Gestorben wird immer. Und deshalb ist der Tod auch ein lukratives Geschäft – genau diese Erfahrung macht der Thurgauer Martin Langanke. Was makaber tönt, hat ganz spezielle Hintergründe.
Ja, ist das nicht…? Daniel Craig? Echt jetzt? Aber was zum Teufel macht denn der Agent 007 mitten in der beschaulichen Ostschweiz? Die Antwort ist ganz einfach: Er wohnt hier. Wie bitte, werden sich nun viele fragen. Aber wirklich: Martin Langanke wohnt in der Ostschweiz – und sieht James Bond alias Daniel Craig zum Verwechseln ähnlich. Seit über 15 Jahren ist er als Doppelgänger unterwegs, und eigentlich dachte er, mit dem Tod James Bond seien nun ruhigere Fahrwasser angesagt. «Aber genau das Gegenteil ist eingetreten», lacht der 56-Jährige. «Das Geschäft boomt wie nie.»
Auch in diesem Jahr ist Martin Langanke fleissig als Geheimagent unterwegs, sei es an Veranstaltungen, in Werbespots oder auch schon einmal in einem Kinofilm. «Eigentlich bin ich froh, dass es noch nicht vorbei ist. Ich müsste lügen, wenn ich sagen würde, dass ich es nicht vermissen würde.» Gerne würde er seine Arbeit als James Bond noch zwei, drei Jahre weitermachen. Und dann in die wohlverdiente Agenten-Rente gehen.
Scheue Schweizer
Die Arbeit niederlegen ist das eine, die frappierende Ähnlichkeit der Beiden ist aber ohnehin nicht von der Hand zu weisen. Wie ist es denn, als James Bond durchs Leben zu gehen? In der Schweiz, so hält Martin Langanke fest, sei es durchaus angenehm. Sicherlich werde getuschelt, wenn ihn die Leute entdecken. Aber stets hinter vorgehaltener Hand, und die Leute halten sich im Hintergrund. «Gerade vor zwei Tagen wurde ich im Restaurant angesprochen. Das ist hierzulande aber wirklich selten der Fall.» Ganz anders sei es in den benachbarten Ländern. Dort kennt der Enthusiasmus der Leute kaum Grenzen, und der Ostschweizer wird auch einmal schnell zur Brust gezogen, um ein Selfie zu machen. Ungefragt, natürlich. «Da denke ich dann schon manchmal, dass das auch höflicher gehen würde», sagt er und lacht. Und erhalte so einen Einblick, wie es wohl echten Prominenten und Stars ergeht – tagtäglich. «Kein Wunder, dass sie sich so abkapseln.»
Lustige Situationen ergeben sich in etwa dann, wenn Jugendliche ihn entdecken. Martin Langanke war stets der Meinung, dass die jüngere Generation nicht mehr so viel am Hut mit 007 hat. Falsch gedacht. Hand aufs Herz – löst er die Verwechslung in jedem Fall auch brav auf? «Es geht mir meistens um die ersten Sekunden. Anschliessend verstelle ich mich natürlich nicht mehr. Und spätestens dann, wenn ich schweizerdeutsch rede, merken die Leute, dass ich kein echter Agent bin.»
**Freund war Schuld **
Genau diese ersten Sekunden faszinieren ihn aber auch heute noch. Angefangen hat alles vor über 15 Jahren, und sein bester Freund hatte damals die Finger im Spiel. Im Kino lief «Casino Royale», und gleich nach der Vorstellung, mitten in der Nacht, stürmte besagter Freund das Büro von Martin Langanke. «’Du warst auf der Leinwand!’, hat er mir gesagt und mich über die grosse Ähnlichkeit aufgeklärt. Bis dahin war es mir überhaupt nicht bewusst, dass irgendwo ein Mensch ist, der so aussieht wie ich.» Auch Monate später liess sein Freund nicht locker – und als schliesslich im Jahr 2008 Statisten für den Bond-Film «Ein Quantum Trost» gesucht wurden, war der Kessel geflickt. Oder der Martini angerührt. Zu Beginn weigerte sich Martin Langanke zwar, doch irgendwie liess ihn der Gedanke nicht los. Als er schliesslich am Filmset vorbeifuhr, machte er die Probe aufs Exempel und stieg aus. Schnell bildete sich eine Menschenmasse um ihn, er wurde fotografiert und um Autogramme gebeten. Zwei Wochen später meldete sich das Produktionsteam und engagierte ihn schliesslich als Picture-Double.
