Filmreife Szenen gab es im Zürcher Casino, als es Chinesen gelang, die Glücksspielszene zu betrügen. Sind auch im Casino St.Gallen ähnliche Fälle bekannt? Direktor Richard Frehner über verschobene Jetons, technische Fortschritte – und markierte Karten.
Zwar waren Brad Pitt, George Clooney oder Julia Roberts nicht am wohl bislang grössten Coup der Schweizer Glücksspielszene beteiligt – spektakulär war es dennoch, was sich chinesische Arbeiter im Zürcher Casino geleistet haben. Mit einer versteckten Kamera, ein bisschen Ablenkung am Spieltisch und einem einfachen Trick erbeuteten sie insgesamt 130'000 Franken, wie aus einem Bericht der NZZ hervorgeht. Der Geldsegen war jedoch nur von kurzer Dauer – ihre Gier wurde ihnen nämlich zum Verhängnis, die Gauner wurden bei ihren Machenschaften ertappt.
Dennoch: Wie schwierig ist es, ein Casino zu betrügen? Mit der rasanten Entwicklung der technischen Möglichkeiten müssen sich auch die Betreiber auseinandersetzen. Nicht immer ganz einfach, schliesslich ist die tägliche Gratwanderung zwischen Kundenservice und Sicherheitsvorkehrungen nicht einfach, sagt Richard Frehner, Geschäftsführer des Casinos St.Gallen.
Richard Frehner, es liest sich wie ein fiktiver Krimi. Die Szenen spielten sich jedoch tatsächlich hierzulande ab: Kriminelle erbeuten 130’000 Franken mit einigen Tricks im Casino Zürich. Wäre das theoretisch auch in St.Gallen möglich?
Punto Banco bieten wir im Casino St.Gallen nicht an, da die Nachfrage zu gering ist. Wir legen grossen Wert auf Sicherheit und Transparenz. Daher setzen wir bei Poker und Black Jack auf elektronische Mischmaschinen. So gewährleisten wir, dass alle Spieler die gleichen Chancen haben und kein Kartenzählen oder anderweitige Vorteile möglich sind.
Kartenzählen bei Black Jack ist vielen nicht erst seit «Hangover» bekannt. Der Trick, den die Täter in Zürich angewandt haben, sei anscheinend in der Glücksspielszene ebenfalls seit Jahren vertreten. Ist das wirklich so?
Der technische Fortschritt hat sich auch in unserer Branche rasant entwickelt. So kam es in anderen Casinos vor, dass Gäste durch elektronische Hilfsmittel versuchten, sich bei verschiedenen Spielen einen Vorteil zu verschaffen.
Gab es bei Ihnen ähnliche Fälle in der Vergangenheit? Wenn auch in kleinerem Ausmass?
Einmal haben wir festgestellt, dass Spieler versuchten, beim Poker Karten zu markieren, indem sie die Rückseiten mit dem Fingernagel oder einem spitzen Gegenstand bearbeiteten. Daher decken wir beim Poker gegen die Bank die gemeinsamen Karten mit schwarzen Karten ab, um diese unlesbar zu machen. Beim Texas Hold’em werden die Karten nach jeder Spielrunde auf Beschädigungen oder Markierungen geprüft.
Wie greifen in solchen Fällen die Kontrollmechanismen?
Unsere Sicherheitsmassnahmen sind so abgestimmt, dass alle Spiele fair und transparent ablaufen. Im Casino St.Gallen kontrollieren wir täglich unser Spielmaterial wie Roulettekessel, Spielkarten und Chips. Neben dem Croupier und der Aufsichtsperson sorgen auch unsere Surveillance-Mitarbeitenden für einen transparenten Spielbetrieb. Kameraaufzeichnungen werden gesetzlich für einen Monat aufbewahrt. Bei Unstimmigkeiten können unsere Spezialisten die Aufzeichnungen sichten und die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen.
Worauf wird im Speziellen geachtet?
«Know your Customer» ist im Casino ganz wichtig. Deshalb sind wir in St.Gallen weniger gefährdet wie beispielsweise das Casino Zürich. Betreten Gäste das Casino mit Ausweisen aus weniger bekannten Ländern, achtet unser Personal besonders sorgfältig auf deren Handlungen. Handy oder elektronische Geräte sind an den Spieltischen nicht erlaubt.
Wie schwierig ist es denn grundsätzlich, im Casino zu betrügen?
Aufgrund der Tatsache, dass wir in den letzten 20 Jahren nur sehr vereinzelt Vorfällte von Diebstählen oder Betrugsversuchen feststellten, kann ich mit gutem Gewissen sagen: sehr schwierig.
Dennoch nicht unmöglich. Mit welchen Verstössen haben Sie es zu tun?
