Potenzielle Bundesratskandidaten schweigen, weil sie zuerst «analysieren» müssen. Wir sagen, was wirklich dahinter steckt.
Ist Ihnen schon aufgefallen, dass Politiker die meiste Zeit mit Analysen verbringen? Nach einer Wahlniederlage wird analysiert, vor einer allfälligen Kandidatur wird analysiert. Das klingt seriös, wissenschaftlich, fundiert.
Aber wie müssen wir uns das konkret vorstellen? Was analysiert der fiktive St.Galler Bundesratskandidat Hampi P. der fiktiven Partei FCP, bevor er entscheidet, ob er antritt? Studiert er Wahlresultate der Vergangenheit? Nimmt er das Vorleben seiner Gegenkandidaten unter die Lupe?
Vielleicht ist alles viel profaner, wie uns die Analyse von Hampi P. zuhause am Esstisch zeigt. Mit dabei: Seine Frau Roswitha P.
Hampi P.: Du, die Medien haben mich heute schon wieder gefragt, ob ich als Bundesratskandidat antrete.
Roswitha P.: Und, was hast du ihnen gesagt?
Hampi P.: Ja was wohl? Dass ich das zuerst analysieren muss.
Roswitha P.: Und was haben die Medien gesagt?
Hampi P.: Dass sie genau das schreiben werden und dann nächste Woche wieder anrufen.
Roswitha P.: Und nächste Woche weisst du es?
Hampi P.: Natürlich nicht. Mir sagt ja sowieso die Partei, ob ich kandidieren soll oder nicht.
Roswitha P.: Warum fragen die Medien dann nicht einfach bei der Partei nach?
Hampi P.: Das haben sie ja gemacht.
Roswitha P.: Und was hat die Partei gesagt?
Hampi P.: Dass sie das zuerst analysieren muss.
Roswitha P.: Und das macht sie jetzt?
Hampi P.: Natürlich nicht. Denen sagt ja sowieso die Schweizer Mutterpartei, ob sie einen Kandidaten aufstellen darf oder nicht.
Roswitha P.: Willst du denn überhaupt Bundesrat werden?
Hampi P.: Es hätte schon Vorteile. Letzte Woche ist mein GA abgelaufen.
Roswitha P.: Stimmt, da bekommst du ja eines. Dann mach das doch!
Hampi P.: Das muss man sich genau überlegen. Da fallen viele Verpflichtungen an. Es ist ein Sieben-Tage-Job.
Roswitha P.: Sieben Tage? Also auch am Samstag?
Hampi P.: Natürlich!
Roswitha P.: Aber dann ist doch unser Jass-Nachmittag im Adler!
Hampi P.: Ich denke nicht, dass ich als Bundesrat weiterhin mit einem vorbestraften Viehhändler jassen sollte.
Roswitha P.: Könnte das Probleme geben? Dann solltest du das vielleicht zuerst deine Partei fragen.
Hampi P.: Habe ich schon.
Roswitha P.: Und was sagen sie?
Hampi P.: Sie analysieren es.
Roswitha P.: Ich habe gelesen, dass Bundesräte einen Helikopter benutzen dürfen. Das wäre doch schick.
Hampi P.: Ja, das ist praktisch. Aber die einzige Landestelle in der Nähe unseres Hauses ist auf dem Kirchplatz. Ich habe mal bei der Kirchgemeinde gefragt, ob das möglich wäre.
Roswitha P.: Und?
Hampi P.: Sie analysieren es.
Roswitha P.: Was sagst du denn jetzt, wenn die Medien in einer Woche wieder nachfragen?
Hampi P.: Dass ich es immer noch analysiere.
Roswitha P.: Und wenn sie eine Woche später wieder anrufen?
Hampi P.: Dass meine Analyse ergeben hat, dass weitere Analysen nötig sind.
Roswitha P.: Und wenn du fertig analysiert hast?
Hampi P.: Aber ich analysiere doch gar nicht!
Roswitha P.: Sondern?
Hampi P.: Ich warte, bis mich Toni Brunner anruft und mir sagt, dass ich die SVP hinter mir habe. Ohne die geht ja sowieso nichts.
Roswitha P.: Und wenn die dich nicht wollen?
Hampi P.: Dann analysiere ich zusammen mit der Partei den Entscheid.
Roswitha P.: Und danach?
Hampi P.: Dann kaufe ich ein neues GA und gehe in den Adler jassen.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.