Auch in Zukunft soll die Schweiz mit Zucker aus heimischem Anbau versorgt werden. Dass dies so bleibt, dafür sorgen rund 4000 Produzenten in der ganzen Schweiz. Einer von ihnen ist Ralf Hahn aus Siegershausen im Kanton Thurgau.
Text: Rafael Seeh
«Es fasziniert mich jedes Jahr aufs Neue, wie aus einem kleinen Saatkorn eine eineinhalb bis zwei Kilogramm schwere Rübe heranwächst», sagt Ralf Hahn und betrachtet seinen Acker. Es ist Mitte April. Vor einer Woche hat Hahn seine Biozuckerrüben gesät, rund drei Hektaren sind es dieses Jahr. Jetzt heisst es warten, bis die ersten Rübenpflänzchen aus dem Boden spriessen. Je nach Witterung dauert das zwischen 8 bis 15 Tage. «Die kritische Zeit sind die ersten sechs Wochen nach der Saat, bis die Rübenblätter einen Durchmesser von zehn Zentimetern haben», sagt Hahn.
Schon sein Vater baute Zuckerrüben an. «Die Freude an dieser Kultur wurde mir in die Wiege gelegt», meint der 36-Jährige schmunzelnd. Damals wurde der Betrieb nach konventioneller Anbaumethode bewirtschaftet und auf den Schweizer Äckern wuchsen noch bedeutend mehr Zuckerrüben als heute. Ralf Hahn machte eine Lehre als Landmaschinenmechaniker und später als Landwirt.
Zusammen mit seiner Frau Claudia übernahm er 2019 den Betrieb und stellte 2020 auf Bio um. Aufgrund seiner ackerfähigen Böden und der kurzen Distanz zur Fabrik in Frauenfeld sieht er seinen Standort als optimal für den Zuckerrübenanbau. «Die Zuckerrübe wurzelt metertief, lockert den Boden und erreicht so Wasser und Nährstoffe», erklärt Hahn. Dazu komme, dass Zuckerrüben im Verhältnis zu anderen Ackerkulturen fürs Wachstum weniger Dünger benötigen.
Mechanische Unkrautbekämpfung
Grundvoraussetzung für gute Erträge sind optimale Bedingungen beim Säen. Unkraut konkurrenziert den Nährstoff- und Wasserhaushalt der Rüben, vor allem im kleinen Stadium. Deshalb macht Hahn vor der Saat eine Unkrautkur. «Ich lege zwei- bis dreimal ein sogenanntes falsches Saatbett an. Rüben werden keine gepflanzt, man lässt das Unkraut auflaufen und bearbeitet den Boden erneut. So wird auflaufendes Unkraut fortlaufend mechanisch bekämpft.» Aber auch nach der Saat muss das Unkraut bekämpft werden. Dafür hat er ein kameragesteuertes Hackgerät angeschafft. Die Sensoren erkennen die zarten Rübenschösslinge und hacken schön rundherum das Unkraut, ohne die Rübenpflanzen zu verletzen. Gleichwohl muss noch von Hand gejätet werden – und zwar viele, viele Stunden. Hahn schätzt, dass es 80 bis 100 Stunden pro Hektare und Jahr sind.
Hahn erntet 80 bis 90 Tonnen Zuckerrüben pro Hektare. Es lohnt sich für ihn. Der Rübenpreis ist etwas gestiegen. Auch wird der Anbau durch den Bund und Ausgleichsprogramme unterstützt. «Ich baue Zuckerrüben aus Überzeugung an. Jeder nicht in der Schweiz produzierte Zucker wird sonst importiert», stellt der dreifache Vater klar und ergänzt: «Es braucht die Biozuckerrüben wie auch die konventionellen Rüben, damit wir die Inlandversorgung mit Schweizer Zucker halten können.» Hahn freut sich jetzt schon auf den Sommer und den Herbst, wenn sich die Arbeit und Anstrengungen des Frühlings ausbezahlt machen und das Feld sauber und voll mit grossen Rüben und grünen Blättern dasteht.
Schweizer Zucker - ein geschlossener Kreislauf
Die Zuckerrüben von den 4000 Schweizer Rübenproduzenten werden von der Schweizer Zucker AG in Frauenfeld (TG) und Aarberg (BE) verarbeitet. Von Mitte September bis Ende Dezember werden in den beiden Werken rund 1,9 Millionen Tonnen Rüben zu 215 000 Tonnen Zucker verarbeitet. Pro Tag sind das 2500 bis 3000 Tonnen Zucker aus über 18 000 Tonnen Rüben. Die Zuckerproduktion in der Schweiz ist ein geschlossener Kreislauf:
Die Nebenprodukte aus der Zuckerproduktion – Schnitzel und Melasse – werden zu Futtermitteln verarbeitet. Die Melasse kann zudem für die Ethanol- und Alkoholproduktion genutzt werden.
Mit den Zuckerrüben gelangt ein erheblicher Anteil an Erdmaterial, der an den Rüben haftet, in die Fabrik. Die Firma Ricoter bereitet die Erde auf und stellt daraus Produkte für den Gartenbedarf her.
Durch die geringe Distanz zu den Zuckerfabriken sowie die höheren Auflagen in der Produktion und der Verarbeitung ist Schweizer Zucker nachhaltiger als ausländischer und gefragt auf dem Markt. Die beiden Fabriken beschäftigen ganzjährig zusammen 250 Mitarbeiter.
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