logo

Verschiedene Ursachen

Erfreuliche Wasserqualität, schwindende Fischbestände: Wie die Sitter zur fischfreundlichen Flusslandschaft werden kann

Nach der erfreulichen Nachricht, dass die Wasserqualität in der Sitter gestiegen ist, stellt sich die Frage: Wie können sich die schwindenden Fischbestände erholen? Die Experten gehen davon aus, dass die Ursachen dafür nicht überall behoben werden können.

Manuela Bruhin am 25. Juni 2024

Das typische OpenAir-Szenario dürften wohl die meisten Festivalbesucher kennen: Oben wird die schwache Strömung der Sitter dafür genutzt, um seine Blase nach einer durchzechten Nacht zu entleeren, während einige Meter weiter unten das Wasser als Abkühlung dient – ein wahrlich schmutziges Vergnügen.

Aber auch ausserhalb des Festivals rümpften wohl die Meisten in der Vergangenheit die Nase, wenn jemand einen Schwumm in der Sitter wagte – die Wasserqualität war, gerade im Bereich der Kläranlagen, nicht gerade die beste. «Früher hatte das Gewässer wirklich keinen besonders guten Ruf», sagt Michael Eugster, Leiter Amt für Wasser und Energie, und Präsident der Sitterkommission, im Gespräch.

Keine Überraschung

Was die Wasserqualität betrifft, hat die Kommission nun erfreuliche Nachrichten. Diese wurde nämlich in den vergangenen Jahrzehnten immer besser, wie die Untersuchungen der Sitterkommission zwischen 2020 und 2023 belegen. Das Wasser zu schlucken, sei aber nach wie vor keine gute Idee.

Dennoch herrscht nicht nur Freude über die neusten Zahlen. Denn: Die Fischbestände sind nämlich weiter zurückgegangen. Ein Abwärtstrend, der sich bereits seit vielen Jahren schweizweit bestätigt. Die jüngsten fischereilichen Bestandsaufnahmen in der Sitter konnten noch elf Fischarten und einige Edel- und Steinkrebse nachweisen. Sieben der Fischarten und beide Flusskrebse sind potenziell gefährdet oder gar vom Aussterben bedroht. Zwar sei man vom Ergebnis nicht überrascht, sagt Eugster. «Gerade auch deshalb, weil in vielen Gewässer in der Schweiz die Fischbestände unter Druck sind.»

Sie lieben die Kälte

Dennoch gestaltet sich eine Problemlösung als schwierig. Eine wichtige Ursache ist der Klimawandel und die oft sehr hohen Wassertemperaturen im Sommer. In der eher kühlen Sitter sind in vergangenen Sommern im Unterlauf schon Wassertemperaturen deutlich über 25 Grad gemessen worden. «Gerade Bachforellen und Äschen sind kälteliebende Fischarten», sagt Michael Kugler, Amt für Natur, Jagd und Fischerei.» Diesen Fischarten wird es heute in der Sitter im Bereich zwischen St.Gallen und der Mündung in die Thur bei Bischofszell zu warm. Im unteren und mittleren Teil der Sitter breiten sich dafür die wärmetoleranteren Fischarten wie Barbe, Schneider und Strömer aus.»

Tiere fangen

Damit der Fischbestand überhaupt erfasst werden kann, sind spezielle Methoden nötig. Mit der bewilligungspflichtigen Elektrofischerei können die Fische schonend gefangen werden. Dabei werden sie ganz leicht betäubt, anschliessend gezählt und vermessen. Zum Schluss werden sie wieder in die Freiheit entlassen. «Diese Methodik ist bei geschulter Anwendung für die Fische sehr schonend», so Kugler weiter. Die sinkenden Zahlen werden von den Erträgen der Angelfischerei verdeutlicht: 1990 betrug der Ertrag 4.2 Tonnen Fisch. 2021 lag der Anteil noch bei 141 Kilogramm.

Schwankende Wassermassen

Nicht nur das steigende Klima, sondern auch die Wasserkraftnutzung führt in der Sitter dazu, dass der Fischbestand weiter zurückgeht. Einige der Stauwerke sind überhaupt nicht oder nur eingeschränkt fischgängig. Zusätzlich erschweren die Wehre der Wasserkraftanlagen den natürlichen Transport von Geschiebe und Kies. Durch die unregelmässige Stromproduktion kann der Abfluss stark schwanken. «Beim sich täglich wiederholenden sogenannten «Schwall und Sunk», können Jungfische, aber auch Insektenlarven und andere Kleintiere entweder stranden oder aber sie werden verdriftet», sagt Kugler.

Natürliche Problemlösung

Früher wurde im Oberlauf im grossen Stil Kies aus der Sitter entnommen. Dieser fehlt nun denjenigen Fischarten, die ihren Laich ins Kiesbett ablegen. Könnte nicht immerhin dieses Problem gelöst werden, indem erneut Kies in die Sitter geschüttet wird? Theoretisch sei dies zwar nicht ausgeschlossen, sagt Eugster. «Es ist aber viel besser, wenn dies auf natürliche Art passiert – dazu braucht es eine Sanierung der Wehranlagen und noch ein paar Jahre länger Geduld, damit sich der Kies weiter flussabwärts bewegt.»

Auch die Aussetzung von Jungtieren in der Sitter sei nicht zielführend – solange die Probleme wie die Klimaerwärmung bestehen bleiben. «Der Lebensraum bleibt dann forellenfeindlich – und das nützt schliesslich auch den jungen Fischen nichts», ergänzt Kugler.

Wichtige Sanierung

Deshalb sei die Sanierung der Kraftwerksanlagen die einzige Lösung, um das Gewässer wieder «fischfreundlicher» zu machen. In den kommenden Jahren müssen die Inhaber ihre Anlagen entsprechend den Bestimmungen im Gewässerschutzgesetz in den Bereichen Fischgängigkeit, Schwall und Sunk sowie Geschiebetransport sanieren. Ein langwieriges Projekt, weiss Eugster. «Das wird über viele Jahre dauern.» Ob es dann für viele Fische nicht zu spät ist? «Wir hoffen, dass die gewünschten Verbesserungen eintreffen werden.»

(Bild: Depositphotos)

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.