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René Zeyer

HSG: Warum nur?

Skandale, Fettnäpfchen, Peinlichkeiten. Was ist an der Hochschule St. Gallen anders als an anderen Unis? Sind es dort Einzelfälle, ist es hier systemisch. Ein Systemversagen. Das liegt am Personal.

«Die Ostschweiz» Archiv am 23. Dezember 2022

Als Wirtschaftsuni geniesst die HSG hohes Ansehen, ist in vielen Rankings vorne dabei. Das macht sie für viele Studenten aus aller Welt attraktiv, die dafür ein Assessment durchlaufen müssen und dann tief in die Tasche greifen. Ein Semester kostet für Ausländer stolze 3100 Franken. Plus Aufenthalt, Lehrmittel usw.

Liegt es an der Struktur der HSG, dass sie nicht aus den negativen Schlagzeilen und Skandalen herauskommt? Sie besteht aus sieben sogenannten Schools und 34 weitgehend unabhängigen Instituten, die selbst nach unternehmerischen Prinzipien geführt werden. Die HSG beschäftigt über 3300 Mitarbeiter, davon 105 ordentliche und 73 Assistenzprofessoren, plus eine Menge Dozenten.

Die HSG ist stolz darauf, dass sie einen grossen Batzen, fast die Hälfte ihres Jahresbudgets von über 250 Millionen Franken, selbst erwirtschaftet.

Autonomie, Führung nach unternehmerischen Prinzipien, Schwergewicht Wirtschaftsausbildung, darunter auch Good Governance, Compliance und Wirtschaftsethik, was kann da eigentlich schief gehen?

Ziemlich viel, wie die HSG immer wieder unter Beweis stellt. Versagen aller Orten und auf allen Ebenen. Peinliche Verstösse gegen Grundlagen der Lehre und des Anstands, unethisches Verhalten, Schummeleien, unanständige Bereicherung mit Nebenjobs, unselige Verbandelung mit lokalen Playern wie Raiffeisen oder grossen Revisionsbuden.

Dazu schwache Führungsfiguren; die Position des Rektors ist kein Job, um den man sich reisst. Das ist mal ein personelles Problem. Aber nur die Spitze des Eisbergs.

Denn trotz aller Spitzenplätze in Rankings ist das wissenschaftliche Personal der Uni medioker. Mediokrität hat eine fatale Folge: wer mittelmässig ist, sorgt für die Berufung von Mittelmass. Sonst könnte die eigene Beschränkung unangenehm auffallen.

Mediokrität misst sich unter anderem daran, wie viele Professoren wegberufen werden. Herausragende Wissenschaftler bekommen immer wieder Angebote von anderen Unis, die sich mit ihnen schmücken wollen. Herausragende Wissenschaftler bekommen gelegentlich Auszeichnungen, inklusive Nobelpreise. Ist bei der HSG Fehlanzeige.

Die HSG vermeldet triumphierend, dass zwei ihrer «Ehrendoktoren» mit dem Wirtschaftsnobelpreis ausgezeichnet wurden. Mehr ist da nicht zu feiern. Es ist äusserst selten bis inexistent, dass ein HSG-Professor an eine andere Uni wechselt. Das liegt nicht nur an mangelnden Angeboten. Das liegt auch und wahrscheinlich zuvorderst an den unverschämt guten Gehältern, die die HSG zahlt.

Schon ein blutjunger Assistenzprofessor kassiert über 9200 Franken, 13 mal im Jahr. An der HSG kann ein Professor bis zu 17'300 einsacken, natürlich mal 13. Mit rund 225'000 im Jahr gehört er damit sicherlich nicht mehr zur Leichtlohngruppe. Dagegen liegt der Medianwert für ein Professorengehalt in Deutschland bei 4830 Euro, brutto. Spitzengehälter erreichen 7500 Euro, nicht mal die Hälfte.