Was spannend tönt, war in der Tat gähnend langweilig. Am Tag arbeitete Martin Langanke normal im Büro, abends war er am Set. Und wartete. Und wartete. «Am vierten Tag hatte ich schliesslich keine Geduld mehr und meinte, dass es hier ja schön und gut sei, ich aber am nächsten Tag nicht mehr kommen würde. Das Produktionsteam meinte dann, ich hätte einen Vertrag einzuhalten. Also blieb ich», so Martin Langanke. Und siehe da: Am nächsten Tag kam er ziemlich flott doch noch zu seinem Einsatz. Aber wofür wurde er überhaupt gebraucht? Schliesslich engagierte man ihn ja nicht als Stuntman. «Genau diese Frage habe ich mir auch gestellt», lacht Langanke. Eine Szene musste aufgrund einer fehlenden Kameraeinstellung noch einmal nachgedreht werden – und so wurde aus Zeitnot kurzerhand der Ostschweizer ins Spiel gebracht.
An diesem Filmset traf er zum ersten und bis heute letzten Mal auf den «richtigen» James Bond. Als sehr schräge Begegnung hält er die Szene in Erinnerung. Zweimal lief Craig auf Langanke zu, drehte sich um – und lief davon, ohne ein Wort zu sagen. Starallüren? «Ich weiss es bis heute nicht. Vielleicht war er auch mit der Situation überfordert.» Zwar unternahm Martin Langanke noch einige Versuche, den Agenten persönlich zu treffen. Bisher aber vergeblich. Dennoch wäre er erfreut, ihn noch einmal gegenüber stehen zu können.
**Gewisse Erwartungshaltung **
Auch wenn die Begegnung anders lief als gewünscht – bisher überwogen die schönen Momente, weil er als Doppelgänger unterwegs sein kann. Durchaus gibt es aber die anderen Situationen, in denen er auch einmal genervt ist von der Tatsache, eben nicht einzigartig auf dieser Welt zu sein. «Lange Zeit war meine Identität und die fremde irgendwie verschwommen. Wenn du rausgehst, und auf die Kundschaft zugehst, ist da auch immer eine gewisse Erwartungshaltung. Da musst du aufpassen, dass du dein eigenes Ich nicht ganz aus den Augen verlierst.» Denn nicht nur das Aussehen alleine sei demjenigen von Daniel Craig sehr ähnlich. Auch die Mimik und Gestik seien fast identisch. Auf die Frage, ob er seiner Mutter nicht einmal auf den Zahn gefühlt hätte, lacht der Ostschweizer. «Natürlich, diese Frage musste ich ihr natürlich auch einmal stellen. Aber nein, um alle Gerüchte im Keim zu ersticken, wir sind nicht blutsverwandt.»
Weshalb hat er vor vielen Jahren eigentlich nicht «all in» auf die Doppelgänger-Tätigkeit gesetzt und seinen Beruf aufgegeben? «Hätte ich gewusst, dass der Hype so gross sein wird, hätte ich es vielleicht gemacht. Aber ich wollte auf Nummer sicher gehen», fasst er es zusammen. Und lässt damit durchblicken, dass er in Tat und Wahrheit, und ganz tief im Innern, eben doch ein Schweizer ist, der seine Sicherheit mehr liebt, als es Ruhm und Ehre je tun können. Egal, ob geschüttelt oder gerührt.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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