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Kommentar

Von «Alzheimer-Schwänen» am Bodensee und dem «bösen Wolf» im Appenzellerland: Wie wir den Tieren die Schuld geben und unsere Verantwortung verkennen

Ein Wolf, der im Appenzellerland zu wenig geschützte Tiere reissen kann, Schwäne am Bodensee, die von Spaziergänger als «dement» bezeichnet werden – sind Menschen gegenüber der Natur und Tierwelt zu hochnäsig geworden?

Manuela Bruhin am 20. Juni 2024

Jahr für Jahr bietet sich am Bodensee das gleiche traurige Schicksal: Ein Schwan brütet seine Eier viel zu nah am Wasser aus, und spätestens dann, wenn, wie in diesen Tagen, der Regen kein Ende nehmen will, geht die Brut in den Wellen unter.

So passiert auch in den letzten Tagen, wie Leser und Unternehmer Jörg Steiner zu berichten weiss: «Die Schwäne haben ihr anfangs mit acht Eiern belegtes Nest wegen des steigenden Bodenseewassers gänzlich verloren», sagt er.

Dies zieht einerseits Mitleid mit sich. Aber auch hämische Kommentare in Leserkommentaren in diversen Medien lassen nicht lange auf sich warten. Es habe ohnehin zu viele Schwäne, schreibt beispielsweise einer davon. Andere wiederum betiteln die Schwäne «liebevoll» als «Alzheimer-Schwäne» - eben deshalb, weil die Tiere Jahr für Jahr am Ufer des Bodensees ihr Nest aufbauen, und offenbar «vergessen» haben, dass es oft auch im letzten Jahr nicht gut ausging.

Keine Chance

Dies habe aber keinesfalls mit unbelehrbaren Tieren zu tun, sagt der Leser. «Ich finde den Ausdruck «Alzheimer-Schwäne» völlig deplatziert und es zeigt, wie unüberlegt viele Menschen gegenüber der Natur sind.»

Auf der Webseite sei ersichtlich, weshalb der Schwan nicht brüten könne. Es sei alles hart verbaut, bessere Nistmöglichkeiten gäbe es in der Umgebung keine.

Die Stadt, so Steiner, habe erklärt, dass diese Uferstelle im nächsten Jahr noch stärker verbaut werden soll, damit die Schwäne nicht brüten können.

Frösche, die ertrinken

Der Leser räumt ein, dass es zwar genug Schwäne gäbe. «Der Schwan wird noch gesehen, aber wir verstehen ihn nicht – wie vieles nicht mehr.»

Als weiteres Beispiel nennt er bei Starkregen die Frösche, die sich von der starken Strömung am Rorschacherberg bei der Mündung des Feldmühlebachs in die Röhren spülen lassen. «Sie spicken förmlich in den See», so Steiner. «Interessant sind die «Landungsversuche» der Amphibien an der Seemauer. Geschwächt durch das Erleiden der vorgängigen Wasserwirbel, versuchen sie, sich an der Mauer festzuhalten. Mit ausgestreckten Gliedern ertrinken sie schliesslich.»

Ähnlich, wie auch beim besagten Wolf im Appenzellerland die Schuld immer erst beim Tier gesucht werde, statt auf Präventionsmassnahmen zu setzen, damit kein Tier gerissen wird, sei es auch im Falle der Schwäne am Bodensee. Die Menschen, so der Leser, hätten ihren Demut gegenüber der Natur häufig gänzlich verloren. «Unsere Wirtschaft kann nur mit einer intakten Natur überleben. Verstehen, was die Natur uns sagt, bevor sie uns entsagt.»

(Bild: pd)

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Autor/in
Manuela Bruhin

Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».

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