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Rezession oder doch nicht Rezession?

Der Anstieg der Arbeitslosenrate in den USA von 4.1 Prozent auf 4.3Prozent im Juli hat die Ökonomen überrascht und die Anlegerinnen und Anleger erschreckt. Das Wort «Rezession» dominiert seither wieder die Finanzmärkte.

Thomas Stucki am 19. August 2024

Während vorher schwächere Wirtschaftsdaten bejubelt wurden, weil sie die Wahrscheinlichkeit einer Zinssenkung der Fed erhöhten, gelten sie nun als Bestätigung dafür, dass die Fed zu lange zugewartet hat und die Rezession unvermeidlich ist. Stark schwankende und in ihrer Erhebung durch Sondereffekte beeinflusste Daten wie die Zahl der wöchentlichen Neuanträge bei der Arbeitslosenversicherung werden als Zeichen des konjunkturellen Lichts oder Dunkelheit gesehen und bewegen die Märkte. Nähere Gedanken dazu, wie es um die US-Wirtschaft wirklich bestellt ist, machen sich dabei die wenigsten.

In den USA gibt es so viele Statistiken, dass jede Meinung mit Daten untermauert werden kann. Die Rezessionspropheten zitieren die von der St. Louis Fed publizierte Sahm-Regel der Ökonomin Claudia Sahm, welche auf der Geschwindigkeit des Anstiegs der Arbeitslosenrate basiert und die US-Wirtschaft schon in der Rezession sieht. Auf der anderen Seite gibt es den von der Fed Atlanta berechneten Indikator «GDP Now», der auf dreizehn Indikatoren basiert und aktuell ein US-Wachstum von 2.0% sieht. Gegenüber den 4% vom Mai schwächt sich auch dieser Indikator ab, ist aber weit von einer Rezession entfernt.

Geringe Rezessionswahrscheinlichkeit

Getragen wird die Konjunktur von den Subkomponenten der privaten Konsumausgaben und der Staatsausgaben, während die Schwäche im Wohnbau das BIP nach unten zieht. Wer vorausschauen will, findet eine Reihe von Zeitreihen für die «Recession Probability» in den nächsten 12 Monaten. Der Indikator der New York Fed sieht eine solche von 56% vor. Der Indikator basiert auf der Struktur der Zinskurve und ist schon seit Anfang Jahr im Rezessionsbereich. Den Höhepunkt hatte er im Juni mit einer Rezessionswahrscheinlichkeit von 70%. Demgegenüber gehen die von Bloomberg befragten Ökonomen im Durchschnitt von einer Rezessionswahrscheinlichkeit für die nächsten zwölf Monate von 30% aus. Im Frühjahr 2023 lag ihre Einschätzung noch bei 70%.

Aus all diesen Puzzleteilen versuchen wir, unser eigenes Bild über den Zustand der US-Konjunktur zu machen. Die US-Wirtschaft schwächt sich ab. Das ist von der Fed gewünscht, da nur so die Inflation unter Kontrolle gebracht werden kann. Während die Industrie schon länger mit einem schrumpfenden Auftragsbestand zu kämpfen hat, florieren die Dienstleistungsbereiche. Die Detailhandelsumsätze in den Läden und den Online-Shops laufen nicht mehr so gut wie noch vor einem Jahr. 

Die während der Hochinflationsphase stark gestiegenen Preise drücken auf die Stimmung der Konsumenten. Belastend ist, dass die für die Gefühlslage vieler Amerikaner wichtigen Preise für Benzin, Nahrungsmittel und Mieten besonders stark gestiegen sind. Die stark gestiegenen Immobilienpreise machen es schwieriger, ein Haus zu kaufen oder in ein grösseres Haus umzuziehen, was ebenfalls auf die Stimmung drückt. Dennoch wächst der private Konsum insgesamt immer noch solide. Dazu kommen die von der Regierung Biden beschlossenen Programme zur Verbesserung der Infrastruktur, welche ihre positive Wirkung auf die Konjunktur entfalten.

Weg frei für Zinssenkungen

Die Inflationsrate ist immer noch über dem Zielwert der Fed, bewegt sich aber nach unten, was den Weg für Zinssenkungen frei macht. Die Fed wird im September den Leitzins um 0.25% senken und danach kontinuierlich weiter nach unten drücken. Sollte die Konjunkturschwäche stärker werden, wird Jerome Powell nicht zögern, den Zins schneller und in grösseren Schritten zu senken. Das Potenzial für Zinssenkungen der Fed ist noch gross. Die tieferen Zinsen werden sich im nächsten Jahr positiv auf die Konjunktur auswirken. Daher ist für mich die Gefahr einer Rezession in den USA nicht allzu gross.

(Bild: Archiv)

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Autor/in
Thomas Stucki

Dr. Thomas Stucki ist CIO der St.Galler Kantonalbank. Er hat einen Abschluss mit Doktorat in Volkswirtschaft von der Universität Bern und ist CFA Charterholder. Stucki führt bei der St.Galler Kantonalbank das Investment Center mit rund 35 Mitarbeitenden und ist verantwortlich für die Verwaltung von Kundenmandaten und Anlagefonds im Umfang von 7,5 Milliarden Franken. Zuvor war er als Leiter Asset Management der Schweizerischen Nationalbank verantwortlich für die Verwaltung der Devisenreserven.

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