Wegen falscher Zahlen zur AHV fordern Linksgrüne und Feministinnen eine Wiederholung der Abstimmung über das Frauenrentenalter 65. Dafür besteht kein Grund: Frauen sind bei der AHV trotzdem besser gestellt als früher.
Aufgrund falscher Berechnungen im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zu den Finanzen der AHV fordern linke Kreise eine Wiederholung der Volksabstimmung vom 25. September 2022 über die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre. Grüne und SP-Frauen haben dazu eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht.
Jene Abstimmung ging denkbar knapp aus: Am Schluss stimmten nur 31'388 Stimmberechtigte mehr für die Erhöhung als dagegen.
Nicht ausgeschlossen, dass bei korrekten Prognosen zur finanziellen Lage der AHV das Ergebnis andersherum ausgefallen wäre. Die Forderung nach einer Wiederholung der Abstimmung ist daher durchaus nachvollziehbar.
Eineinhalb Jahre nach jener denkwürdigen Abstimmung hiess das Volk ziemlich deutlich die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente gut. Gut möglich, dass die teils harten Auseinandersetzungen zwischen den Geschlechtern in der Frage des Frauenrentenalters — zwei Drittel der Männer waren für eine Erhöhung des Referenzalters, 62 Prozent der Frauen dagegen — erst dazu geführt hat, dass eine deutliche Mehrheit der Stimmberechtigten allen Pensionierten ein Geschenk machen wollte.
Frauen nicht schlechter gestellt
Tatsächlich ergibt es Sinn, die beiden Vorlagen zusammen zu betrachten: Frauen haben im Alter von 65 Jahren statistisch eine Restlebenserwartung von 22,5 Jahren. Durch die Erhöhung des Referenzalters um ein Jahr erhalten sie in Zukunft nur noch während dieser 22,5 anstatt wie früher während 23,5 Jahren eine Rente: De facto entspricht dies, über die gesamte Restlebensdauer betrachtet, einer Rentenkürzung um viereinhalb Prozent.
Zusammen mit der Rentenerhöhung von 8,3% durch die 13. AHV-Rente, resultiert für Frauen eine kombinierte Rentenerhöhung durch die beiden Vorlagen von 3,7%, für Männer von 8,3%. Im Durchschnitt aller Rentnerinnen und Rentner, gewichtet mit deren Anteil an der Rentensumme, entspricht dies immer noch einer kombinierten Rentenerhöhung von rund 5,8%.
Frauen sind dabei bei der AHV alles andere als benachteiligt: Nicht nur beziehen Frauen selbst mit Referenzalter 65 im statistischen Durchschnitt fast drei Jahre länger Rente als Männer. Auch die durchschnittliche Rente pro Frau ist mit 1928 Franken höher als die durchschnittliche Rente eines Mannes von 1908 Franken.
54% aller Beitragszahler sind männlich, aber nur 47% aller Rentenbeziehenden. Noch extremer ist der Unterschied bei den Beträgen: Frauen beziehen 55% der gesamten Rentensumme, leisten aber nur 35% aller AHV-Beiträge.
Genug der Zahlen, zurück zu den Abstimmungen. Wäre die Erhöhung des Referenzalters für Frauen seinerzeit abgelehnt worden: Gut möglich, dass danach auch die 13. AHV-Rente, trotz des letztlich klaren Verdikts an der Urne, ebenfalls gescheitert wäre.
Einzelfallbetrachtung macht keinen Sinn
Denn das Souverän machte sich dieses «Geschenk» im Wissen darum, zuvor durch die Erhöhung des Referenzalters für Frauen etwas für die finanzielle Gesundheit der AHV getan zu haben.
Insofern müsste man, wollte man die Abstimmung über die Erhöhung des Referenzalters der Frauen wiederholen, daraufhin auch gleich noch die Abstimmung über die 13. AHV-Rente wiederholen. Denn die beiden Ergebnisse hängen wohl mehr als nur ein wenig voneinander ab.
Tatsächlich kann es eine Rolle spielen, in welcher Reihenfolge Vorlagen vor's Volk kommen. Wäre der Abstimmungsverlauf genau umgekehrt gewesen, also zuerst über die 13. AHV-Rente abgestimmt und diese vom Volk aufgrund finanzieller Erwägungen abgelehnt worden: Wahrscheinlich hätte sich der Souverän beim Frauenrentenalter dann nicht gleich nochmals knausrig gezeigt und Rentenalter 65 für Frauen ebenfalls bachab geschickt.
In der Realität geschah nun genau das Gegenteil. Gut möglich daher, dass das Volk, nachdem man sich nun schon bei der 13. AHV-Rente grosszügig gezeigt hat, sich beim Frauenrentenalter nicht gleich nochmals generös zeigt und das AHV-Referenzalter 65 für Frauen in einer allfälligen Wiederholung der Abstimmung noch deutlicher gutheissen wird.
Oder aber es geschieht das Gegenteil: Rentenalter 65 für Frauen wird abgelehnt — und dafür bei einer Wiederholung der anderen Abstimmung auch die 13. AHV-Rente. Dann hätte die Linke wohl tatsächlich das Eigentor des Jahrhunderts geschossen. Es wäre ein verdienter Lohn für eine schier unersättliche Gier, welche sich selbst mit 5,8 Prozent Rentenerhöhung nicht zufriedengeben will.
Fakt ist: Mit Referenzalter 65 und der 13. AHV-Rente erhalten Frauen immer noch 3,7 Prozent mehr AHV-Rente als zuvor. Es gibt für sie somit eigentlich gar keinen Grund, sich zu beklagen.
Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.
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