl der Leser rasant wachsen musste, um die ständigen Kosten zu decken. Die (mehr oder weniger) einmaligen Kosten wie die Infrastruktur oder die IT waren nicht das Problem, sondern die strukturellen, die Monat für Monat anfielen.

Was hätte passieren müssen, nämlich, dass in kurzer Zeit viel mehr Leute als Leser einsteigen und Einnahmen generieren, geschah nicht. Ganz einfach, weil die sicher gut gemeinten zusätzlichen Ressourcen, die geschaffen wurden, nicht über Nacht zu einem massiv grösseren Angebot führen, schon gar nicht zu einem, das flutwellenartig für Interesse neuer Kundinnen und Kunden sorgt. Kurz und gut: Die Kosten wurden aufgepumpt, die Einnahmen konnten damit nicht Schritt halten. Die Republik hat zu wenig Einwohner, um die Strassen, Schulen und Museen zu finanzieren, die sie errichtet hat, um es bildlich zu sagen.

Eigentlich erstaunlich, dass den «Republikanern» eine solche Binsenwahrheit nicht den einen oder anderen Gedanken mehr wert war. Denn sie hatten unglaublich viel Zeit in den Aufbau ihres Konstrukts aus einer AG und einer Genossenschaft investiert, extrem viel Papier gefüllt und unzählige Szenarien gewälzt, wie aus ihren frühen Newslettern hervorgeht. Aber dass jeden Monat möglichst so viel Geld reinkommen sollte wie rausgeht, weil sonst die Substanz irgendwann aufgebraucht ist: Das scheint ihnen nicht bewusst gewesen zu sein.

Es wäre verfrüht, einen Abgesang auf das Zürcher Medium anzustimmen. Es gibt genügend vermögende Leute in der Schweiz, die in die Bresche springen könnten. Genau wie die Gebrüder Meili, die stark involviert waren in die Lancierung, reicht vermutlich auch bei anderen der Ansatz: Jedes Medium, das nicht Christoph Blocher gehört, ist Gold wert, also investiere ich. Gut möglich, dass das wieder passiert. Das Grundproblem löst es aber nicht.

Wir haben, als kleines, regionales Medium, das sich natürlich nicht mit den Rettern des Journalismus vergleichen lässt, sehr früh eine einfache Entscheidung gefällt. Unsere Zeitung muss sich auch dann noch machen lassen, wenn sich sämtliche Erwartungen nicht erfüllen, beispielsweise die an den Anzeigenmarkt. Das heisst: Möglichst wenig zwingende Ressourcen, die Reduktion aufs Wesentliche. Und erst, wenn Licht am Horizont auftaucht, denken wir an Ausbauten. So, dass es «Die Ostschweiz», wie sie heute ist, auf unbestimmbare Zeit gibt und wir nicht mit wehenden Fahnen untergehen, während wir versuchen, gleich alle Weltmeere zu durchsegeln. Erst nach rund zwei Jahren trauen wir uns im kommenden Jahr an neue Produkte, namentlich eine App, eine Sonntagsausgabe und ein Printprodukt. Weil wir wussten: Tun wir das zu früh, gefährden wir unseren Kern, diese Onlinezeitung.

Das ist wohl ein wenig aufsehenerregender Weg, keiner, der grosse Schlagzeilen verspricht. Aber er ist nachhaltig und beständig. Vielleicht ticken Zürcher eben wirklich anders als Ostschweizer.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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