Wolkengebilde. Grüne Büsche und Bäume. Meine Nachhausefahrt verbringe ich sinnierend. Nebst den vielen roten Bremslichtern vor mir auf der Autobahn sehe ich Felder, Krane und Häuser an mir vorbeifliegen. Brücken, Stromleitungen und Mobilfunkantennen. Heute hat es mich wieder mal richtig erwischt.
Da ich schon über ein Jahr lang keine Zeitungen mehr lese, wusste ich nichts von diesen neusten Ereignissen. Habe ich mich empört! Öffentliche Toiletten kann man offenbar mit «Münz» nicht mehr betreten. Der Franken muss kontaktlos von der Kreditkarte abgezogen werden. Alles schön überwacht mit Kameras zu unserer Sicherheit. So kann doppelt kontrolliert werden, wann und wo wir zur Toilette gehen. Nach dem GGG kommt nun KKK.
Das Dröhnen der Autos im Tunnel schmerzt mich in den Ohren. Impfzertifikatsgeschichte, Maskentrauma und die Massnahmenpolitik der letzten zwei Jahre kochen in mir hoch. Dass so etwas geschehen konnte, ist schon schlimm genug. Wie es geschehen konnte, finde ich noch immer unverdaulich. Sang und klanglos werden weitere Absurditäten in unser Leben geschmissen, so unerhört, dass wir es gar nicht wirklich mitbekommen oder zusehends vollends verstummen. Wie damit umgehen? Kopfschütteln? Schnappatmung? Tobsuchtsanfall? Atembeschwerden? Lachkrampf? Mit Sorgenfalten auf der Stirn? Einem Nervenzusammenbruch? Oder soll man das Ganze am besten gar nicht mehr ernst nehmen?
Und doch. Seit zwei Jahren nunmehr, man glaubt es kaum, regiert und erzieht ein systematischer, staatlich unterstützter Wahnsinn unser gesamtes Menschsein. Vielleicht wird uns in wenigen Wochen vorgeschrieben, wie viel Kubikmeter Luft wir atmen dürfen und dass man nur noch mit grünen Haaren Weiterbildungen besuchen darf. Abgesehen davon, dass sie haargenau wissen, wo und wann wir zur Toilette gegangen sind.
An den Wahnsinn haben wir uns zum Teil schon so gewöhnt, so dass wir ihn nicht mehr als Wahnsinn erkennen. Er ist zur Normalität geworden. Schleichend. Das ist das Sorgenerregende. Irrwitzige Zwangsmassnahmen sind allerdings genauso wenig eine Lösung, wie mit der Kreditkarte auf die Toilette gehen zu müssen. Ein Personenwagen überholt mich und quetscht sich zwischen mich und den Lastwagen, der vor mir fährt. «Abstand halten!» steht hinten darauf und daneben ein grosses «L». Der Fahrlehrer scheint es eilig zu haben.
Wo, so frage ich mich weiter, ist die Wahrheit, an der wir uns noch orientieren können, in den letzten zwei Jahre überhaupt geblieben? Auf den überall gegenwärtigen, nonstop flimmernden, hoch informativen Nau-Bildschirmen, die übrigens massiv energiesparender sind als zehn Minuten zu duschen, wohl kaum. Ebenfalls wird unser «Wahrheitssinn» im ganzen medialen Informationsbombardement nur mehr strapaziert. Alles ist durcheinander und niemand weiss mehr wirklich, wo unten und wo oben, was wahr und was unwahr ist. Eine komische Tanne am Waldrand zieht ihre Aufmerksamkeit auf sich. Ich erkenne eine getarnte Mobilfunkantenne. Sehen so die ungefährlichen 5G Antennen aus?
Ein silbergraues Auto wechselt die Spur. «Halt der digitalen Sklaverei!» steht auf der Rückscheibe geschrieben. Im Schritttempo tuckere ich hinter dem Auto her. Welche Spur soll ich nehmen? Die linke? Die rechte? Die mittlere? Oder vielleicht eher den Weg in mein Inneres? Vielleicht sollten wir überhaupt wieder mehr spüren als spuren?
Eine allgemeingültige Wahrheit gibt es sowieso nicht. In keinem einzigen Lebensbereich. Und ganz sicher nicht im Abendverkehr auf der Autobahn. Ich öffne das Fenster. Frische Luft strömt herein. Die Vielfalt und Farbenfroheit der Menschheit kann weder kontrolliert noch von einer allgemeingültigen „Wahrheit“ unterdrückt werden. Durch Unterdrückung in eine Freiheit zu gelangen ist genauso unsinnig, wie von oben aufgezwungene Massnahmen, die nicht endende Angstmache, die Vernichtung von Atemräumen, und der Irrsinn, zu glauben, ohne Schlaufe in eine fühlende Seelenwelt leben zu können. Ja doch. Das geht. Aber es wird kalt auf unserer Welt. Und noch kälter. Seelenfrierend und nicht im Einklang mit unserem Herzensweg laufen wir in Gefahr, uns zu isolieren, zu verstummen und letztendlich uns selbst eines Tages nicht mehr in die Augen blicken zu können. Und das ist schlimmer als alles.
Da ich noch ein geschaltetes Auto besitze, spüre ich langsam eine gewisse «Staumüdigkeit» in den Beinen. Wir hängen da allesamt in dieser Massnahmenschlinge fest. Jene nicht weniger, die sie in die Welt gesetzt haben, als jene, die sie vertreten, oder jene, die sie ausführen, jene, die sie nicht erkennen und jene, die freiwillig in die offene Schlinge hineinfahren. Stau. Der Verkehr ist mehr als stockend. Dies seit bald zwei Stunden. Alle wollen wir nach Hause. Der Autofahrer vor mir blinkt und biegt nach rechts ein. Eine Luke ist frei geworden. Die Sonne spiegelt sich golden auf dem metallisierten Verdeck des vorderen Wagens.
Um auf dieser wunderbaren Welt unter Gottes Dach zu leben, brauchen wir weder grüne Haare noch Masken, sinnlose Vorschriften oder erzwungene Freiheitszertifikate. Wir brauchen vielleicht etwas mehr «Spürsinn» und weniger «Unsinn». Mehr Be – sinn – ung, «Klarsinn», «Eigensinn», «Frohsinn», «Freisinn», «Liebessinn», «Scharfsinn», «Kreativitätssinn».
Wer weiss, vielleicht steht die Menschheit als Gesamtheit ja vor einem entscheidenden Entwicklungsschritt. Hin zu mehr «Bewusstsinn», Sinnhaftem, Echtem und einem wahrhaften Lebenssinn.
Janine Spirig (*1969) aus St.Gallen ist Mutter von drei Kindern, Körpertherapeutin und Logotherapeutin nach V.E. Frankl. 1999 erschüttert der «Lehrermord» in St. Gallen die Öffentlichkeit. Während alle nach Erklärungen suchen, tastet sich die Frau des Ermordeten, Janine Spirig, ins Leben zurück. Ihre Erfahrungen hat sie in mehreren Büchern in Worte gefasst.
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