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Online vs. Print

«Da habe ich Blut geleckt»

Fast schon philosophisch fällt die Begründung von Odilia Hiller aus, weshalb Printpublikationen auch in Zukunft nach wie vor von grosser Bedeutung sein werden. Die stellvertretende Chefredaktorin des «St.Galler Tagblatt» will in erster Linie Geschichten erzählen.

Marcel Baumgartner am 14. Juni 2020

Bei diesem Text handelt es sich um einen Auszug aus dem Print-Magazin von «Die Ostschweiz». Es kann via abo@dieostschweiz.ch bestellt werden.

Es war während einer späten Autofahrt mit dem Vater, entlang der Fürstenlandstrasse in St.Gallen, als Odilia Hiller in jungen Jahren zum ersten Mal die Wirkungsstätte des «Tagblatt» erblickte. Die Vorstellung, dass dort zu später Stunde gerade die Zeitung von morgen produziert wird, faszinierte sie. Der Wunsch, dereinst selber in diesen Räumen Geschichten zu verfassen, liess sie nicht mehr los. So absolvierte sie unmittelbar nach dem Grundstudium ein Praktikum beim Ressort Ostschweiz. Damit war der Einstieg gefunden, um nicht zu sagen, der weitere Weg vorgezeichnet. Denn nicht nur, dass die Faszination für den Journalismus bei der damals 24-Jährigen noch deutlich anstieg, sie lieferte auch umgehend Inhalte, die für positive Rückmeldungen sorgten.

«Ein Tipp, wonach Ex-Fahrradprofi Beat Breu plane, einen Swinger-Club in der Region zu eröffnen, führte dann rasch zu meinem ersten Primeur», erinnert sich Odilia Hiller. Eine Geschichte, die Wellen schlug und – kaum erstaunlich – auch vom «Blick» aufgegriffen wurde. «Logisch, dass man da als junge, hungrige Journalistin etwas Blut leckt», sagt Odilia Hiller.

2008 verschaffte ihr eine Festanstellung als Stadtredaktorin beim «Tagblatt» schliesslich den fixen Einstieg ins grösste Verlagshaus der Ostschweiz. Ihre Führungsqualitäten konnte Odilia Hiller später beim inzwischen eingestellten Titel «Ostschweiz am Sonntag» unter Beweis stellen, wo sie sich für weitere Funktionen in der Chefetage empfahl. Diese wurden ihr Ende 2018 als Regionalleiterin und Stv. Chefredaktorin zugetragen.

«Journalismus hat eine Haltung»

Mit reinen Management- und Koordinationsaufgaben sowie dem gelegentlichen Bespielen von Kommentarspalten scheint es für sie allerdings nicht getan. Die Leidenschaft, zu recherchieren und Sachverhalte aufzuzeigen, ist offensichtlich immer noch da. So war sie unter anderem massgeblich an der Berichterstattung über die Spesenverfehlungen der HSG beteiligt, für die sie Ende 2019 zusammen mit fünf Arbeitskolleginnen und -kollegen mit dem Ostschweizer Medienpreis ausgezeichnet wurde. Ebenso wurde sie im gleichen Zeitraum in der Sparte Recherche als «Journalistin des Jahres» nominiert. Die Jury vom Magazin «Schweizer Journalist» begründete diesen Umstand mit folgender Aussage: «Bleibt mit einer Beharrlichkeit an Themen dran, die ihresgleichen sucht.»

«Mein Anspruch ist, einen guten, sauberen, informativen und manchmal auch unterhaltsamen Journalismus zu betreiben», beschreibt Odilia Hiller ihre Berufseinstellung. Dass ihr hier – gerade bei kritischen Berichterstattungen und Kommentaren – nicht immer Gegenliebe zuteil werde, gehöre dazu. «Wichtig ist, dass Meinungs- und Faktenartikel klar getrennt sind. Aber: Journalismus hat für mich auch eine Haltung. Eine Zeitung darf und muss sich Meinungen erlauben und Sachverhalte kompetent bewerten», so die Ostschweizerin. Denn das sei es, was Journalismus ausmache. Ein Medium ordne ein, analysiere und helfe der Leserschaft, sich eine eigene Meinung zu bilden.

«Ich bin ein Content-Girl»

Entsprechend ist es für Odilia Hiller auch von enormer Bedeutung, dass die Ostschweiz mit dem «Tagblatt» weiterhin über ein Medium verfüge, dass einen Journalismus nach höchsten Qualitätsstandards betreibe. Diesbezüglich sei die Integration in die neu geschaffene CH Media AG wohl ein unvermeidlicher Schritt gewesen. «So können wir wirtschaftlich weiterhin existieren und hoffentlich weiterhin jenen Journalismus betreiben, den wir als notwendig erachten», erklärt sie. Über welche Kanäle dies geschehe, sei für sie zweitrangig: «Ich bin ein Content-Girl. Wo wir unsere Geschichten erzählen, ist zweitrangig. Ich sehe hier keinen Kampf zwischen digital und analog. Denn der Bedarf an Informationen wird immer vorhanden sein.» Den Printbereich totsagen will Odilia Hiller allerdings nicht. Im Gegenteil. «Was viele Leser am Print schätzen, ist die Ordnung und Gewichtung der Inhalte.» Das sorge für Halt und Übersichtlichkeit. Das werde gerade in einer immer komplexer werdenden Welt immer wichtiger. «Und im besten Fall können wir – wenn das Chaos im Internet immer grösser wird – mit dem Print echte Orientierung bieten.»

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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