Fehlende Werbeeinnahmen führen dazu, dass wir die Onlinepublikation «Die Ostschweiz» einstellen. Mit diesem Beitrag verabschiede ich mich nach knapp sieben Jahren in diesem Umfeld von Ihnen. Ein paar Worte zur Entwicklung. Einige Emotionen. Und ein Dankeschön.
«Wir forschen hier ja nicht an einem Heilmittel gegen Krebs», pflegte ich intern jeweils zu sagen, wenn ich das Gefühl hatte, Probleme (oder wir selbst) erhalten zu viel Gewicht.
Tatsächlich wird es schon bald niemanden mehr interessieren, dass es die Online-Publikation von «Die Ostschweiz» nicht mehr gibt. Wir haben darüber berichtet. Aus den Augen, aus dem Sinn.
Lassen Sie mich – solange sie noch in Erinnerung ist – aber doch noch ein paar Punkte erläutern.
Wir lancierten das Projekt «Die Ostschweiz» 2018 mit dem Ziel, die Medienlandschaft der Region wieder etwas vielfältiger zu gestalten. Alle Beteiligten – die Gründer und später auch ein Kreis von rund zehn Aktionären – waren sich bewusst, dass man mit solch einem Vorhaben kein Geld gewinnen kann. Im besten Fall resultiert Ende Jahr eine schwarze Null. Im besten Fall wächst ein kleines Pflänzchen langsam heran.
Wir hatten für den Aufbau nicht wie andere Publikationen Millionen zur Verfügung. Uns stand kein 10-köpfiges Redaktionsteam zur Verfügung, um für grosse Wellen zu sorgen. Und trotzdem kamen schon nach kurzer Zeit ziemlich stürmische Zeiten auf uns zu.
Vorerst aber versuchten wir einfach, als Zweiergespann Akzente zu setzen. Wir, das waren Stefan Millius und ich. Wir, das waren zwei «Verrückte», die sich blind verstanden, die fast täglich neue Ideen wälzten und an sieben Tagen die Woche rund um die Uhr für dieses «Baby» lebten.
Im Gegensatz zu den grossen Verlagshäusern hatten wir den Vorteil der kurzen Entscheidungswege. Waren wir uns heute einig, eine Printausgabe zu lancieren, wurden am nächsten Tag bereits Druckofferten eingeholt und die Woche darauf mit der Umsetzung gestartet. Fanden wir beim Feierabendbier die Idee bestechend, eine Online-Sonntagszeitung zu integrieren, erhielt unser IT-Partner wenige Stunden später ein Konzept dafür.
Von Beginn an setzten wir auf das Modell der Gastautoren. Sie sollten «Die Ostschweiz» als eine Art Schaufenster für ihre Meinungen nutzen können. Denn einerseits wollten wir das Knowhow der breiten Masse integrieren, und andererseits hatten wir die Nase gestrichen voll davon, dass irgendwelche Journalisten alle möglichen Themen kommentieren, von denen sie eigentlich nicht wirklich eine Ahnung haben. Ich halte dieses Modell noch heute für gut und wichtig.
Auch während der Corona-Zeit publizierten wir bei uns nicht nur die neusten Stellungnahmen aus Bern, sondern vermehrt auch kritische Analysen zum Geschehen. Wie sämtliche Medien haben auch wir während dieser Phase Fehler begangen. Viele waren es nicht. Aber die wenigen genügten, um uns als Verschwörungspublikation zu brandmarken.
Es war die Zeit, als viele von uns wie wildgewordene Hühner durch die Gegend liefen. Es war die Zeit von schwarz und weiss, von Anschuldigungen, Hetzjagden, Feindseligkeiten und Verunsicherung. Es war die Zeit, in der «Die Ostschweiz» schweizweit und über die Landesgrenze hinaus bekannt wurde. Und in dieser Phase ploppte die grosse Frage auf, wohin sich die Publikation in Zukunft entwickeln soll, mit welchen Inhalten und welchen potenziellen Werbepartnern.
