Patrik Noack gehört seit sechs Jahren dem Medical Team von Swiss Athletics an, seit diesem Jahr als Leiter. Ein Gespräch über «ungesunden» Sport, übermotivierte Athleten und Highlights.
Der St. Galler ist für verschiedene Sportverbände tätig und ist hauptverantwortlicher Arzt der Schweizer Olympiadelegationen. Hauptberuflich arbeitet er beim Medbase Zentrum für Medizin und Sport in Abtwil.
Patrik Noack, schlägt ein Mensch, der sich tagtäglich mit der Gesundheit befasst, auch einmal über die Stränge?
Aus meiner Sicht sollte alles mit Mass und gesundem Menschenverstand gemacht bzw. konsumiert werden. Ich persönlich achte unter der Woche auf eine gesunde Ernährung, gönne mir am Wochenende aber auch einmal etwas Üppigeres oder «Ungesundes».
Welche gesellschaftlichen Entwicklungen bereiten Ihnen im Bereich der Gesundheit am meisten Sorgen?
Als problematisch erachte ich die Anspruchs- und Konsumhaltung einiger Patientinnen und Patienten gegenüber dem Gesundheitswesen, ohne dass sie selbst etwas für ihre Gesundheit tun. Zudem stellt der fehlende Nachwuchs in der Grundversorgung eine grosse Herausforderung dar.
Die Menschen werden immer älter, die Medizin immer besser. Und der Fitnessbereich boomt. Eine Gesellschaft also, die zumindest im Durchschnitt die eigene Gesundheit als oberstes Ziel hat? Oder geht es eher um Optimierung der eigenen Person?
Bei vielen Menschen steht die eigene Gesundheit an erster Stelle. Der Weg dahin wird immer wieder durch diverse Trends beeinflusst, sei es im Bereich der Ernährung, neue Angebote der Fitnessbranche oder durch Technologie-Gadgets.
Ziele und Optimierung. Diese beiden Aspekte sind gerade auch für Sportlerinnen und Sportler essenziell. Wie oft haben Sie erlebt, dass ein Athlet die eigene Gesundheit gefährdet, um ein Maximum an Leistung erzielen zu können?
Zum Glück habe ich das sehr selten erlebt. Es ist aber auch die Aufgabe von uns Medizinern, die Athletinnen und Athleten bei Krankheit und Verletzung gut aufzuklären. Dann verstehen die meisten, welche Konsequenzen ein weiterführendes Training haben kann.
Sie können als begleitender Arzt den Athleten durch gezielte Massnahmen «pushen». Umgekehrt dürften Sie immer wieder auch als «Bremser» in Funktion treten. Wie schwierig ist es, zwischen diesen beiden Positionen hin und her zu pendeln?
Mein oberstes Ziel als Arzt ist die Prävention, so dass die Athleten gesund und gut vorbereitet an der Startlinie stehen. Für das «Pushen» sind der Athlet selbst und der Coach verantwortlich. Als Mediziner ist man eher der «Bremser», vor allem bei Krankheiten oder Verletzungen.
Im Sport erleben wir heute Leistungen, die früher undenkbar gewesen wären. Bei gewissen Disziplinen kann man das fortschrittlichere Material in Feld führen. Wie verhält es sich bei den anderen? Welchen Anteil haben das Fitnessprogramm, aufbauende Substanzen oder auch die heute übliche psychologische Begleitung?
Wie bei der Allgemeinen Medizin, die zu einer höheren Lebenserwartung geführt hat, konnten Fortschritte in verschiedenen Aspekten der Sportmedizin erreicht werden: in der Trainingsphysiologie, der Trainingssteuerung, dem Trainings-Monitoring, der Sporternährung, der Sportpsychologie, etc. Diese haben zusammen mit den Entwicklungen beim Material zu besseren Leistungen geführt.
Welche Sportarten sind unter dem gesundheitlichen Gesichtspunkt ein wahrer Graus?
Ich möchte hier keine Sportarten nennen. Es ist aber klar, dass gewisse Kampfsportarten ohne adäquaten Kopfschutz sicherlich nicht gesundheitsfördernd sind.
Und welche gelten – selbst wenn sie extrem ausgeübt werden – als unbedenklich?
Auch hier kann ich nicht pauschal eine Antwort geben. Die meisten Sportarten sind unbedenklich, wenn sie korrekt ausgeübt werden – oben genannte Sportarten ausgenommen – und die Sportlerin oder der Sportler auf den Körper hört.
Welche Sportlerin oder welche Sportler hat Sie bisher persönlich am meisten beeindruckt?
Nicola Spirig bei den Frauen/Sommersportarten und Dario Cologna bei den Männern/Wintersportarten.
Und mit wem würden Sie sich gerne einmal messen?
Ich glaube, es ist keine gute Idee, sich mit einem Spitzensportler messen zu wollen, egal in welcher Sportart. Ich hatte bei der Begleitung von Trainingslagern und Wettkämpfen genügend Möglichkeiten, mich mit Athleten zu vergleichen – meistens reichte dafür schon das Einlaufen. (lacht)
Was waren für Sie sportlich gesehen die absoluten Highlights im Jahr 2021?
Ganz klar das Dreier-Podest der MTB Frauen in Tokyo.
Mehr auf die Gesundheit zu achten, dürfte bei manch einem erklärtes Ziel sein. Haben Sie einen Tipp, wie man den Ansatz zumindest ansatzweise auch wirklich umsetzen kann und nicht wieder verschiebt?
Man sollte sich auf die Umsetzung eines Vorsatzes vorbereiten und einen Plan erstellen. Natürlich sollten die Vorsätze auch realistisch zu erreichen sein, in kleinen Schritten. Belohnen Sie sich nach Teil-Erfolgen!
Welche sportlichen – oder auch gesundheitlichen – Ziele haben Sie für sich im Visier?
Ich habe vor, zusammen mit meiner Frau beim letzten Gigathlon in der Kategorie Couple zu starten. Des Weiteren möchte ich erreichen, dass ich zu mehr Schlaf komme.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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