Frauen als billige Arbeitskräfte und Kinderarbeit kennen wir aus Drittweltländern. Früher machte sich auch unsere Industrie die Hände schmutzig.
Am Museumshäppli vom Donnerstag, 28. November 2019, bringt Historikerin Verena Rothenbühler Licht in dieses dunkle Kapitel der Thurgauer Textilgeschichte.
Mit dem Boom der Stickerei-Industrie um 1900 entstehen in Arbon, Bürglen, Pfyn, Steckborn, Weinfelden und Münchwilen Heime zur Unterbringung von 14- bis 17-jährigen Mädchen. Die Minderjährigen stammen aus dem Tessin und aus Norditalien, später auch aus Spanien. Von ihren Familien aus ökonomischen Gründen in die Schweiz geschickt, werden sie hier für mehrere Jahre zur Fabrikarbeit verpflichtet.
Arbeit, Zucht und Ordnung
Die Leitung der Mädchenheime im Thurgau obliegt in der Regel Menzinger Ordensschwestern aus dem Kanton Zug. Die Bewohnerinnen unterstehen einer strengen Ordnung und klösterlicher Zucht: Von morgens früh bis abends spät arbeiten sie in der Fabrik, dazu kommen Haus- und Handarbeiten und religiöse Unterweisung. Die jungen Frauen lernen im Thurgau oft kein Wort Deutsch. Der Kontakt zur Bevölkerung ist ihnen untersagt. Auch wenn die Mädchen im Heim zusammen mit ihren Altersgenossinnen leben, leiden sie fern von Heimat und Familie oft unter grossem Heimweh.
Quellen decken auf
Am Museumshäppli im Historischen Museum Thurgau beleuchtet Verena Rothenbühler ein Stück Thurgauer Geschichte, das kaum bekannt ist. Anhand einzigartiger Quellen aus dem Kloster Menzingen rekonstruiert sie die Lebens- und Arbeitsbedingungen der jungen Fabrikarbeiterinnen, kommentiert Verträge zwischen den Menzinger Schwestern und den Fabrikherren und zeigt die Anwerbung junger Frauen in Italien und im Tessin auf. Zudem offenbaren die Quellen das strenge Regime und den eisigen Geist, die in den Thurgauer Mädchenheimen geherrscht haben.
Der Kurzvortrag über Mittag findet um 12.30 Uhr im Schloss Frauenfeld statt. Eintritt frei, ohne Anmeldung
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