logo

Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

Wegen falscher Zahlen zur AHV fordern Linksgrüne und Feministinnen eine Wiederholung der Abstimmung über das Frauenrentenalter 65. Dafür besteht kein Grund: Frauen sind bei der AHV trotzdem besser gestellt als früher.

Thomas Baumann am 15. August 2024

Aufgrund falscher Berechnungen im Bundesamt für Sozialversicherungen (BSV) zu den Finanzen der AHV fordern linke Kreise eine Wiederholung der Volksabstimmung vom 25. September 2022 über die Erhöhung des Frauenrentenalters von 64 auf 65 Jahre. Grüne und SP-Frauen haben dazu eine Abstimmungsbeschwerde eingereicht.

Jene Abstimmung ging denkbar knapp aus: Am Schluss stimmten nur 31'388 Stimmberechtigte mehr für die Erhöhung als dagegen.

Nicht ausgeschlossen, dass bei korrekten Prognosen zur finanziellen Lage der AHV das Ergebnis andersherum ausgefallen wäre. Die Forderung nach einer Wiederholung der Abstimmung ist daher durchaus nachvollziehbar.

Eineinhalb Jahre nach jener denkwürdigen Abstimmung hiess das Volk ziemlich deutlich die Volksinitiative für eine 13. AHV-Rente gut. Gut möglich, dass die teils harten Auseinandersetzungen zwischen den Geschlechtern in der Frage des Frauenrentenalters — zwei Drittel der Männer waren für eine Erhöhung des Referenzalters, 62 Prozent der Frauen dagegen — erst dazu geführt hat, dass eine deutliche Mehrheit der Stimmberechtigten allen Pensionierten ein Geschenk machen wollte.

Frauen nicht schlechter gestellt

Tatsächlich ergibt es Sinn, die beiden Vorlagen zusammen zu betrachten: Frauen haben im Alter von 65 Jahren statistisch eine Restlebenserwartung von 22,5 Jahren. Durch die Erhöhung des Referenzalters um ein Jahr erhalten sie in Zukunft nur noch während dieser 22,5 anstatt wie früher während 23,5 Jahren eine Rente: De facto entspricht dies, über die gesamte Restlebensdauer betrachtet, einer Rentenkürzung um viereinhalb Prozent.

Zusammen mit der Rentenerhöhung von 8,3% durch die 13. AHV-Rente, resultiert für Frauen eine kombinierte Rentenerhöhung durch die beiden Vorlagen von 3,7%, für Männer von 8,3%. Im Durchschnitt aller Rentnerinnen und Rentner, gewichtet mit deren Anteil an der Rentensumme, entspricht dies immer noch einer kombinierten Rentenerhöhung von rund 5,8%.

Frauen sind dabei bei der AHV alles andere als benachteiligt: Nicht nur beziehen Frauen selbst mit Referenzalter 65 im statistischen Durchschnitt fast drei Jahre länger Rente als Männer. Auch die durchschnittliche Rente pro Frau ist mit 1928 Franken höher als die durchschnittliche Rente eines Mannes von 1908 Franken.

54% aller Beitragszahler sind männlich, aber nur 47% aller Rentenbeziehenden. Noch extremer ist der Unterschied bei den Beträgen: Frauen beziehen 55% der gesamten Rentensumme, leisten aber nur 35% aller AHV-Beiträge.

Genug der Zahlen, zurück zu den Abstimmungen. Wäre die Erhöhung des Referenzalters für Frauen seinerzeit abgelehnt worden: Gut möglich, dass danach auch die 13. AHV-Rente, trotz des letztlich klaren Verdikts an der Urne, ebenfalls gescheitert wäre.

Einzelfallbetrachtung macht keinen Sinn

Denn das Souverän machte sich dieses «Geschenk» im Wissen darum, zuvor durch die Erhöhung des Referenzalters für Frauen etwas für die finanzielle Gesundheit der AHV getan zu haben.

Insofern müsste man, wollte man die Abstimmung über die Erhöhung des Referenzalters der Frauen wiederholen, daraufhin auch gleich noch die Abstimmung über die 13. AHV-Rente wiederholen. Denn die beiden Ergebnisse hängen wohl mehr als nur ein wenig voneinander ab.

Tatsächlich kann es eine Rolle spielen, in welcher Reihenfolge Vorlagen vor's Volk kommen. Wäre der Abstimmungsverlauf genau umgekehrt gewesen, also zuerst über die 13. AHV-Rente abgestimmt und diese vom Volk aufgrund finanzieller Erwägungen abgelehnt worden: Wahrscheinlich hätte sich der Souverän beim Frauenrentenalter dann nicht gleich nochmals knausrig gezeigt und Rentenalter 65 für Frauen ebenfalls bachab geschickt.

In der Realität geschah nun genau das Gegenteil. Gut möglich daher, dass das Volk, nachdem man sich nun schon bei der 13. AHV-Rente grosszügig gezeigt hat, sich beim Frauenrentenalter nicht gleich nochmals generös zeigt und das AHV-Referenzalter 65 für Frauen in einer allfälligen Wiederholung der Abstimmung noch deutlicher gutheissen wird.

Oder aber es geschieht das Gegenteil: Rentenalter 65 für Frauen wird abgelehnt — und dafür bei einer Wiederholung der anderen Abstimmung auch die 13. AHV-Rente. Dann hätte die Linke wohl tatsächlich das Eigentor des Jahrhunderts geschossen. Es wäre ein verdienter Lohn für eine schier unersättliche Gier, welche sich selbst mit 5,8 Prozent Rentenerhöhung nicht zufriedengeben will.

Fakt ist: Mit Referenzalter 65 und der 13. AHV-Rente erhalten Frauen immer noch 3,7 Prozent mehr AHV-Rente als zuvor. Es gibt für sie somit eigentlich gar keinen Grund, sich zu beklagen.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Thomas Baumann

Thomas Baumann ist freier Autor und Ökonom. Als ehemaliger Bundesstatistiker ist er (nicht nur) bei Zahlen ziemlich pingelig.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.