Was folgte, waren eine Rückkehr in «ruhigere Gewässer», die Integration von weiteren starken Partnern, wie etwa der Galledia. Man war trotz eines stetig heftigen Gegenwindes optimistisch. Man kämpfte, man erlitt Niederlagen, man stand wieder auf und machte weiter.
Nun ist die Energie aufgebraucht. Der Kampf ist verloren. Die fehlenden Werbeeinnahmen im Online-Bereich führten zu einem Ende nach sieben Jahren. Bislang ist es kaum einer digitalen Publikation gelungen, eine schwarze Null zu erzielen. Alle prüfen die unterschiedlichsten Möglichkeiten. Für uns war immer klar, dass wir in keine finanzielle Abhängigkeit geraten möchten. Wir setzten auf den Markt. Letztlich war die Unterstützung unseres Online-Produktes aber deutlich zu gering. Das Interesse an einer Medienvielfalt wird zwar flächendeckend immer wieder bekundet. Aber leider blieb es zu oft bei reinen Worten.
Es ist bei ungewöhnlichen Entwicklungen wie Corona ebenso wie im Unternehmertum sehr einfach, mit dem Wissen von Heute vergangene Entscheidungen und Schlussfolgerungen zu kritisieren und zu kommentieren. Bedauerlich ist für mich weniger der Umstand, dass wir den Stecker ziehen müssen, als viel mehr die allgemeine Medienentwicklung. Wir erleben Einheit statt Vielfalt. Wir erleben Zentralisierung statt Regionalität.
Für mich persönlich geht nun eine knapp siebenjährige Reise zu Ende, die mich mitunter an meine Grenzen brachte und zu einigen grauen Haaren führte. Sie war jedoch auch verbunden mit der Umsetzung zahlreicher spannender Projekte, mit äusserst lehrreichen Erfahrungen und unzähligen inspirierenden Begegnungen.
Für die Ostschweiz würde ich mir wünschen, dass sie dereinst eine Art «Die Ostschweiz 2.0» erhält, eine Publikation, die den Menschen in dieser Region eine Stimme gibt und einen Gegenpol zu anderen Medien bildet.
Einen Dank aussprechen möchte ich unseren Aktionären, die an die Idee geglaubt und uns Gründer unterstützt haben. Hier insbesondere Peter Weigelt und Marcel Odermatt. Sie beide setzten sich von Beginn an als Verwaltungsräte unermüdlich für das Projekt ein – später unterstützt durch Urs Schneider und Daniel Ettlinger von der Galledia.
Danken möchte ich auch sämtlichen Mitarbeitenden, vor allem Manuela Bruhin, die trotz all der Turbulenzen stets die Ruhe bewahrt und einen überdurchschnittlichen Einsatz gebracht hat. Manuela und ich bildeten in den letzten Jahren das Kernteam von «Die Ostschweiz» - ein total 180 Prozent-Pensum im Kampf gegen Windmühlen.
Es würde den Rahmen sprengen, hier sämtliche Personen aufzuführen, die uns unterstützt und begleitet haben. Es waren unzählige. Wer mich aber letztlich immer wieder mit Energie versorgt und motiviert hat, waren meine Frau und meine zwei Kinder. Auch für sie beginnt nun ein neuer und sicherlich etwas ruhigerer Abschnitt.
Damit verabschiede ich mich von Ihnen, liebe Leserin, lieber Leser, aus diesem Umfeld von «Die Ostschweiz».
Die Online-Seite wird vorerst natürlich noch aufgeschaltet bleiben. Vielleicht entdecken Sie ja auch in Zukunft noch die eine oder andere Perle.
Bleiben Sie kritisch.
Beste Grüsse
Marcel Baumgartner, Chefredaktor «Die Ostschweiz»
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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