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Spital: Vorwürfe aus Wattwil

«Was fürchtet die Regierung?»

Wer hat denn eigentlich das Vorkaufsrecht auf das Spital Wattwil? Die Gemeinde und die Kantonsregierung sehen das unterschiedlich. Der Gemeinderat Wattwil spricht von einer «einseitigen Information», mit welcher der Volkswille «unterlaufen werden könnte».

Stefan Millius am 28. Mai 2021

Zwei streiten sich – und der Stimmbürger, der sich einen Reim auf das Ganze machen sollte für seine Entscheidung, schaut hilflos zu. So lässt sich die Auseinandersetzung rund ums Spital Wattwil zusammenfassen. Wenige Wochen, bevor es zur Abstimmung kommt.

Die Gemeinde Wattwil stellt sich auf den Standpunkt, ein Vorkaufsrecht auf die Spitalliegenschaft zu haben. Das wäre relevant, weil der Kanton St.Gallen die besagte Liegenschaft zu einem ziemlich bescheidenen Preis an eine private Klinikgruppe veräussern will. Einen Vorstoss zum Vorkaufsrecht hat die St.Galler Regierung in dem Sinn beantwortet, dass ein solches nicht gegeben sei, diese Information wurde danach breit kolportiert und gilt derzeit gewissermassen als offizielle Wahrheit.

Was dem Wattwiler Gemeinderat nicht schmeckt. Diese Information sei einseitig «und bietet mit Blick auf die Referendums-Abstimmung vom 13. Juni das Potenzial, den Volkswillen zu verfälschen.»

Konkret schreibt er: «Im Abtretungsvertrag vom Dezember 2002, mit dem die Gemeinde Wattwil die Spitalliegenschaft kostenlos dem Kanton übergab, ist dieser eine obligatorische Verpflichtung zur Rückübertragung der Liegenschaft eingegangen für den Fall, dass darin kein somatisches Akutspital mehr betrieben wird. Die Verpflichtung ist 20 Jahre lang gültig – also bis Dezember 2022.»

Klingt eigentlich eindeutig. Allerdings wird die zitierte vertragliche Verpflichtung unterschiedlich interpretiert. Wie so oft, wenn Juristen am Werk sind. Das jedenfalls sagte Regierungspräsident Bruno Damann an einer Informationsveranstaltung zum Spital. Eine unterschiedliche Interpretation würde dazu verführen, die Sache näher unter die Lupe zu nehmen, um herauszufinden: Was stimmt letztendlich? Die Position der Gemeinde Wattwil, gestützt von der Beurteilung eines Rechtsexperten, werde aber ignoriert, so der Gemeinderat.

«Der Gemeinderat Wattwil bedauert die einseitige und widersprüchliche Argumentation zu Lasten der Gemeinde. Immerhin hat die Regierung selbst keine Gelegenheit ausgelassen, zu betonen, dass der Schliessungs-Entscheid gefallen sei und bereits 2022 die Bauarbeiten für die Umnutzung starten sollen», schreibt Gemeindepräsident Alois Gunzenreiner in einer Stellungnahme. Zum wiederholten Mal informiere die Regierung zum Spital Wattwil «tendenziös». Das bezeichnet Gunzenreiner insbesondere mit Blick auf die Referendumsabstimmung vom 13. Juni als gefährlich: «Die Regierung riskiert, den Volkswillen zu verfälschen. Sie wäre von Rechts wegen dazu verpflichtet, zu Abstimmungsvorlagen transparent und sachlich zu informieren.»

Auch mit der Antwort eines weiteren Kantonsrats aus dem Toggenburg, dem SVP-Mann Ivan Louis, ist die Gemeinde nicht zufrieden, sie sei «völlig einseitig und rein formaljuristisch» ausgefallen. Denn dort hätten Kantonsrat und Regierung durchblicken lassen, sie würden sowieso nicht auf ein erfolgreiches Referendum reagieren, die Entscheidung zur Schliessung des Spitals Wattwil sei abschliessend. Für den Gemeinderat heisst das: «Der Volkswillen würde also erneut ignoriert, wie schon der Volksentscheid von 2014 zur Erneuerung und Erweiterung des Spitals Wattwil.»

Der Gemeinderat legt in der Stellungnahme die Frage in den Raum: «Weshalb ist die Regierung derart erpicht darauf, die mit Steuergeldern finanzierte Spitalliegenschaft weit unter Wert, ohne öffentliches Bieterverfahren und ohne den Vertrag mit der Gemeinde zu beachten, einem privaten Investor zu überlassen?»

Gleichzeitig baue die Regierung gegenüber der St.Galler Stimmbevölkerung «eine Drohkulisse» auf. Das, indem sie sagt, bei einem Nein zur Vorlage am 13. Juni habe man keinen Plan B. Was so klingt, als würde die St.Galler Spitallandschaft bei einer Ablehnung vor einem Scherbenhaufen stehen. Dabei, so der Gemeinderat, betreffe die Abstimmung lediglich den Standort Wattwil und nicht die gesamte Spitalstrategie. Auch die Solviva, die vorgesehene Käuferin der Liegenschaft, mache Druck, indem sie sage, die gesetzten Bedingungen und der vorgesehene Zeitplan für die Übernahme seien unverrückbar. Während das Unternehmen, wie der Gemeinderat festhält, auch andere Pflegeheime in Miete betreibe, statt die Liegenschaft zu kaufen.

Dazu findet der Wattwiler Gemeinderat deutliche Wort: «Es ist wohl ein einzigartiger Vorgang, dass einer Behörde von einem Privatinvestor öffentlich ein Ultimatum gesetzt und dies von der Regierung aktiv unterstützt wird, obwohl der Gemeinderat lediglich die Verantwortung gegenüber der eigenen Bürgerschaft wahrnimmt. Es stellt sich die Frage, was die Regierung fürchtet.»

Das Spital Wattwil mache gerade mal rund 2,5 Prozent der St.Galler Spitalverbunde aus, heisst es abschliessend, sei für den Kanton also weder organisatorisch noch finanziell systemrelevant – «sehr wohl aber für die Gesundheitsversorgung des Toggenburgs».

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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