logo

Werner Günthör

«Das ging komplett in die Hose»

Heute arbeitet Werner Günthör dort, wo seine Karriere ihren Anlauf nahm: An der Eidgenössischen Hochschule für Sport in Magglingen. Der grosse Mann aus Uttwil wurde vor 30 Jahren dreifacher Weltmeister im Kugelstossen und hat sich als Kugel-Werni einen Platz in der Sportgeschichte erkämpft.

Michel Bossart am 31. Dezember 2020

Seine sportlichen Grosserfolge erzielte er bereits vor 30 Jahren, doch noch heute ist der Kugel-Werni vielen (Ost-)Schweizern ein Begriff. Er ist dreifacher Kugelstoss-Weltmeister, Gewinner einer Olympia-Bronzemedaille, Europameister und dreimal wurde er Schweizer Sportler des Jahres.

Der Zweimetermann aus dem thurgauischen Uttwil wäre eigentlich gerne von Anfang an Sportlehrer geworden: «In der vierten Klasse hatte ich eine Lehrerin, deren Freund Sportlehrer war. Das war die Initialzündung», erinnert sich Günthör. Er sei schon immer sportlich gewesen, so wie sein Bruder, der in der Volleyballnationalmannschaft spielte. Doch nach der obligatorischen Schulzeit hatte Günthör keine Lust mehr auf Schule. Stattdessen absolvierte er eine Lehre als Sanitärinstallateur und stiess mit seinen sportlichen Ambitionen beim Lehrmeister – als Kanute selbst ein WM-Teilnehmer – auf grösstes Verständnis.

Glück im Unglück

Dass Günthör letztlich Leichtathlet geworden ist, ist auch Uttwil zu verdanken: «Wir hatten lediglich einen Turn- und einen Hockeyverein», sagt der 59-Jährige. Hockey habe ihn schon interessiert und ab 12 Jahren hat er es auch während zwei Jahren ausprobiert, doch «ich war immer auf Leute angewiesen, die mich nach Weinfelden ins Training fuhren», fährt er fort. Auch für den Fussball hätte er nach Romanshorn ins Training gehen müssen. Grund genug, einfach bei der Leichtathletik zu bleiben.

«Bis 20 habe ich alle Disziplinen geübt und wollte eigentlich Speerwerfer werden», sagt er. Damals kamen die besten Speerwerfer aus Deutschland und Günthör liess sich während eines Trainingslagers von den deutschen Profis checken. Die Trainer beschienen ihm, dass er kein typischer Speerwerfer, sondern eher fürs Kugelstossen gemacht sei.

Sie sollten Recht behalten: Nach seinem Lehrabschluss rückte Günthör 1981 nach Magglingen an die heutige eidgenössische Hochschule für Sport ein und überraschte 1983 alle mit seiner unerwarteten Qualifikation für die Weltmeisterschaften in Helsinki. Günthör lacht: «Mein Trainer hatte schon Ferien in Griechenland gebucht und ich wurde so nebenbei vom Zehnkampftrainer mitbetreut.»

Werner Günthör

Werner Günthör. (Bild: KEYSTONE/Str)

«Das ging in die Hose»

Wichtige Meilensteine in seinem Leben waren die sportlichen Grossanlässe. «Als ich mit 23 Jahren zum ersten Mal an die Olympischen Spiele nach Los Angeles durfte, war das schon sehr eindrücklich.» 90'000 Zuschauer, das war für den jungen Schweizer, der schon als Kind zum Vater gesagt hat, dass er mal an den Olympischen Spielen teilnehmen werde, definitiv eine ganz neue Erfahrung. Vier Jahre später gewann er in Seoul die Bronzemedaille und weitere vier Jahre später wäre er bereit für Gold gewesen. Doch wie so oft im Sport liegen Lust und Frust sehr nahe beieinander. «Barcelona war die grosse Enttäuschung meines Lebens», resümiert er. Im Vorfeld brachte der «Spiegel» einen Artikel über Doping in der Leichtathletikszene. «Das hat eingeschlagen wie eine Bombe. Wir hatten überhaupt keine Ruhe mehr zum Trainieren», sagt er und fügt an: «Am Wettkampftag bin ich in den Bus gestiegen, der mich zum Stadion hätte bringen sollen. Doch der Busfahrer hat sich verfahren, wir kamen viel zu spät an. Ich musste quasi vom Bus direkt zu den Kugeln rennen und werfen. Das ging komplett in die Hose.»

Nein, in Einzeldisziplinen spielen Glück und gute Beziehungen keine allzu grossen Rollen: «Ich war später Nationaltrainer, da ging es mir nur um die Leistung.» Das sei vielleicht anders als bei Mannschaftssportarten, wo die Leistungen des Einzelnen nicht ganz so klar messbar seien wie beim Kugelstossen. «Klar, es menschelt überall», räumt er ein, aber das grösste Glück sei sowieso eine gute Gesundheit zu haben. «Das ist das Allerwichtigste. Wer dann seine Ziele beharrlich verfolgt, der kann das Glück etwas auf seine Seite zwingen.»

Werner Günthör

Werner Günthör

Shopping

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Michel Bossart

Michel Bossart ist Redaktor bei «Die Ostschweiz». Nach dem Studium der Philosophie und Geschichte hat er für diverse Medien geschrieben. Er lebt in Benken (SG).

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.