Dazu kommt noch die spassige Regelung an der HSG, dass auch zu 100 Prozent Angestellte maximal einen Tag für Fremdbeschäftigung verwenden können. Wobei die Einhaltung dieser Regel nicht wirklich kontrolliert wird. Es soll Institute geben, an denen der Professor oft wochenlang nicht gesehen wird.

Da werden gerne lukrative Verwaltungsratsposten akquiriert, denn viele Firmen möchten sich gerne mit einem HSG-Professor schmücken. Rekordhalter dürfte hier sicherlich der ehemalige Raiffeisen-VR Rüegg-Stürm unseligen Angedenkens sein, der so nebenbei noch knapp 600'000 Franken abstaubte. Im Jahr, wohlgemerkt.

Dazu noch Einladungen zu Kongressen, Gutachten, diverse Professoren betreiben noch ein kleines oder grösseres eigenes Unternehmen nebenbei, für das sie auch gerne ihre Mitarbeiter oder Studenten indirekt einspannen. Plus Kommissionen und Kick-backs für das Herbeischaffen von Fremdmitteln für das eigene Institut.

Unternehmerisch gesehen herrschen also an der HSG Zustände, wie sie in jedem Seminar über gute Geschäftsführung als abschreckendes Beispiel geschildert werden könnten. Dabei kann die HSG nicht einmal den Bankerspruch bringen, dass man halt im internationalen Wettbewerb solche Gehälter bezahlen müsse, um die Besten zu kriegen.

Das hat ja bei Banken auch toll funktioniert; die beiden Schweizer Grossbanken wären höchstwahrscheinlich viel besser dran, wenn sie es mal mit den Zweit- oder Drittbesten probiert hätten, oder schlichtweg mit Lohnbezügern, die auch mit einer einstelligen Millionensumme im Jahr zufrieden wären.

Immerhin muss man bei Banken einigen Aufwand betreiben, um an die Spitze zu kommen oder an die grossen Futtertröge. Und noch mehr Aufwand, dass man nicht weggemobbt wird. An der HSG kann man im Schlafwagen zu immer höheren Einkünften fahren, bis die eine Höhe erreichen, mit der keine andere Uni mithalten kann. Eine leise Gefahr würde nur bestehen, wenn die Berufung von Koryphäen die fürchterliche Mittelmässigkeit des Lehrkörpers in aller Hässlichkeit anleuchten würde.

Aber das vermeidet die HSG seit Jahren nach Kräften und erfolgreich. In ihrer Liste von berühmten Absolventen sind zwar einige Wirtschaftsführer und Politiker und sogar Hans Adam II. von und zu Liechtenstein. Fragt man aber nach international bekannten Wissenschaftlern oder Professoren, sendet die Uni das grosse Pausenzeichen.

Wenn also Remedur geschaffen werden soll, ist es mit den ewigen Bekundungen einer besseren Kontrolle und Aufsicht nicht getan. Das ist Oberflächenkosmetik und bringt nicht viel. Eine Lohnstruktur, die entfernt etwas mit wissenschaftlicher Leistung zu tun hat, ein schmerzliches Malussystem bei Ausbleiben, vielleicht sogar ein Rotationsprinzip, bei dem HSG-Professoren von Zeit zu Zeit beweisen müssen, dass ihre Kompetenz auch an anderen Lehranstalten gefragt ist.

Eine Herabsetzung der Altersguillotine auf ein vernünftiges Mass oder eine Schrumpfung der Gehälter oder eine Aufrechnung mit Zusatzverdiensten könnte auch helfen. Aber wer gibt schon leicht erworbene Pfründe freiwillig auf. Hier bräuchte es ein Machtwort aus der Politik. Aber bislang sieht es nicht so aus, als ob die Kantonsregierung etwas anderes tut als strafend die linke Augenbraue zu heben. Und sich beim neusten Skandal wohl überlegt, ob nun auch die rechte Braue nach oben rutschen sollte und mit dem Zeigefinger gewackelt werden müsste.

Stölzle /  Brányik
Autor/in
«Die Ostschweiz» Archiv

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