Die grossen Verlage in der Schweiz beginnen mit dem Kampf ums grosse Geld, das ihnen der Bund geben möchte. Sie stellen dem Referendum gegen Mediensubventionen die Kampagne «Die Meinungsfreiheit» entgegen. Mit viel Geld – aber erstaunlich blutleer.
Den Medien in der Schweiz geht es schlecht. Wenn man den Medien glaubt. Die Bilanzen sprechen eine andere Sprache. Aber niemand liest Bilanzen. Dafür lesen fast alle Zeitungen. Also dringt die Botschaft durch: Der Staat muss den Verlagen finanziell helfen, sonst gibt es bald nichts mehr zu lesen. Oder höchstens noch Zeitungen, die von irgendwelchen ausländischen Unternehmen aufgekauft wurden. Warum diese sich angeblich notleidende und perspektivlose Medien krallen sollen, bleibt das Geheimnis der Leute, die das behaupten.
Neben den Zwangsgebühren, die wir für die SRG abdrücken, sollen auch private Medienhäuser staatlich unterstützt werden. Was heute schon indirekt der Fall ist, neu soll der Rubel auch ganz direkt rollen. Medienförderung nennt sich, was in Tat und Wahrheit einfach ein neuer Fall von staatlichen Subventionen ist. Also das Instrument, von dem es in einem funktionierenden Staat tendenziell immer weniger geben sollte, nicht mehr. Und wenn, dann sicher nicht bei Medien, für die eine kritische Distanz zur Macht ein Schlüsselelement zur Erledigung der Aufgabe ist.
Gegen diese Pläne wurde das Referendum ergriffen, das auf gutem Weg ist und voraussichtlich zu einer Abstimmung im Februar 2022 führen wird. Transparenz: «Die Ostschweiz» unterstützt das Referendum aktiv und damit auch den Kampf für ein Nein zu den geplanten Mediensubventionen.
Nun macht auch die Seite mobil, die von einem Ja profitieren würde: Diejenigen Verlage, die gemäss heutigem Wissensstand vom Bund schön viel Geld erwarten dürfen. In erster Linie Ringier, die TX Group und CH Media. Zwar haben diese die nächsten Monate richtig viel Zeit, die Leser pausenlos über ihre Zeitungen à discrétion zu bearbeiten, aber man braucht ja einen roten Faden, damit die Botschaft einheitlich und sauber geplant vermittelt wird. Die Kampagne, die dafür sorgen soll, nennt sich reichlich unbescheiden «Die Meinungsfreiheit», präsentiert auf dieser Webseite. Sie lässt tief blicken, wenn man sie Punkt für Punkt durchgeht.
1. Der Name
Nach der Lesart der Subventionsbefürworter garantieren nur staatliche Gelder die Meinungsfreiheit. Das ist ziemlich erheiternd. Erstens grundsätzlich: Der Staat muss tatsächlich ein Garant für Meinungsfreiheit sein, aber nicht, indem er sie mit Geld fördert, sondern einfach, indem er sie zulässt. Meinungsfreiheit entsteht ganz automatisch, wenn man sie nicht durch Einschränkungen abwürgt. Und zweitens hat es einen humoristischen Aspekt, ausgerechnet jetzt den Apostel für die Meinungsfreiheit zu spielen. Die Verlage, die auf viel Geld hoffen dürfen, sind auch diejenigen, die in der Coronasituation seit Monaten unbequeme Stimmen aussperren, Kritiker des Bundesrats diffamieren und grosszügig darauf verzichten, die andere Seite des Meinungsspektrums zu zeigen.
2. Das Komitee
Die beauftragte Agentur des Ja-Komitees war ein kleines bisschen faul. Auf der Webseite wird unter dem Begriff «Komitee» ein «Parlaments-Komitee» vorgestellt – gibt es auch noch ein anderes? Darauf sind 70 Personen aufgeführt. Die meisten davon ohne Bild und dafür mit einem Schattenporträt. Obschon es sich ausschliesslich um Bundesparlamentarier handelt, deren Bilder auf der Webseite des Parlaments frei verfügbar sind. Den Aufwand hat man offenbar gescheut. Es finden sich fast nur Politiker im Spektrum von der Mitte bis Links-Grün mit der Ausnahme einiger Freisinniger. Man sieht auf einen Blick, wer der Idee von Subventionen etwas abgewinnen kann (und wer es sich mit den Medien nicht verscherzen will). Neben der Politikerriege wird noch der Verlegerverband als Mitträger des Begehrens aufgeführt. Das «einfache Volk» hat man entweder nicht gesucht oder nicht gefunden.
3. Die Argumente
In sechs Punkten soll dargelegt werden, wieso der Staat den Verlagen unbedingt aus der Misere helfen muss. Die Rede ist von der «vierten Gewalt», die auch «unbequeme Informationen» übermitteln müsse, von der Bedeutung von Medienvielfalt und unterschiedlicher Meinungen, vom Wert regionaler Berichterstattungen. Das alles kann man blind unterschreiben, die Frage ist nur, wieso es dazu den Staat braucht. Es ist zu bestreiten, dass die Verlage, deren Besitzer im Übrigen im Geld schwimmen, wirklich diese Art Nothilfe brauchen. Zumal es nicht einsehbar ist, warum der Steuerzahler für Versäumnisse von Unternehmern aufkommen soll, die jahrelang bedrucktes Papier verkauft und die Digitalisierung verschlafen haben. Und noch viel mehr zu bestreiten ist die Behauptung, die Subventionen würden die Unabhängigkeit der Medien nicht verletzen, weil es «keine Auflagen und Leistungsaufträge für die Verlage» gebe.
Natürlich sind die «Vertragspartner» nicht so dumm, ein Papier auszuarbeiten, das aufzeigt, welche Gegenleistungen die Medien für das Geld des Staates erbringen. Aber man muss reichlich naiv sein, um zu glauben, dass es keine Auswirkungen auf den redaktionellen Kurs hat, wenn man in der Schuld von Bundesrat und Parlament steht. Beim Thema Unabhängigkeit der Medien geht es nicht nur darum, nicht abhängig zu sein, sondern auch darum, alles zu vermeiden, was in irgendeiner Weise einen gegenteiligen Eindruck erwecken könnte.
4. Die Umsetzung
Wer auch immer die Webseite «Die Meinungsfreiheit» mit Inhalten bestückt hat, wird der grossen Mission nicht ganz gerecht. Will man unter «Über uns» mehr erfahren, landet man beim verführerischen Angebot, den Newsletter zu abonnieren – man erfährt schlicht nichts «über uns». Wer aktiv werden will, erhält eine Auswahl, man kann beispielsweise «Mitglied werden» oder «einfach Mitglied sein», worin auch immer der Unterschied bestehen mag. Möglicherweise liegt in der Formulierung eine Art Poesie, die sich dem Durchschnittsleser nicht erschliesst. Das Ganze ist zudem textlastig, nichts wird visualisiert, einen Schönheitspreis gewinnt man damit jedenfalls nicht. Aber vielleicht gehen die Verlage davon aus, dass ihre Leser eben nur lesen wollen und nichts anderes.
Bilanz: Nichts überrascht, weder die «Argumente» noch die Leute, die diese unters Volk bringen wollen als Mitglieder des Komitees. Wer schon immer davon überzeugt war, SP-Politiker wie Fabian Molina oder Jacqueline Badran seien das Bollwerk der Meinungsfreiheit in diesem Land, der darf die übermittelte Botschaft mit gutem Gewissen glauben. Wer nicht, der sollte das eher nicht tun.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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