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20 Jahre Jubiläum

Bianca Mosimann feiert das Jubiläum ihres Coiffeurgeschäfts in St.Gallen: «Es war eine gute Zeit, und ich würde keinen Tag davon missen wollen»

«Abschnitt B» ist seit vielen Jahren Bestandteil der Stadt St.Gallen. Bianca Mosimann kehrte vor 22 Jahren aus Berlin zurück, um ihren Traum der Selbstständigkeit zu leben. Heute werden im Geschäft mehr als nur Haare geschnitten: Sie malt Bilder und verarbeitet Leder in Taschen, Harness oder Gürtel.

Dzana Muminovic am 06. Mai 2024

Nach Abschluss ihrer Lehre in St.Gallen ging Bianca Mosimann im Alter von 19 Jahren nach Berlin, um bei einem damals bekannten Coiffeur Erfahrungen zu sammeln. Drei Jahre später kehrte sie in die Ostschweiz zurück, um sich mit einem eigenen Salon selbstständig zu machen. Im Alter von 25 Jahren erfüllte sie sich 2004 den lang ersehnten Traum von der Selbständigkeit und feiert diese Woche das 20-jährige Jubiläum ihres Coiffeursalons «Abschnitt B» im Quartier Magnihalden.

Bianca Mosimann, warum haben Sie sich entschieden, in die Schweiz zurückzukehren und nicht in Berlin zu bleiben?

Das Alter zwischen 19 und 22 ist wirklich aufregend, weil man so viele Freiheiten hat und noch nicht an einen Ort gebunden ist. Ich hatte einfach das Bedürfnis, mich ein bisschen zu erden, weil ich wusste, dass ich mich irgendwann selbstständig machen möchte. Aber das ist in Deutschland sehr schwierig. Neben dem Meisterbrief und den Kosten braucht man auch ein grösseres soziales Netzwerk. Die Sehnsucht nach meiner Heimat wurde auch immer stärker. Obwohl ich Grossstädte mag, schätze ich St.Gallen sehr. Als ich zurückkam, wusste ich es noch mehr zu schätzen als vorher. Die Zeit im Ausland war eine gute Erfahrung für mich. Ich rate jedem jungen Menschen, der die Chance hat, ins Ausland zu gehen und sich zu öffnen. Es ist nie zu spät.

Was haben Sie gemacht, nachdem Sie wieder zurück in die Schweiz gekommen sind?

Nach meiner Rückkehr arbeitete ich zweieinhalb Jahre als Angestellte. Diese Zeit war sehr wertvoll, weil ich mir etwas aufbauen konnte. Als ich das Gefühl hatte, dass mein Kundenstamm stabil war, habe ich mich mit 24 Jahren selbstständig gemacht. Für mich war das der richtige Weg. Ich wusste schon früh, dass ich Friseurin werden wollte, und einer der Gründe dafür war sicher, dass ich mit wenig finanziellen Mitteln eine Existenz aufbauen konnte. Das habe ich dann umgesetzt.

Haben Sie als junge Frau auch Herausforderungen erlebt, als Sie Ihr Geschäft in der Stadt eröffnen wollten?

Ja, aber ich bin so ein Typ, der dann nicht anders kann, wenn er sich etwas vornimmt. Aber ich muss sagen, dass ich ein gutes Umfeld hatte. Alles war stabil, meine Familie und meine Freunde standen hinter mir. Ich war jung verheiratet, das erste Mal, und das hat mir natürlich auch eine gewisse Sicherheit gegeben. Ich hatte die besten Voraussetzungen, das zu machen.

Wie fühlt es sich für Sie an, das 20. Jubiläum Ihres Geschäfts zu feiern?

Es fühlt sich grossartig an, und ich bin wirklich stolz darauf. Ich erinnere mich noch daran, wie ich es zu Beginn eröffnet und mich gefragt habe, wie es wohl nach fünf Jahren sein würde. Jetzt sind plötzlich 20 Jahre vergangen. Es war eine unglaublich gute Zeit, und ich würde keinen einzigen Tag davon missen wollen – a uch nicht die Ängste und Herausforderungen, die die Selbstständigkeit mit sich bringt.

Wie gehen Sie mit den ständigen Veränderungen und Trends im Friseurhandwerk um?

Als Coiffeur bewegt man sich automatisch mit den Trends, da die Firmen die Produkte vorgeben und sich die Produktpalette ständig ändert. Manche Produkte verschwinden, andere kommen neu auf den Markt. Da muss man natürlich mitgehen, zumal die Produkte besser werden. Was meine Frisuren betrifft, habe ich meinen eigenen Stil entwickelt. Es gibt sicher Frisuren, bei denen die Leute sagen: «Das ist typisch Bianca». Aber ich orientiere mich nicht an Trends, sondern lege grossen Wert darauf, die Wünsche meiner Kundinnen und Kunden zu erfüllen. Ich schaue mir die Haare an und finde dann die bestmögliche Lösung für ein zufriedenstellendes Ergebnis.

