Victor Bühlmann
Lässt man den Blick vom Thurberg oberhalb von Weinfelden über die Landschaft schweifen, präsentiert sich das Thurtal wie ein buntes Mosaik. Jetzt dominiert die Farbe Grün in allen Schattierungen, gepaart mit bunten Farbtupfern. Es sind Blumenwiesen entlang von Äckern, die Bauernfamilien pflegen.
Text: Stefanie Giger
«Die Schönheit dieser Kulturlandschaft verdanken wir den Bäuerinnen und Bauern. Sie haben unsere Landschaften geformt, vielfältig gemacht und entwickeln sie mit ihrer Bewirtschaftung stetig weiter», kommentiert Peter Schweizer den Anblick. Schweizer ist Biolandwirt, Vizepräsident des Verbands Thurgauer Landwirtschaft und Co-Präsident von Bio Ostschweiz, dem St. Galler und Thurgauer Bioverband. Zudem betreut er die vier Landschaftsqualitätsprojekte im Kanton Thurgau.
2014 führte das Bundesamt für Landwirtschaft die Landschaftsqualitätsbeiträge ein. Mit diesen Beiträgen werden Massnahmen entschädigt, mit denen die Landschaft aufgewertet wird. Zum Beispiel Mohn und Kornblumen am Ackerrand oder der Erhalt von Hochäckern. «Die Landschaftsqualitätsprojekte haben in der Landwirtschaft zu einer Sensibilisierung beigetragen, was die Landschaftswirkung und die Vernetzung von Biodiversitätselementen angeht», stellt Schweizer fest. Er hat als Geschäftsführer Landschaftsqualität Thurgau die Projekte im Thurgau eng begleitet und weiss, wie es um die Biodiversität in seinem Wohnkanton steht. «Flächenmässig sind wir gut dran», sagt Schweizer.
Bei der Aufwertung von Wiesen ist laut Schweizer viel gegangen. «Bei den Kleinstrukturen hingegen ist noch mehr möglich.» Hier geht es um die Begrünung von Randbereichen im Ackerbau, Brennnesselflure oder zusätzliche Elemente wie Ast- oder Steinhaufen als Rückzugs- und Überwinterungsort für Insekten und Kleinlebewesen. «Eine gewisse Unordnung in der Landschaft darf und soll ruhig sein. Nicht jeder Ackerrand muss blitzeblank gemulcht sein», hält Schweizer fest. Die kleinen Ökoelemente seien wichtige Trittsteine für langsame Lebewesen wie Raupen oder Schnecken und konkurrenzierten die Lebensmittelproduktion nicht.
Grosse Beteiligung an Projekten
«Wir Bauern haben Freude an der Natur, sonst hätten wir kaum diesen Beruf gewählt», hebt Peter Schweizer hervor. Und weiter: «Die Bauern sind bereit, mehr für die Biodiversität zu tun.» Das zeige sich am Blumenwiesenprojekt, das vom Kanton Thurgau 2009 lanciert wurde. Rund 300 ha Blumenwiesen wurden seither eingesät. Ein anderes Beispiel ist das Projekt Blumenwiesen in Obstgärten, das vom Thurgauer Obstverband, Pro Natura Thurgau und Ökohum jährlich durchgeführt wird.
Auch Schweizer hat auf seinem Biobauernhof einiges gemacht. Alle extensiven Wiesenflächen erfüllen Qualitätsstufe 2. In diesen Wiesen wachsen spezielle Zeigerpflanzen und es hat zusätzliche Strukturelemente wie Ast- und Steinhaufen. Randbereiche entlang von Hecken oder Wiesenböschungen mäht er weniger, um Tieren Unterschlupf zu bieten. Auch 330 Hochstammobstbäume zählen zum Inventar des Betriebs. «Bäume haben eine grosse Wirkung für die Biodiversität», sagt Schweizer, der auch passionierter Imker ist. Durch die Elemente und Strukturen entstehen mehr Lebensraum, ein grösseres Nahrungsangebot für Tiere und Insekten und vor allem eine Vernetzung der Lebensräume.
