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DG: DG: Politik

Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Regulierung und Bürokratie sind die ganz grossen Motivations-Killer.

Kurt Weigelt am 24. Juli 2024

Dies gelesen: «Interessant ist, dass Geld und höheres Ansehen für Gründungspersonen in der Schweiz eine sehr kleine Rolle spielen. Vielmehr stehen intrinsische, persönliche Motive wie Unabhängigkeit und Durchsetzung eigener Ideen im Vordergrund.» (Quelle: Die neuen Selbständigen 2020, Forschungsbericht)

Das gedacht: Seit mehr als zwanzig Jahren untersucht die Fachhochschule Nordwestschweiz die Gründerszene der Schweiz. Verändert hat sich in den vergangenen zwanzig Jahren erfreulicherweise der Frauenanteil. Dieser hat sich ziemlich genau verdoppelt. Hinter knapp einem Drittel der neugegründeten Unternehmen stehen Frauen. Ebenfalls gestiegen ist die Zahl der Unternehmensgründer mit einem akademischen Abschluss. Angesichts der starken Zunahme an Hochschulabsolventen keine Überraschung.

Im Übrigen aber hat sich kaum etwas bewegt. Die durchschnittliche Gründerperson ist etwas mehr als vierzig Jahre alt. Die neuen Unternehmen sind klein und bleiben klein. Unterstützung kommt bei der Gründung in erster Linie von der Familie, von Bekannten und Verwandten. Vergleichbares gilt, wenn bei auftretenden Schwierigkeiten externe Unterstützung gesucht wird. Bei der Finanzierung kommen zusätzlich Banken und Risikokapitalgeber ins Spiel.

Privat statt Staat

Kaum Bedeutung kommt bei Unternehmensgründungen den öffentlichen Gemeinwesen zu. Nur bei 6% der Gründerinnen und Gründer spielen staatliche Stellen eine unterstützende Rolle. Ein noch tieferer Wert als vor 10 Jahren (2009: 8%). Auch bei auftretenden Schwierigkeiten werden öffentliche Unterstützungsangebote kaum genutzt.

In der Breite hat die Gründerszene wenig mit genialen, von jungen Hochschulabgängern gegründeten Startups zu tun, die über Nacht die Welt verändern. Vergleichbares gilt für den Hype rund um die mit öffentlichen Geldern finanzierten Innovationszentren. Ihre Bedeutung für die neuen Selbständigen verhält sich umgekehrt proportional zur politischen und medialen Aufgeregtheit, die diese Institutionen begleitet. Auf dem Weg in die berufliche Selbständigkeit gilt: Privat statt Staat.

Intrinsische Motivation

Für alle, die selbst als KMU-Unternehmer unterwegs sind, wenig überraschende Erkenntnisse. Noch ausgeprägter gilt dies für die Antworten auf die Frage, welche Motive hinter dem Schritt zur Selbständigkeit stehen. Auch diese sind in den letzten zwanzig Jahren gleich geblieben, haben sich allerdings verstärkt. Mit deutlichem Abstand an der Spitze sehen das Streben nach Unabhängigkeit, das Verfolgen einer sinnvollen Tätigkeit, die Durchsetzung eigener Ideen und das Bedürfnis nach Selbstverwirklichung.

Die Hoffnung auf ein besseres Einkommen und ein höheres Ansehen spielen dagegen nur eine untergeordnete Rolle. Diese Absichten kommen an zehnter, respektiver zwölfter Stelle. Unternehmertum hat wenig mit materiellen, dafür sehr viel mit intrinsischen Motiven zu tun. Intrinsisch bedeutet, dass jemand etwas aus Freude an der Sache unternimmt. Bei der Gründung eines eigenen Unternehmens geht es in der Regel nicht darum, in möglichst kurzer Zeit möglichst viel zu verdienen und möglichst gross zu werden, sondern um Unabhängigkeit und Selbstbestimmung.

Wirtschaftsfreiheit als Grundrecht

Wenig ergiebig sind die in der Studie formulierten Empfehlungen. Dabei ist es im Grunde genommen ganz einfach. Und dies gilt nicht nur für Gründerpersonen, sondern für alle Unternehmerinnen und Unternehmer.