Das Häufigste, was vorkommt, ist nicht der eigentliche Betrug, sondern, dass ein Gast eine fremde Jacke oder einen Hut mitnimmt, der nicht ihm gehört. Ich erinnere mich an einen Fall, bei welchem zwei Gäste zu unterschiedlichen Zeiten im Casino angekommen sind. Sie haben sich auch nicht zusammen unterhalten. Einer der beiden setzte einen 500er-Chip auf Rot. Ein anderer Gast verschob diesen unabsichtlich auf Schwarz. Solange Schwarz kommt, zahlt man den Gewinn aus. Wenn jedoch Rot gewinnt, müsste ein Gast entsprechend reklamieren. In solchen Fällen ist die Kamera eine sehr gute Hilfe. Doch den Beweis zu erbringen, dass das Ganze Absicht war oder nicht, ist eine ganz andere Frage. Solche Betrugsfälle kommen aber sehr selten vor. Und wenn, machen es die Betrüger einmal und kommen dann nicht mehr.
Was passiert mit diesen Leuten, wenn sie erwischt werden?
Wir erstatten natürlich Anzeige. Das ist leicht, wenn die Gäste das Casino mit ihrem richtigen Ausweis betreten haben. War er gefälscht, wird es schwierig.
Kommt das bei Ihnen häufig vor?
Nein. Hier profitieren wir von der ländlichen Gegend. In Zürich beispielsweise sind deutlich mehr Touristen unterwegs als bei uns. Was wir jedoch immer wieder haben, sind Jugendliche, die sich mit einem anderen Ausweis den Eintritt erschleichen wollen. Oder gesperrte Gäste, die unter einem anderen Namen ihr Glück versuchen wollen.
Die Gratwanderung, die Sie gehen müssen, damit die Sicherheitsvorkehrungen eingehalten, die Kunden aber nicht vor den Kopf gestossen werden, dürfte schmal sein.
Das ist so. Das zeigt sich aber beispielsweise auch an anderen Orten – nehmen Sie einen Gast, welcher nach der Olma noch das Casino besuchen möchte. Wenn da jemand ein, zwei Bier zu viel hatte, muss er oder sie sich dennoch an die Regeln halten. Man möchte die Menschen jedoch nicht unnötig verärgern. Die Zurechtweisung ist nicht immer einfach.
Wie schulen Sie Ihr Personal dafür?
Das geschieht regelmässig, und auch ist hier der Austausch unter den Casinos hilfreich. Wenn etwas Verdächtiges festgestellt wird, erhalten wir diese Informationen und sind vorgewarnt.
Dennoch entwickeln sich die technischen Möglichkeiten rasant. Die Voraussetzungen, einen Betrug zu erkennen, werden also immer komplexer.
Das ist so. Was uns vor Herausforderungen stellt, sind beispielsweise die Bankomaten-Sprengungen. Die erbeuteten Scheine sind also mit Farbe kontaminiert, wenn sie in Umlauf kommen. Tatsächlich sind die Spielautomaten gefährdet, weil man da bis zu 200-Franken-Scheine einsetzen kann. Es ist bis heute relativ schwierig, dass der Notenleser so eingestellt ist, dass er den Farbstoff erkennt – aber nicht bei jedem «alltäglichen Schmutzfleck» Alarm schlägt.
Wie schützen Sie sich davor?
Indem wir die Automaten möglichst zeitnah auszählen. Bei Bedarf würden wir auch so weit gehen, dass nicht mehr mit Bargeld gespielt werden kann.
Und wie sieht es mit Falschgeld aus?
Die Fremdwährungen können wir mit einem Stift prüfen. Für das Schweizer Bargeld haben wir am Tisch einen Notenleser, der Falschgeld erkennen würde.
Welche Entwicklung liesse bei Ihnen ein ungutes Gefühl aufkommen, wenn Sie an weitere Betrugsmaschen denken?
Wenn wir an einem Event Getränkegutscheine verteilen, sind die meist in Papierform gehalten. Diese wurden in der Vergangenheit bereits ganz simpel kopiert und so versucht, an ein Gratis-Getränk zu kommen. Anders sieht es aber mit einem 3-D-Drucker aus. Wäre es hier möglich, einen Chip zu kopieren und in Umlauf zu bringen?
Und? Wäre es das?
Vom Gewicht und Material her würde unser Personal die Fälschung erkennen. Schliesslich haben sie tagtäglich damit zu tun, und wissen genau, worauf sie achten müssen. Chips mit hohem Wert, die Gäste bei sich tragen, werden noch strenger kontrolliert. Ich denke also: Nein, es wäre auch mit einem 3-D-Drucker nicht möglich, zu betrügen. Der Aufwand und der Ertrag würden sich ohnehin nicht lohnen.
Betrügereien kosten jedoch so oder so. Ist das Casino versichert – oder wer kommt für den Schaden auf?
Ich muss Holz anfassen, weil unser Casino noch nie überfallen wurde. Wenn jedoch gewaltsam beispielsweise ein Spielautomat aufgebrochen werden würde, wären wir versichert.
(Bilder: Depositphotos/pd)
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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