In den letzten 52 Wochen lag der Aktienkurs der Credit Suisse mal bei etwas über 10 Franken. Und tauchte auf 3.50. Wie geht das?
Die NZZ fragt bang: «Wie lange kann das noch gutgehen?» Denn schlecht geht es, schlecht geht es der zweitgrössten Bank der Schweiz. Ihre Aktie war mal, ist noch nicht so lange her, fast 90 Franken wert. Das war 2007, am Ende der Amtszeit von Oswald Grübel.
Der peilte damals einen Kurs von über 100 Franken an. Heute sagt er mit einigem Galgenhumor: «Es kann nur noch aufwärts gehen.» Solche Durchhalteparolen gab es allerdings auch schon, als die Aktie die Schwelle von 10 Franken nach unten durchbrach.
Das ist im Fall der CS nicht nur das Problem der Aktionäre oder der Angestellten. Denn die Bank ist «too big to fail», systemrelevant. Das bedeutet, dass sie nicht pleitegehen darf. Das bedeutet, dass im Notfall der Staat, also der Steuerzahler, eingreifen wird. Wie konnte es nur soweit kommen?
Während die UBS die Finanzkrise eins und den Steuerstreit mit den USA nur wegen staatlicher Hilfe überlebte, schaffte es die CS, ohne Steuergelder aus dem damaligen Schlamassel herauszukommen. Im Steuerstreit zahlte sie dann allerdings mit 2,6 Milliarden Dollar die höchste Busse aller ausländischen Banken. Auf Staatskohle konnte sie nur deshalb verzichten, weil sie umstrittene Wertpapiere mit dem putzigen Namen CoCos ausgab – zu exorbitanten Verzinsungen von bis zu 10 Prozent.
Aber noch vor einem Dutzend Jahren gab es viele Anzeichen, dass die CS den ewigen Kampf mit dem Rivalen UBS für sich entscheiden würde. Seither ging’s nur bergab. Da für beide Banken das gleiche Marktumfeld existiert, gibt es dafür nur einen einzigen Grund. Das konstante Versagen der Führungsetage. Also des Verwaltungsrats und der Geschäftsleitung.
Hochbezahlte Versager blieben auf ihren Sesseln hocken oder lösten sich in der Geschäftsleitung ab. Jeweils mit den gleichen Ankündigungen. Zunächst müsse das Desaster des Vorgängers aufgeräumt werden. Das daure halt einen Moment, aber dann werde die neue Strategie greifen, könne es nur mehr aufwärts gehen.
Es ging dann allerdings nur zum nächsten Desaster weiter, worauf dann der nächste CEO in den Ring stieg, um zu verkünden, dass er zunächst das Desaster des Vorgängers, usw. Begleitet wurde dieses Trauerspiel von bedauernden Geräuschen, dass der Aktienkurs nun wirklich nicht dort sei, wo er hingehöre. Das sei unbefriedigend, aber man arbeite daran, dass es bald wieder – genau, aufwärts gehe.
Dabei gab es in den letzten Jahren genau zwei Konstanten bei der CS. Die eine Konstante ist der stetig sinkende Aktienkurs. Die andere die zu hohen Millionengehälter für die Führungsetage. Die Millionengehälter für die Managing Directors. Die Millionengehälter für die US-Investmentbanker. Und natürlich die Milliardenboni. Mehrfach schaffte die CS das perverse Wunder, dass die Gesamtsumme der Boni gleichhoch war wie der gesamte Verlust.
Es ist nur im Banking möglich, dass Versagertum und das Herstellen eines Riesenverlusts mit Riesenboni belohnt wird. Sollte das tatsächlich manchmal ein schlechtes Gewissen auslösen, wird das schnell beruhigt. Denn wer sich nicht sicher ist, ob es nächstes Jahr überhaupt noch ein Gehalt gibt, greift das ab, was zu holen ist.
Was wird dafür geliefert? Eine Bank braucht eigentlich nicht viel. Eine erkennbare Geschäftspolitik, eine Strategie. Was will sie sein? Privatbank, Investmentbank, Asset Manager, international überall präsent oder nur in ausgewählten Märkten? Was ist ihre USP, ihr Alleinstellungsmerkmal? Einfache Fragen, die einfache Antworten erfordern.
Weil sich eine Bank mit einem flüchtigen Stoff befasst, braucht sie zudem und zuvorderst – Vertrauen. Denn wer leiht schon gerne sein Geld einer nicht vertrauenswürdigen Bank. Der kleinere Anleger ist in der Schweiz durch einen Einlageschutz gesichert, der reicht allerdings nur bis 100'000 Franken.
Völlig unabhängig vom Aktienkurs ist aber ein Kriterium, das das wichtigste Kapital einer Bank misst: eben Vertrauen. Nur: kann man Vertrauen messen? Kann man. Dafür gibt es die sogenannten Credit Default Swaps (CDS). Das ist eine Art Versicherungspolice. Man versichert sich damit gegen den Zahlungsausfall eines Kreditnehmers. Konkret: leiht man der CS in welcher Form auch immer Geld, kann man sich bei einem anderen Finanzhaus dagegen versichern, wenn die CS ihren Verpflichtungen nicht nachkommen könnte.
Daher sind die CDS ein guter Indikator, wie es um das Vertrauen in eine Bank steht. So nebenbei: da man CDS – wie alle Derivate – auch zu spekulativen Zwecken nützen kann, haben sie zu Unrecht einen schlechten Ruf. Bei der Finanzkrise eins wäre der US-Gigant AIG beinahe zugrunde gegangen, weil er der wohl wichtigste Anbieter von CDS war – und nur mit Staatshilfe seinen Verpflichtungen aus der Einlösung der Policen nachkommen konnte.
Finanzkrise eins, also die Jahre um 2008, ist ein gutes Stichwort. Damals war die Prämie für CDS auf die CS bedeutend niedriger als heute, obwohl das globale Finanzsystem beinahe vor dem Kollaps stand.
Noch Anfang dieses Jahres zahlte man für eine solche Versicherung eine Prämie von 57 Basispunkten (ein Basispunkt ist ein Hundertstel eines Prozentpunkts). Damit erkaufte man sich einen Schutz für 5 Jahre auf eine vorrangige CS-Anleihe. Aktuell steht die Prämie bei knapp 380 Punkten. Alleine in den letzten sieben Tagen verteuerte sie sich um 120 Basispunkte.
Damit ist ein bedeutender Spread zu anderen Versicherungspolicen entstanden. Wer sich gegen einen Zahlungsausfall bei einer anderen Bank versichern will, zahlt entschieden weniger Prämie. Das bedeutet, dass nicht etwa eine allgemeine Krise oder Unsicherheit herrscht.
Sondern eine spezifische, eine Unsicherheit bezüglich der Zukunft der CS. Einer solchen Unsicherheit kann eine Firma am besten damit begegnen, dass sie eine überzeugende Strategie vorlegt, wie sie aus einem Schlamassel herauskommen will.
Damit vertröstet die Führungsetage der CS allerdings auf Ende Oktober. Und gibt stattdessen interne Durchhalteparolen durch. Sie macht also weiterhin so ziemlich alles falsch, was man falsch machen kann. Und das liegt nicht an den Umständen oder Altlasten oder einer komplexen Situation. Das liegt weiterhin und ausschliesslich an einem gravierenden Führungsversagen der Nieten in Nadelstreifen, die für ihre Millionengehälter nichts Zählbares liefern.
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