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Waldmeyer Glosse

Axel Waldmeyer flieht aus Deutschland

Endlich steht die neue Regierung in Deutschland. Sie überzeugt allerdings nicht. Waldmeyer überlegt, ob er aus Deutschland fliehen würde, wenn er jetzt Deutscher wäre.

Roland V. Weber am 21. Januar 2022

Bei den letzten Wahlen konnte immerhin das Schlimmste verhindert werden: nämlich eine Grün-Rot-Rote Koalition. Die neue Truppe allerdings überzeugt ebenso wenig. Zum einen ist sie ziemlich flügellahm, zum andern möchte sie Geld mit beiden Händen ausgeben. Da türmen sich irrwitzig grosse Budgets auf. Das Staatsdefizit betrug bereits 2021 rund 150 Mia Euro, ebenso viel wie im Jahr 2020. Auf die Schweiz runtergerechnet und ins Verhältnis zur Wirtschaftsleistung gesetzt wären das fast 25 Mia CHF – ein ziemlich schockierender Betrag. Die neu gewählte teutonische Truppe verspricht jetzt (vorerst natürlich nur), keine Steuern zu erhöhen. Aber wie sollen die neuen, grosszügig zu verteilenden Milliardenbeträge bezahlt werden? Man ahnt es schon: Irgendwann wird der Griff ins Portemonnaie der Besserverdienenden und Vermögenden noch tiefer erfolgen.

Max Waldmeyer überlegte sich, was er tun würde, wenn er jetzt Deutscher wäre und in Deutschland leben würde. Max Waldmeyer wäre also z.B. Axel Waldmeyer. Axel wäre ebenso Mitte 50, ein nicht mehr operativer Unternehmer, lebte an der Elbe in Hamburg, in einem schönen Haus. Er wäre quasi ein Klon des Schweizer Waldmeyers aus Meisterschwanden. Axel Waldmeyers Frau heisst übrigens Heike, und auch sie ist, wie Charlotte, Interior Designerin.

Die maximale Progression bei den Einkommenssteuern greift in Deutschland bereits bei 54‘000 Euro Einkommen pro Jahr. Das ist besonders unangenehm, wenn die Inflation (zurzeit rund 6%) diese Schwelle de facto laufend runtersetzt. «Kalte Progression» nennt sich das. Axel und auch Heike hatten nun während Jahren über die Hälfte ihrer Einkommen brav abgeliefert. Das war nie motivierend. Und nun dieser neue frivole Plan der deutschen Regierung mit dem noch grosszügigeren Umgang von Steuergeldern! Axel Waldmeyer war allerdings nicht erst jetzt verstimmt. Ihn bedrückten seit einiger Zeit auch die deutschen Erbschaftssteuern von 19% (sogar für direkte Familienangehörige). Zwar gibt es einen Freibetrag vor 400‘000 Euro, aber wenn die Weitergabe eines KMUs ansteht, wird’s brenzlig. Wer soll denn die Erbschaftssteuern, und mit welchen Cashmitteln, bezahlen?

Sollten da Jürgen und Jutta (die Klons Max Waldmeyers Kinder Noa und Lara) nicht besser heute schon alternative Strategien schmieden? Bevor dieser neue brachiale Etatismus mit den bekannten Umverteilungstricks greift? Wenn sie Deutschland verlassen würden, wäre das quasi Mainstream: 200‘000 Deutsche pro Jahr tun es ebenso. Dabei handelt es sich selbstredend nicht um abgewiesene Asylbewerber, sondern um stinknormale Deutsche.

Es war nun einfach an der Zeit, vorzusorgen. Bevor die neue Politik irgendetwas umsetzt und die «Gesellschaft grundsätzlich umkrempelt» – so in etwa die Aussagen von Annalena, der Grünen (die nun vorerst allerdings aufs Glatteis geführt wurde, indem sie das Aussenministerium übernehmen musste). Annalena hatte in der Tat noch nie ein richtiges Exekutivamt bekleidet, und sie irrlichtert nun rum, indem sie die Aussenpolitik in Klimapolitik verwandeln möchte. Putin wird sich im Kreml auf die Schenkel klopfen, sein Vodkaglas hochhalten und «Nastrovje» ausrufen.

Aber zurück zum zukunftsgeplagten Axel. «If you fail to plan, you plan to fail», meinte doch schon Benjamin Franklin. Handeln war also angesagt. Deshalb fasste Axel nun einen Plan: die Flucht.

