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Olympische Sommerspiele Paris

Der Countdown für Paris läuft: Weshalb Simon Ehammer manchmal gerne Herkules wäre

Die Vorbereitung für die Saison verlief beim Leichtathletik-Talent Simon Ehammer anders als gewohnt. Wie er sich nach seiner Schulterverletzung zurück kämpft und welche übermenschlichen Fähigkeiten er gerne hätte, erzählt er im Interview.

Manuela Bruhin am 17. Juni 2024

Simon Ehammer, wie gut haben Sie sich von Ihrer Schulteroperation erholt?

Die Genesung verlief wirklich gut und so, wie wir uns das erhofft hatten. Natürlich ist es immer eine Herausforderung, nach einer Operation an frühere Leistungen anzuknüpfen. Aber dank einer fokussierten Rehabilitation konnte ich mich schneller als erwartet erholen.

Wie hart war es für Sie, mehrere Wochen «stillsitzen» zu müssen?

Als Bewegungsmensch fällt mir Stillstand schwer. Ich bin immer aktiv. Nach einer Operation ist eine entsprechende Ruhezeit aber wichtig, um sich vollständig zu erholen und später wieder voll leistungsfähig zu sein. Erfreulicherweise konnte ich aber schon wenige Tage nach der Operation wieder mit leichtem Training beginnen, um die Heilung zu beschleunigen.

Wie schwierig haben sich demnach Ihre Vorbereitungen gestaltet?

Zum Glück war ich direkt nach der Operation nur im Oberkörper eingeschränkt, deswegen haben wir uns in dieser Phase zunächst auf die Beinarbeit konzentriert. Schon nach einem Monat konnte ich wieder springen. Trotzdem musste ich die Vorbereitungen natürlich anpassen, insbesondere in den Wurfdisziplinen. Dort erfolgte der richtige Einstieg erst im Februar/März. Da spüre ich schon, dass mir das Wurftraining noch etwas fehlt.

Sie haben in Doha den sechsten Podestplatz in der Diamond League erreicht. Kein anderer Schweizer klassierte sich in der weltweit bedeutendsten Meetingserie so oft in den Top 3 wie Sie. Ihr Saisonstart ist also mehr als geglückt?

Dieser Erfolg war wirklich ein Highlight. Es ist eine grosse Ehre, in dieser prestigeträchtigen Serie so konstant zu den Top 3 zu gehören. Ich habe hart gearbeitet und es ist schön zu sehen, dass sich der Einsatz gelohnt hat. Mit Blick auf die Olympischen Spiele im Sommer ist dieser Erfolg eine grosse Motivation. Es gibt aber auch noch viel zu tun. Beim Mehrkampf-Meeting in Götzis hat mir mein Körper gewisse Grenzen aufgezeigt. Das hat mir gezeigt, dass noch viel Arbeit vor mir liegt. Mein Ziel ist es jetzt, gezielt an gewissen Punkten zu arbeiten und mich kontinuierlich zu verbessern, damit ich in Topform nach Paris fahren kann.

Im Hinblick auf Paris: Welches wird Ihre grösste Herausforderung sein?

Eine wichtige Entscheidung wird sein, ob ich im Zehnkampf und im Weitsprung antrete oder nur in einer Disziplin. Das hat natürlich einen entscheidenden Einfluss auf die Gestaltung der letzten Wochen vor Paris. Aktuell trainieren wir normal: Wir trainieren alle Zehnkampf-Disziplinen. Hier lege ich aber den Fokus sicher noch etwas gezielter auf die Wurfdisziplinen Diskus und Speer, weil mir hier die Trainings-Würfe und Wettkampfpraxis fehlen.

Spitzensportler haben es in der Schweiz nicht so einfach. Wie gross ist die Herausforderung, passende Unterstützung zu finden?

Das ist in meinen Augen abhängig von der Sportart. In der Leichtathletik haben wir in den letzten Jahren einen starken Boom gesehen – auch medial. Und das strahlt natürlich auch auf uns Athletinnen und Athleten aus. Davon können wir profitieren, denn Sponsoren wollen in der Regel Sichtbarkeit. Aber der Boom muss immer im Verhältnis gesehen werden. Wenn ich mich mit anderen Sportlerinnen und Sportlern vergleiche, bewegen wir uns natürlich schon nicht ganz in denselben Dimensionen. Aber ich habe das Glück, dank den Erfolgen der Vergangenheit auf eine grosse und breite Unterstützung zu zählen. Das gibt mir die Möglichkeit, mich voll auf meine sportlichen Ziele zu konzentrieren.

In einem Jahr wie diesem, wo die Olympischen Spiele anstehen, ist das umso wertvoller. Darum macht es mich auch stolz, dass ich mit Visa, Proctor & Gamble und Omega drei Unternehmungen an meiner Seite weiss, welche an den Olympischen Spielen als offizielle Partner präsent sein werden. Gerade durch internationale Unternehmen wie Visa kann ich auch wertvolle internationale Kontakte knüpfen. Teil des Athletinnen- und Athleten-Programms zu sein, ermöglicht mir, mich mit Gleichgesinnten auszutauschen. Das ist unglaublich motivierend und bereichernd, vor allem vor einem so wichtigen Wettkampf wie den Olympischen Spielen.