Jeder kann etwas tun
Peter Schweizer hebt hervor, dass es die Kombination von verschiedenen Strukturen, Kulturen und Flächen ist, welche die Biodiversität auf einem Bauernhof ausmacht. «Vielfalt entsteht nicht nur durch Biodiversitätsmassnahmen, sondern durch die vielen Familienbetriebe, die unterschiedlichen Produktionsrichtungen und die Sortenvielfalt», sagt Schweizer. Auch seien im Grünlandgebiet die Möglichkeiten für die Vielfalt an Kulturen kleiner als in einer Ackerbauregion.
Auch wenn die Landwirtschaft aufgrund der Fläche mehr Gestaltungsmöglichkeiten hat, ist Biodiversitätsförderung ein Thema, das nicht nur die Bäuerinnen und Bauern etwas angeht. «Jeder und jede kann einen Beitrag leisten», so Schweizer. Ein Wohnungsbesitzer könne zum Beispiel seinen Balkon bepflanzen, ein Hausbesitzer Stein- oder Asthaufen im Garten anlegen oder ein Gewerbebetreiber auf seinen Grünflächen Blumenwiesenstreifen ansähen. «Jeder soll in dem Bereich, der ihm zur Verfügung steht, möglichst viel machen und so das Maximum herausholen für die Tier- und Pflanzenwelt – und letztendlich auch für uns.»
Victor Bühlmann
Kurzinterview mit Victor Bühlmann, Biodiversitätsberater Arenenberg
Victor Bühlmann, braucht es am Arenenberg wirklich eine Biodiversitätsberatung?
Victor Bühlmann: Unbedingt. In einem immer intensiver genutzten Raum wie dem Kanton Thurgau entsteht wirkungsvolle Biodiversität nicht nebenbei. Mit der Beratung soll sichergestellt werden, dass sich die ökologische Qualität verbessert und Massnahmen dort umgesetzt werden, wo sie am wirkungsvollsten sind. Mein Auftrag ist es, die Bäuerinnen und Bauern bei der Umsetzung zu unterstützen, damit die Ziele der Biodiversitätsstrategie bis 2028 erreicht werden.
Mit welchen Anliegen kommen die Bauern zu Ihnen?
Die Anliegen sind so vielfältig wie die einzelnen Betriebe. Bewährt hat sich eine Begehung der Flächen zusammen mit den Bewirtschaftern. Viele schätzen das persönliche Gespräch, um eigene Ideen zur Förderung der biologischen Vielfalt zu besprechen. Vor Ort können rasch und unkompliziert einfache, aber ökologisch sehr wertvolle Massnahmen wie zum Beispiel Kleinstrukturen geplant und selbst angelegt werden.
Was kann ich als Privatperson tun?
Sie können mit wenig viel für die biologische Vielfalt bewirken, zum Beispiel auf dem Balkon oder im Garten blühende einheimische Heil- oder Gewürzkräuter anpflanzen. Das bietet Nahrung für Schmetterlinge. Selten genutzte Rasenflächen kann man in eine farbenfrohe Blumenwiese umwandeln. Das lockt Wildbienen, Schmetterlinge und Vögel an. Aber auch das selektive Mähen des Hausrasens – zum Beispiel Stehenlassen von einzelnen Margeriten-Flecken – kann Positives bewirken. Nisthilfen am richtigen Ort helfen Vögeln und Fledermäusen. Auch haben Privatpersonen ab Ende 2024 eine Anlauf- und Koordinationsstelle, wo Fragen zur Biodiversität und zu deren Förderung durch Fachpersonen beantwortet werden.
«Die Ostschweiz» ist die grösste unabhängige Meinungsplattform der Kantone SG, TG, AR und AI mit monatlich rund 300'000 Leserinnen und Lesern. Die Publikation ging im April 2018 online und ist im Besitz der Ostschweizer Medien AG, ein Tochterunternehmen der Galledia Regionalmedien.
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