Noch rümpft man in Argentinien wohl die Nase ob dieser Businessidee. Aber immer mehr in Europa – und auch weltweit – kommen auf den Geschmack. Eigentlich ist es nur ein Grill. Aber hinter der Ostschweizer Marke Azado steckt mehr. Viel mehr.
Die ursprüngliche Geschäftsidee entpuppte sich nach fünf Jahren letztlich als eine Art Marktforschung für das, was noch kommen sollte. Und der Erfolg stellte sich schliesslich mit einer Umsetzung ein, die bei einigen für Kopfschütteln sorgte. Letztlich war es aber genau das, was den Unterschied ausmachte, nämlich das «Undenkbare» anzugehen.
Was Traditionen anbelangt, wird in Südamerika die Grillmahlzeit Asado einzig vom Fussball übertrumpft. Die Argentinier zelebrieren diese Kunst förmlich. Und auch bei den beiden Ostschweizern Andreas Nöckl und Manuel Würth entflammte im Jahr 2010 während einer Hochzeitsfeier die Begeisterung für diesen Brauch. Daraus reifte die Idee heran, diese Grillkultur auch in der Schweiz zu verbreiten. Catering-Angebote aus allen möglichen Ländern waren zu jener Zeit bereits vorhanden – allerdings keines mit einem argentinischen Hintergrund. Die erste Hürde, die sich den beiden stellte, war das zentrale Element: der passende Grill. «Alles, was auf dem Markt erhältlich war, entsprach in keiner Weise unseren Vorstellungen. Wir wollten einen komplett authentischen argentinischen Grill», erinnert sich Nöckl. Also musste das Problem selbst gelöst werden. Nöckl, gelernter Polymechaniker und lange im Maschinenbau tätig, fertigte schliesslich eigenhändig einen Grill an. Dem ersten Prototyp folgten weitere Versionen, die ihrerseits an unzähligen Grillfesten mit Freunden auf Herz und Nieren getestet und stetig verbessert wurden.
Die Kombination sorgt für den Durchbruch
Nöckl und Würth spürten zwar, dass ihr Angebot auf eine Nachfrage stiess, sie machten aber auch die Erfahrung, dass eines der typischen Asado-Merkmale – grillen mit Holzkohle – letztlich in hiesigen Gefilden gar nicht sonderlich gewünscht wurde. «Das Feedback auf unseren Grill war: Geil. Aber den hätten wir lieber kleiner und mit Gas», so Nöckl.
Alles, was Nöckl und Würth über die argentinische Tradition gelernt hatten, sprach eigentlich voll und ganz gegen diese «Anpassung». «Dass ein argentinischer Grill rein mit Holzkohle betrieben wird, war damals so klar wie dass in einen Porsche ein Verbrennungsmotor gehört.» Niemand ist bis dahin auf die Idee gekommen, Holzkohle und Gas zu kombinieren.
Der heimliche Prototyp
Der vierte Prototyp der Azado-Jungunternehmer vereinte schliesslich diese beiden Komponenten. Andreas Nöckl fertigte diesen heimlich an und schenkte ihn seinem Geschäftspartner zum 30. Geburtstag im Jahr 2015 – wo er auch sogleich ausgiebig getestet wurde und auch bereits die ersten zwei Bestellungen eingingen. So erfolgte fünf Jahre nach der Firmengründung definitiv der Wechsel vom Catering zum Grillbau. Ein Entscheid, der sich als wegweisend herausstellen sollte.
Heute sind am Firmensitz in St. Gallen neun Personen für Azado tätig. Dort, in einer ehemaligen Ferrari-Werkstatt, erfolgt die Endmontage sämtlicher Grills des Unternehmens. Rund 15 Schweizer Produzenten, die einer Geheimhaltungspflicht unterstehen, liefern hierfür die Einzelteile.
23 Prozent Exportanteil
Wie viele Grills inzwischen jährlich produziert werden, will sich Andreas Nöckl nicht entlocken lassen. Vor zwei Jahren habe man die 100er-Marke geknackt – und man wachse stetig. Die Schweiz ist hierbei nach wie vor der wichtigste Markt, der Exportanteil beträgt dennoch bereits stattliche 23 Prozent. Und an Visionen fehlt es nicht: Irgendwann wolle man jedes Land der Welt – auch Argentinien – in der Kundenkartei aufführen können. «Wir glauben zu 200 Prozent daran und stehen dafür jeden Tag motiviert auf», so Nöckl.
Mehr Material, längere Haltbarkeit
Ein wichtiger Schritt hierfür erfolgte im März 2024 mit der Eröffnung eines Showrooms in Zürich. Dies sei der Platz in der Schweiz, auf dem man mit einem Brand präsent sein müsse, um internationale Ausstrahlung zu erhalten. Dabei halten die beiden Unternehmer aber an gewissen Grundsätzen klar fest. Der Hauptsitz in St. Gallen («Das ist unsere Heimat») ist ebenso gesetzt wie die Schweizer Produktion («Komme, was wolle»). Klar könnte im Ausland günstiger produziert werden. Aber genau das sei eben nie die Philosophie gewesen. Als Untermauerung erwähnt Nöckl einen wichtigen Unterschied zu handelsüblichen Grills. Diese würden von Produktdesignern entwickelt, die den Fokus darauf legen würden, so wenig Material wie möglich einzusetzen. Als Maschinenbauer lerne man aber genau das Gegenteil: Mehr Material führt zu einem robusteren Produkt, das sich durch die lange Haltbarkeit amortisieren lasse.
Mehrheitlich werden die Azado-Grills standardisiert hergestellt. Das ermögliche neben einem effizienten Ablauf auch eine stetige Weiterentwicklung. So wird in keinem Jahr derselbe Grill wie im Jahr zuvor gebaut. Ständig tüftle man an Finessen, um eine Optimierung zu erzielen.
Der Grill für eine Viertelmillion
Für eine laufende Dynamik ist natürlich auch die Vermarktung entscheidend. Und Azado sorgte schon einige Male für Schlagzeilen. Das bekannteste Beispiel ist sicherlich die Herstellung eines Prototyps, der an einer Messe in Dubai ausgestellt und schliesslich für 250 000 Franken angepriesen wurde. Kürzlich kam es zudem zu einer Kooperation mit dem weltweit tätigen Unternehmen Gulf, für welches Azado eine Limited Edition in den Markenfarben Hellblau und Orange erstellt.
Den erwähnten Dubai-Grill kann man übrigens via Online-Shop erwerben. Sollte das die eigenen Möglichkeiten übersteigen, kann man sich aber auch auf die jüngste Innovation von Azado stürzen: einen Tischgrill.
Den Argentiniern dürften die Haare zu Berge stehen. Bei den Schweizern hat man den Geschmack getroffen.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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