Bereiten Sie sich auf Paris speziell vor?

Die Olympischen Spiele sind immer etwas Besonderes und die Atmosphäre einzigartig. Ich darf das in diesem Jahr zum ersten Mal erleben. Trotzdem unterscheidet sich die Vorbereitung nicht wesentlich von anderen Wettkämpfen wie zum Beispiel einer Weltmeisterschaft. Ich gehe mit dem Ziel, um Medaillen zu kämpfen, nach Paris. Dafür muss die Vorbereitung stimmen, also tue ich sieben Tage in der Woche alles.

Wie erholen Sie sich jeweils nach einem Wettkampf?

Nach einem Wettkampf ist es für mich entscheidend, dem Körper die nötige Erholung zu geben. Doch genauso wichtig ist es, mental abzuschalten und neue Energie zu tanken. Das gelingt mir am besten, wenn ich Zeit mit meiner Verlobten und meiner Familie verbringe. Aber das kann auch einmal etwas Mediales oder ein Termin für einen Partner sein. Das bringt Abwechslung in den Alltag und mich auf andere Gedanken.

Sie gehören zu den talententiertesten Leichtathleten der Schweiz. Wie gross ist der Druck, den Sie sich selber machen?

Der Druck, den ich mir selbst auferlege, ist oft der grösste. Ich war schon immer zielstrebig und habe mir hohe Ziele gesetzt. Ich bin Einzelsportler. Es liegt also an mir, meine Ziele zu erreichen. Leistungssport erfordert eine enorme Willenskraft. Gerade in solchen Momenten bin ich dankbar für meine Verlobte, meine Familie und mein Team, die mir den Rücken stärken. Das Umfeld ist ganz entscheidend, gerade auch in Phasen, in denen es vielleicht nicht nach Wunsch läuft.

Simon Ehammer

Auch wenn Leichtathletik oft als Einzelsport gesehen wird: Wie wichtig ist der Teamgeist und die Zusammenarbeit mit Trainern und anderen Athleten für Ihren Erfolg?

Erfolg im Leistungssport hängt wohl nirgends allein von den individuellen Leistungen des Athleten oder der Athletin ab. Erfolg ist immer das Resultat von einem Team-Effort. Dazu gehören meine Coaches genauso wie mein privates Umfeld, das medizinische oder das wirtschaftliche. Meine Trainer spielen ganz klar eine entscheidende Rolle, indem sie mich motivieren und technisch und mental unterstützen. In Teufen bin ich Teil einer Trainingsgruppe mit mehreren Mehrkämpfern. Diese Möglichkeit, mich täglich zu vergleichen, zu pushen, ist unheimlich wertvoll. Lange Zeit war ich ziemlich allein, aber das hat sich in den letzten ein bis zwei Jahren glücklicherweise verändert. Wir sitzen alle im selben Boot und kennen die Herausforderungen, denen wir uns stellen müssen. Aber auch der Austausch mit Athletinnen und Athleten aus anderen Sportarten ist mir wichtig. Es ist inspirierend und stärkend, die Erfahrungen und Perspektiven von anderen zu hören und zu teilen. Das spüre ich jedes Mal, wenn wir uns an den unterschiedlichsten Veranstaltungen begegnen.

Wenn Sie eine übermenschliche Fähigkeit hätten, die Ihnen im Leichtathletik helfen würde, welche wäre das?

Ich war schon immer von der unermesslichen Kraft und Ausdauer von Herkules fasziniert. Gerade in der Leichtathletik wäre diese Fähigkeit ein enormer Vorteil für mich. Ich bin aber davon überzeugt, dass gerade die Herausforderung, meine eigene Stärke zu entwickeln, den Reiz der Leichtathletik ausmacht. Der Wille, mich zu verbessern und über meine Grenzen zu gehen, treibt mich immer wieder an. Ich glaube, genau das macht Leistungssport so besonders – die Möglichkeit, sich kontinuierlich zu fordern und durch harte Arbeit und Ausdauer Erfolge zu erzielen.

Welche Entwicklungen oder Veränderungen würden Sie sich für die Zukunft des Leichtathletik-Sports wünschen?

Vieles wurde in den letzten Jahren richtig gemacht. Vor allem auch in der Schweiz. Im Nachwuchsbereich ernten wir jetzt die Früchte der harten Arbeit. Da bin ich überzeugt, dass es so weitergehen wird. Viele Talente bringen aber nur dann etwas, wenn wir sie lange im Sport halten können. Dafür braucht es auch finanzielle Perspektiven. Ich hoffe darum, dass weiter auch von Seiten der Wirtschaft in die Leichtathletik investiert wird. Dafür muss das Produkt stimmen, die mediale Aufbereitung, die Art und Weise, wo und wie Events organisiert werden. Es ist alles ziemlich komplex, weil Leichtathletik eine globale Sportart ist. Da gilt es, auf viele Interessen Rücksicht zu nehmen. Ich bin froh, muss ich nicht direkt an der Entwicklung mitwirken. Ich versuche einfach, meinen Teil dazu beizutragen, indem ich gute sportliche Leistungen bringe und versuche, ein guter Botschafter zu sein für unseren Sport.

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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