Erfolgreiche kleinere und mittlere Unternehmen brauchen keine Subventionen, keine Förderprogramme und keine staatlich geschützte Marktstellung. Weit entscheidender ist die in Art. 27 der Bundesverfassung garantierte Wirtschaftsfreiheit. Diese ist dem Unternehmertum verpflichtet und schützt jede privatwirtschaftliche Tätigkeit vor staatlichen Eingriffen. Wenigstens auf dem Papier.

In Tat und Wahrheit durchdringen staatliche Regulierungen sämtliche Aspekte des unternehmerischen Handelns. Das Schweizer Landesrecht umfasst über 37’000 Seiten. Es wuchs zwischen 2004 und 2020 um 46 Prozent. Gemäss einem Bericht des Bundesrates beklagten im Jahre 2018 zwei Drittel der Unternehmen eine Zunahme der administrativen Belastung.

Ratlose Fachleute

Der Mehrwertsteuer-Kommentar benötigt 1309 Seiten um den Steuerpflichtigen zu erklären, was richtig und was falsch ist. Dazu gehören beispielsweise unterschiedliche Steuersätze für Malbücher für Kinder und Malbücher für Erwachsene. Eine Tatsache, die selbst die Fachleute der Mehrwertsteuerkontrolle ratlos zurücklässt.

Zur Konkretisierung des Lebensmittelgesetzes braucht es vier Verordnungen des Bundesrats, 23 Verordnungen des Eidgenössischen Departements des Innern sowie drei Verordnungen des Bundesamts für Lebensmittelsicherheit und Veterinärwesen. Die Berufsbildung wird in nicht weniger als 234 Erlassen geregelt. Ein giftiger Cocktail aus überregulierten Baugesetzen, Verdichtungsstrategien und Einsprachen vertreibt Private aus dem Wohnungsbau.

Externe Beratungsdienstleistungen

Verstärkt wird dieses Dickicht durch eine Rechtsprechung, die sich zunehmend dem gesunden Menschenverstand entzieht. Zum Beispiel im Arbeitsrecht. Kaum ein kleineres Unternehmen ist noch in der Lage, arbeitsrechtliche Fragestellungen eigenständig zu lösen. An jeder Ecke lauern Stolpersteine. Formelle Fehler haben teure Konsequenzen.

Vergleichbares gilt für Steuerfragen, die Zollabwicklung, Umweltvorschriften, die Arbeitssicherheit und vieles mehr. Ohne kostspielige externe Beratungsdienstleistungen läuft nichts mehr. Von Selbständigkeit im ursprünglichen Sinne des Wortes ist dies alles meilenweit entfernt.

Was ist zu tun?

Regulierung und Bürokratie sind die ganz grossen Motivations-Killer. Jeder staatliche Eingriff, der die Unternehmerinnen und Unternehmer in ihrer Entscheidungsfreiheit einschränkt, beschädigt diese in ihrem Streben nach Unabhängigkeit, nach Selbstbestimmung und Selbstverantwortung. Politische Massnahmen, die aus Selbständigerwerbenden Befehlsempfänger machen, zerstören den Unternehmergeist.

Bleibt die Frage, was zu tun ist. Um ehrlich zu sein, ich weiss es nicht. Nach Jahrzehnten als Unternehmer stellt sich ein Gefühl der Hoffnungslosigkeit ein. Und dies obwohl die Forderung nach administrativer Entlastung seit Jahren zu den Dauerbrennern der Wirtschaftspolitik gehört. Regelmässig werden politische Vorstösse eingereicht, Studien publiziert, Arbeitsgruppen eingerichtet und Massnahmen beschlossen.

Nur, jede kleine Verbesserung wird durch eine Flut an neuen Vorschriften und realitätsferne Gerichtsurteile überkompensiert. Der öffentliche Sektor wächst und wächst. Immer mehr Staatsangestellte erklären uns mit immer mehr Gesetzen und Vorschriften, wer was wann wo wie machen darf. Auf der Strecke bleibt das Unternehmertum, die Privatinitiative.

Eine fatale Entwicklung. Besserung ist wohl erst zu erwarten, wenn den Staatskassen das Geld ausgeht und Politik und Verwaltung wieder lernen müssen, sich auf die wirklich wichtigen Dinge zu konzentrieren. Vergleichbar mit den täglichen Herausforderungen jedes kleineren und mittleren Unternehmens.

Quelle und Links: www.kurtweigelt.ch

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Autor/in
Kurt Weigelt

Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.

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