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Benedikt Würth vs. Patrick Jetzer

«Unsinn», «billig», «Job nicht ausgeübt» - Zwei Ständeratskandidaten lassen die Fetzen fliegen

Patrick Jetzer von «Aufrecht» will für St.Gallen in den Ständerat. Und er gibt im Gespräch mit Mitte-Politiker Benedikt Würth unverblümt zu, dass er am liebsten ihn aus der Kleinen Kammer bugsieren würde. Ein Austausch über Demokratieverständnis und die Corona-Aufarbeitung.

Marcel Baumgartner am 16. August 2023

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Zwei Bisherige gegen sechs Neue. So sieht die Ausgangslage für die Ständeratswahlen im Kanton St.Gallen zurzeit aus. Der 2019 gewählte Benedikt Würth von der Mitte und die im Frühling 2023 gewählte Esther Friedli von der SVP gegen die Grünen, SP, FDP, GLP, Parteifrei SG und Aufrecht.

«Die Ostschweiz» führt im Vorfeld der Wahlen vom 22. Oktober 2023 mit sämtlichen Kandidatinnen und Kandidaten Gespräche. Den Auftakt bildet das erstmalige Zusammentreffen von Benedikt Würth und Patrick Jetzer.

Auf der einen Seite der gestandene Politiker, der vorher schon als Kantonsrat, als Stadtpräsident von Rapperswil-Jona und als St.Galler Regierungsrat von sich reden gemacht hat.

Auf der anderen Seite der Präsident der 2021 gegründeten Bewegung «Aufrecht», der während 25 Jahren Erfahrungen in der Pharmabranche gesammelt hat und auf ein Mandat als Gemeinderat von Dübendorf und Kandidaturen für den Zürcher Kantons- und Regierungsrat verweisen kann. Vor wenigen Wochen zog der 52-Jährige, der selbstständig im Edelmetallhandel aktiv ist, in die Toggenburger Gemeinde Hemberg.

Ein Austausch zweier Personen also, die schon mit Blick auf die Lebensläufe kaum Gemeinsamkeiten aufweisen. Nicht anders sieht es bei den politischen Positionen aus.

«Aufrecht» distanziert sich laut eigenen Angaben klar von gängigen Parteien. Diese hätten den Bürgern alle Freiheiten genommen. Jetzer kritisiert denn auch nicht nur die während der Corona-Phase umgesetzten Massnahmen, sondern auch den Umstand, dass bisher keine richtige Aufarbeitung stattgefunden habe.

Würth, der einwirft, selber ein grosser Kritiker gewisser Einschränkungen und Verbote gewesen zu sein, empfindet Jetzers Argumentation als «billig»: «Rückblickend ist es immer einfach zu sagen, welche Politik man hätte machen müssen.» Während der heissesten Phase den Parlamentsbetrieb aufzugeben, sei sicherlich falsch gewesen, ebenso würde man aus heutiger Sicht definitiv anders mit der gesamten Situation umgehen. «Aber eben, wir alle hatten damals das Wissen nicht», so Würth.

Mahner der ersten Stunde

Dem widerspricht Patrick Jetzer deutlich. Für ihn – Autor des Werks «Corona Fakten Check» – steht fest, dass man einfach nicht auf gewisse kritischen Stimmen hören wollte. Er selbst gehöre zu den Mahnern der ersten Stunde, denen aufgrund der Faktenlage von Anfang an klar gewesen sei, dass man es hier nicht mit einer «Killerpandemie» zu tun habe. Und noch heute würden gewisse Leute juristisch verfolgt, die beispielsweise keine Masken getragen oder sich in Gruppen getroffen hätten. Die Nachwehen seien noch immer bemerkbar.

Entsprechend wolle man nun mit «Aufrecht» die Schweiz zurückholen – zurück in die Hände der Bürger.

Wo muss die Demokratie ausgehebelt werden?

Hierbei wird im Gespräch mit den beiden Kandidaten ein weiteres Feld ersichtlich, in dem grosse Differenzen entstehen: das Demokratieverständnis. Gemäss Jetzer muss nicht jeder Mehrheitsentscheid hingenommen werden. Wenn ein solcher dazu führe, dass die Leitplanken der Demokratie – etwa die Menschenwürde – wegbrechen, dann gelte es, das zu hinterfragen.

Würth wirft Jetzer daraufhin klar vor, sowohl die Demokratie als auch die rechtsstaatlichen Prinzipien infrage zu stellen.

«Das ist völliger Unsinn», entgegnet der Mitte-Ständerat auf Jetzers Aufforderung, dass alle jene, die nicht mehr eingeschränkt werden möchten, keine der in Bern vertretenen Parteien wählen dürfen.

Würths oder Friedlis Stuhl?

Letztlich finden die beiden in einem wirtschaftlichen Themenfeld doch noch einen Bereich, worin zwischen den beiden Kandidaten Einigkeit herrscht. Das dürfte kaum ausreichen, um aus den beiden Politgegnern ein harmonisches Duo zu formen.

Uneinigkeit herrscht auch über die künftige Zusammensetzung des St.Galler Ständeratduos. Würth würde sich freuen, weiterhin in der Kleinen Kammer politisieren zu dürfen. Kein Wunder.

Jetzer beantwortet die Frage, welchen Stuhl der beiden Bisherigen – Benedikt Würth oder Esther Friedli – er gerne beerben würde, ohne die üblichen Politikerfloskeln rasch und deutlich: «Jenen von Würth.»

Stölzle /  Brányik
Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Co-Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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