Am wichtigsten ist mir, dass meine Kunden und Kundinnen glücklich mit ihrem persönlichen Look von mir sind, aber auch, dass sie bei mir immer jemanden haben, der ein offenes Ohr hat. Ich habe das Glück, dass sich viele von ihnen mir anvertrauen und wenn ich sie mit einem Gespräch oder Ratschlag unterstützen kann, macht mich das glücklich.

Wie würden Sie Ihre persönliche Entwicklung in den letzten 20 Jahren beschreiben?

Ich bin von der jungen Frau zu einer erwachsenen Frau geworden sowie innerlich und äusserlich gewachsen. Ich habe an Sicherheit und Selbstbewusstsein gewonnen und ein klares Verständnis dafür, was ich kann, weiss aber auch, was ich nicht kann. Ich glaube, ich bin heute nicht mehr so kompromissbereit. Wenn mir etwas nicht passt, dann kommuniziere ich das ganz klar. Und von den Frisuren her ist es natürlicher, cooler und lockerer geworden. Und bei mir im Geschäft hat sich auch einiges verändert. Ich habe während Corona auch angefangen zu malen.

Bianca Mosimann

Wie kam es dazu?

Mein Sohn hatte Malsachen vor dem Fernseher, und anstatt zum Handy zu greifen, habe ich Stift und Papier genommen und angefangen, Köpfe zu malen. Ich habe dann wirklich einen Tunnelblick und in ein paar Monaten sehr viel produziert, so dass mir dann Leute geraten haben, eine Ausstellung zu machen. Das habe ich in der Galerie «Viereinhalb» in St.Gallen gemacht. Ich hatte Bedenken, wie die Leute reagieren würden. Aber es war ein Erfolg – und ein schönes Gefühl, dass meine Kunst sehr gut ankommt. Ich würde gerne irgendwann wieder eine Ausstellung machen.

Bianca Mosimann

Haben Sie sich auch in anderen Kunstformen ausprobiert?

Vor etwa einem Jahr habe ich angefangen, mit Leder zu arbeiten. Ich bin in Zürich an einem Atelier vorbeigegangen und da waren Lederkurse ausgeschrieben. Das hat mich sehr interessiert und ich wollte das machen. Aber es dauerte zu lange, bis ich diesen Kurs besuchen konnte. Ich kaufte mir Leder und ging zu einem Bekannten hier in St.Gallen und fragte ihn, ob er mir das Handwerk beibringen könnte. Dann habe ich mir Werkzeug besorgt und richtete mir in meinem Laden ein Atelier ein. Seitdem fertige ich Taschen, Gürtel und Harness. Es sind alles Hobbys, die aber sehr gut funktionieren.

Bianca Mosimann

Arbeiten Sie auch an Ihrer Kunst, während Sie Kundinnen oder Kunden in Ihrem Geschäft haben?

Manchmal male ich ein bisschen, während jemand Farbe auf dem Kopf hat und diese einwirken muss. Ich frage natürlich immer, bevor ich etwas tue. Meine Kundinnen und Kunden haben viel Freude an meiner Kunst und sind sehr neugierig. Bei mir herrscht eine persönliche Atmosphäre und mein Coiffeursalon ist für mich nicht nur ein Ort zum Haare schneiden, sondern auch ein Ort der Inspiration. Ich komme hierher und werde kreativ.

Welche Ratschläge würden Sie anderen Menschen geben, die davon träumen, ein eigenes Geschäft zu gründen, aber von Ängsten zurückgehalten werden?

Ängste gehören zum Leben und man muss lernen, sie zu akzeptieren und sich ihnen zu stellen. Wer nicht wagt, der nicht gewinnt. In der Schweiz gibt es viele Möglichkeiten. Wenn man eine Idee hat, für die man brennt und eine Leidenschaft verspürt, dann würde ich wirklich jedem raten, es zu wagen.

Welche Pläne und Ziele haben Sie für die Zukunft?

Persönlich ist es mein Wunsch, dass es meiner Familie gut geht und mein Kind erfolgreich durchs Leben geht. Was meine beruflichen Pläne angeht, kann ich nicht genau sagen, was die Zukunft bringt. Ich bin jedoch sehr glücklich mit dem, was ich momentan tue. Ich komme jeden Tag gerne hierher. Wenn sich neue Möglichkeiten ergeben, bin ich offen dafür, sie anzunehmen.

(Bilder: pd)

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Autor/in
Dzana Muminovic

Dzana Muminovic (1999) aus der Au hat an der Universität Zürich Kommunikationswissenschaften und Medienforschung studiert. Zurzeit absolviert sie ein Trainee-Programm bei der Galledia AG und arbeitet als Redaktorin bei «Die Ostschweiz».

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