Sofort beriet er sich mit Jochen Rubinstein, Axel Waldmeyers Freund und Steuerberater (Ende 50, gross und schlank, grüner Cord-Veston, Pferdeleder-Schuhe, randlose Brille). Rubinstein warnte: «Waldmeyer, so geht das nicht. Es ist nicht so einfach, den Wohnsitz ruckzuck ins Ausland zu verlegen. Als einigermassen gut verdienender Deutscher Bürger ist man leider ein bedauernswertes Opfer des fiskalischen Imperativs. In Deutschland gilt der Ansatz des „gewöhnlichen Aufenthaltes“, welcher die Betrachtung des Lebensmittelpunktes sogar übersteigt und die bekannte 182-Tage-Regel sofort aushebeln kann. Ausserdem kommen hier noch Aspekte einer ziemlich perfiden „Wegzugssteuer“ hinzu: So kann ein deutscher Staatsbürger noch während den folgenden zehn Jahren nach seinem Wegzug in ein „Niedrigsteuerland“ zur Kasse gebeten werden. Als Niedrigsteuerland gilt eigentlich fast alles, denn es sind nicht nur die Bahamas gemeint. Die Behörden gehen von einem effektiv bezahlten Steuersatz von 22% und weniger aus, um als „niedrig“ zu gelten. Damit sind nicht nur die klassischen „Steueroasen“ betroffen, sondern auch einige Länder Europas, wie z.B. Zypern oder Bulgarien, Ungarn oder, je nach Kanton, auch die Schweiz.»

Ausserdem, was die Schweiz betrifft, meinte Rubinstein noch: «Willst du von der Steuerhölle ins Steuer-Fegefeuer?»

«Ich gehe sicher nicht nach Bulgarien», seufzte Waldmeyer. «Ich melde mich einfach ab und versuche nichts mehr zu verdienen, so muss ich auch keine Steuern bezahlen.»

Rubinstein führte weiter aus, und Axel Waldmeyer fasste für sich zusammen: Er müsste alle Brücken abbrechen, ansonsten der deutsche Fiskus ihn nie gehen lassen würde. Er müsste sein Unternehmen verkaufen und dabei eine Kapitalgewinnsteuer von 25% entrichten. Er müsste auch sein schönes Haus an der Elbe verkaufen. Überschreibung an die Kinder zählt nicht, auch eine Vermietung an Dritte nicht.

Axel hatte nun verstanden: Er stand, nur schon kraft seines Seins, unter Generalverdacht, und die Lage wird sich noch zuspitzen. Die Gesellschaft, so die neue deutsche Politik, sollte nämlich grundsätzlich verändert werden. Wird Deutschland nun einfach zu einer komplett umverteilenden Gesellschaft, zu einer Art «DDR, aber mit Internet»? So oder so wird künftig das «Primat des Staates, welcher nimmt und gibt» gelten – das kann auch die gelbe Minderheit in der neuen Regierung nicht aufhalten. Das alles jedoch, so Axel Waldmeyers Entscheid, würde nun ohne ihn stattfinden.

Rubinstein meinte noch, dass nun ein minutiöser Wegzugsplan hermüsse. Waldmeyer unterbrach ihn kurz, als er Benjamin Franklin zitieren wollte. Rubinstein nuschelte noch etwas von «erweiterter beschränkter Steuerpflicht nach dem Wegzug», von «Hinzurechnungssteuern», «Oasenerlassen» und «Fluchtsteuer». Und die Jagdhütte müsse er, Axel, auch verkaufen.

Aber Waldmeyer wäre nicht Waldmeyer, oder Axel nicht Axel oder Max nicht Max oder Axel nicht Max, wenn er nicht einen Plan hätte: nämlich Malta! Axel könnte zum Digitalen Nomaden werden. Er würde heute schon in Deutschland alles liquidieren und sich offiziell in Malta anmelden. Dort eine nette Wohnung kaufen, eine steueroptimierte Firma errichten, über welche er ein bisschen Financial Engineering betreiben könnte. Ansonsten würde er aufs Meer hinausschauen oder etwas reisen. Ganz vorsichtig würde er im Sommer ein paar Tage im Allgäu verbringen. Vielleicht unter einem falschen Namen in Hamburg ein paar Freunde besuchen. Ein ganz raffinierter Plan B also, nur jetzt schon umgesetzt.

Max Waldmeyer lief es kalt den Rücken runter, obwohl er vor seinem wärmenden Cheminée in Meisterschwanden sass und er Max und nicht Axel war. Das alles waren schlechte Aussichten. Aber eben: besser heute als morgen handeln.

Waldmeyer schaute traurig zu Charlotte rüber: «Heike, wie weit bist du mit dem Kofferpacken?» Charlotte schaute Waldmeyer entgeistert an und verdrehte nur die Augen.

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Autor/in
Roland V. Weber

Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.

Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.

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