Der Schweizer Nutzfahrzeugverband ASTAG wird nächstes Jahr 100 Jahre alt. Präsident der Sektion Ostschweiz und Fürstentum Liechtenstein ist seit 2022 der 37-jährige Tuggner René Steiner. Im Interview spricht er über die Herausforderungen seiner Sektion.
René Steiner, die ASTAG Ostschweiz hat rund 500 Mitglieder. Was bewegte diese im letzten Jahr besonders?
Im Jahr 2022 fand in Teilen unserer Branche ein Aufschwung statt. Dies führte dazu, dass oftmals nicht mehr genügend Ressourcen vorhanden waren, sowohl personell als auch teilweise bei den Fahrzeugen. Sehr lange Lieferfristen und überstrapazierte Lieferketten führten sowohl auf der Beschaffungsseite als auch im operativen Geschäft immer wieder zu Herausforderungen, die sich durch starke Spitzenbelastungen auswirkten. In der Car- und Taxibranche, die ebenfalls durch die ASTAG vertreten werden, war der Jahresverlauf nach den sehr schwierigen Corona-Jahren wieder erfreulicher. Allerdings führten im letzten Jahr die Energiepreise, Beschaffungskosten und die Löhne zu steigenden Kosten.
Inwiefern belasten die hohen Energiepreise die ASTAG Ostschweiz?
Glücklicherweise konnte ein Grossteil der Energiekosten über den vor Jahren eingeführten Treibstoffzuschlag weiterverrechnet werden. In Bereichen, in welchem der Zu- beziehungsweise Abschlag noch nicht üblich war, konnte dieser eingeführt werden. Die Kundschaft unserer Mitglieder zeigte damit grösstenteils Verständnis für die herausfordernde Situation.
Unterscheiden sich die Ostschweizer Bedürfnisse zum Beispiel von denjenigen der Sektion Genf oder Solothurn?
Die Herausforderungen in den einzelnen Kantonen sind ähnlich. Der Aufbau der Organisation mit Sektionen hilft jedoch, den Kontakt zu den lokalen Behörden, Entscheidungsträgern und Mitgliedern besser zu halten. Dadurch wird sichergestellt, dass regionale Themen gut abgedeckt werden. Auf nationaler Ebene setzt der Verband Schwerpunkte im verkehrspolitischen Bereich, so zum Beispiel bei der Weiterentwicklung der LSVA, in der Sozialpartnerschaft sowie der Nachwuchsförderung.
Auf der ASTAG-Webseite ist zu lesen: «Oberste Maxime ist eine liberale Marktordnung für fairen Wettbewerb.» Wo und in welchen Situationen ist der Schwerverkehr Ihrer Ansicht nach zu sehr eingeschränkt?
Es gibt immer mehr Auflagen im Strassentransport. Dies führt dazu, dass der Betrieb komplexer wird. Leider werden Vorgaben oft nach ideologischen Vorstellungen gemacht, so dass sie in der Praxis nur mit grosser Kostenfolge umgesetzt werden können.
Ebenfalls führen neue Vorgaben zu Unsicherheiten. Ein Beispiel dazu ist die Weiterentwicklung der LSVA, welche erst nach starker Einflussnahme der ASTAG in eine annehmbare Richtung konzeptioniert wird.
2023 ist Wahljahr: Was wünscht sich Ihre Sektion vom neu zusammengesetzten Parlament?
Es wäre schön, wenn das neue Parlament die Leistung des Logistik- und Strassentransportgewerbes weiterhin als unverzichtbarer Leistung der Schweizer Wirtschaft anerkennen würde. Dies beinhaltet, dass nicht nur einseitig die Bahn gefördert wird, sondern alle Transportmodi entsprechend ihrem volkswirtschaftlichen Beitrag gefördert oder zumindest nicht weiter eingeschränkt werden.
Fördert ASTAG auch die E-Mobilität im Schwerverkehr?
Sehr viele Mitglieder der ASTAG – auch in unserer Sektion – leisten Pionierarbeit. Nicht nur Batteriefahrzeuge, auch Wasserstoff , Biogas oder E-fuels sind Themen, die betrachtet werden sollten. Die ASTAG sieht sich als Wissensplattform: Das heisst, an Kongressen wie dem letztjährigen AS-Tag, Webinaren oder der Fachzeitschrift, wird Fachwissen ausgetauscht. Im Rahmen der Weiterentwicklung der LSVA lobbyiert die ASTAG für Investitionssicherheit, so dass die Pionierarbeit auch finanziell tragbar ist.
Wie werden Güter in 20 Jahren durch die Schweiz transportiert?
Generell wird immer häufiger und in kleineren Grössen geliefert, dies nicht nur im B2C-Geschäft, sondern auch im B2B-Bereich. Dies führt dazu, dass die letzte Meile immer wichtiger wird. Man kann dies auch gut am Wachstum der Kilometer- und Zulassungszahlen der Lieferwagen erkennen. Ebenfalls werden in 20 Jahren alternative Antriebe wohl stark verbreitet sein. Weiter wird die Ko-Modalität eine wichtigere Rolle spielen.
Hat die Transportbranche in der Ostschweiz ein Nachwuchs- oder Fachkräfteproblem? Wenn ja, was wird dagegen unternommen?
Der Mangel an Fachkräften ist in unserer Branche schon länger spürbar. Herausforderungen wie weiteres Wachstum der Logistikbedürfnisse oder die demografische Verteilung werden die Situation weiter verschärfen. Nebst der Lehrlingsausbildung setzen immer mehr Mitgliedsfirmen auf Quereinsteiger, die ausgebildet werden. Die ASTAG unterstützt dies entsprechend. Ebenfalls arbeitet der Verband mit der Armee zusammen, um sehr gut ausgebildete Motorfahrerinnen und Motorfahrer in unsere Branche zu bewegen.
Was bringt jemandem aus dem Transportwesen eine ASTAG-Mitgliedschaft? Was sind die Vorteile?
Die ASTAG setzt sich für die Interessen und Anliegen des Strassentransports ein, also Herausforderungen, die keine Firma alleine lösen kann. Der Verband nimmt Einfluss auf die Politik und wird als kompetenter Ansprechpartner wahrgenommen. Auch in der Aus- und Weiterbildung von Lehrlingen und Quereinsteigern ist die ASTAG aktiv. Als Mitglied profitiert man zudem von Beratungsunterstützung und Vergünstigungen.
Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.