Wie gut hat sich das Bundesamt für Gesundheit in den zwei Jahren unter der «Herrschaft» von Covid-19 geschlagen? Ein privates Unternehmen hat das im Auftrag des Bundes auf fast 130 Seiten untersucht. Man muss sich beim Ergebnis schwer zurückhalten, um nicht zu rufen: «Sagen wir ja schon lange…»
Dass man Alters- und Pflegeheime über weite Strecken zu Sicherheitstrakten umgewandelt hat, die Bewohner im Haus festsassen und kaum Besuch erhalten konnten: Es hatte kaum eine Schutzwirkung, löste aber viel Leid unter den Menschen aus.
Dass Schulen phasenweise geschlossen waren: Es hat das Virus nicht ausgemerzt, dafür Familien belastet und vielleicht nachhaltig die Bildungsentwicklung in der Schweiz negativ beeinträchtigt.
Dass zeitweise vorsichtshalber Wahleingriffe in Spitälern untersagt wurden, weil Kapazitätsengpässe befürchtet wurden, hatte negative Konsequenzen für die Gesundheit vieler. Die Massnahme war weder verhältnismässig noch nötig. Die prognostizierte Triage von Patienten kam nie zum Einsatz.
Dass vorhandene Fachgremien wie beispielsweise die Eidgenössische Kommission für Pandemievorbereitung und -bewältigung (EKP) während Corona keine Rolle spielten, weist darauf hin, dass die Krisenorganisation nicht wie vorgespurt in Kraft gesetzt wurde. Zudem hat der Bundesrat die Wissenschaft – mit Ausnahme der Task Force – ganz allgemein zu lange ausser Acht gelassen.
Das sind vier Befunde der «Evaluation der Krisenbewältigung Covid-19 bis Sommer 2021», einer Auftragsarbeit des Beratungsunternehmens «Interface» für das Bundesamt für Gesundheit. Das Papier, das auf Befragungen beruht, fällt unterm Strich erwartungsgemäss freundlich aus. Die Autoren bemühen sich zwar um Objektivität, letztlich hatten sie aber vermutlich keine übergrossen Ambitionen, den Auftraggeber in ein zu schlechtes Licht zu stellen.
Dennoch wird zumindest zwischen den Zeilen deutlich, dass einiges falsch gelaufen ist. Verfechter der Bundesratspolitik verteidigen diese Feststellung meist damit, dass eine Krise wie die um Covid-19 eine Ausnahmesituation ist, in der nicht alles den geordneten Gang gehen kann. Dem ist entgegenzuhalten, dass die erwähnten kritischen Befunde allesamt Punkte betreffen, die bereits während der jeweiligen Lage durchaus hinterfragt wurden – von (vereinzelten) Medien, aber auch aus der Wissenschaft. Der Bundesrat hat sich bei diesem Themen jeweils äusserst stur und beratungsresistent gezeigt. Er hielt es auch nie für nötig, Belege für die Wirksamkeit der angeordneten Massnahmen zu liefern. Gastrobetriebe beispielsweise gingen je nach Laune im Bundeshaus auf und zu, ohne dass auch jemals nur im Ansatz nachgewiesen werden konnte, dass sich ein positiver Effekt einstellt.
In der Kurzzusammenfassung des Dokuments heisst es:
«Die Evaluation kommt zum Schluss, dass Bund und Kantone meist angemessen und, von Ausnahmen abgesehen, zeitgerecht auf die Covid-19-Bedrohungslage reagiert haben. Dennoch haben eine mangelhafte Krisenvorbereitung und ein ungenügendes Krisenmanagement die Effektivität und Effizienz des Handelns zum Teil erheblich beeinträchtigt.»
Das Wort angemessen steht im Widerspruch zu den detaillierten Ergebnissen. Was ist angemessen an Massnahmen, die Leid und Folgeschäden verursachen, aber nicht belegbar zum angestrebten Resultat führen?
Dass die Untersuchung beim Bundesamt für Gesundheit zu hektischer Tätigkeit führen wird, ist nicht anzunehmen. Die Verwaltung ruht in sich, und so etwas wie Einsicht war in den vergangenen zwei Jahren auf Stufe Bund nie zu erkennen. Unterm Strich hat man für die Auftragsarbeit einfach noch mehr Geld ausgegeben – aber gemessen an den angehäuften Schulden wohl in einer vernachlässigbaren Grössenordnung.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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