Was nehmen sich Ostschweizer Persönlichkeiten für das Jahr 2023 vor? Was bringt sie aus der Ruhe? Und was würde für ordentlich Überraschung sorgen? Heute im Interview: Franziska Ryser (1991), Grüne-Nationalrätin und Ständeratskandidatin.
Gibt es einen privaten oder geschäftlichen Moment, der das Jahr 2022 unvergesslich macht?
Am 24. Februar begann der russische Angriffskrieg gegen die Ukraine. Dieser Tag hat sich in mein Gedächtnis eingebrannt. Der Krieg hat nicht nur schreckliche Folgen für die Menschen in der Ukraine, er hat geopolitisch neue Prioritäten geschaffen – und bindet Ressourcen, die wir eigentlich für die Bewältigung anderer Probleme bräuchten. Privat war für mich der Abschluss meiner Doktorarbeit unvergesslich – ein Meilenstein, auf den ich die letzten sechs Jahre hingearbeitet habe.
Unter welchem Motto oder Schlagwort würden sie das vergangene Jahr «archivieren»?
«Umbruch» ist ein grosses Wort – aber tatsächlich hat sich nicht nur geopolitisch viel verändert, auch in der Schweiz stehen mit der neuen Zusammensetzung des Bundesrats bedeutende Veränderungen an. Und auch für mich persönlich hat das vergangene Jahr einen neuen Lebensabschnitt eingeläutet. Nach sechs Jahren in der Forschung freue ich mich darauf, mich neuen Herausforderungen zu stellen.
Wie stark orientieren Sie sich an Eckpunkten wie dem Jahreswechsel? Ziehen Sie dann jeweils ein Fazit? Geht etwas zu Ende? Oder ist es einfach nur eine Zahl von 365?
Für mich ist der Jahreswechsel immer auch Auftakt. Ich versuche im alten Jahr alles abzuschliessen, um mit neuem Schwung ins neue Jahr zu starten. Das gelingt natürlich nicht immer. Aber ich nehme mir bei einem Spaziergang die Zeit, zu überlegen, was ich im kommenden Jahr beibehalten will, wo ich meine Prioritäten setzen und was ich neues Erreichen möchte.
Haben Sie sich für das Jahr 2023 privat oder beruflich etwas Besonderes vorgenommen?
Meine Anstellung an der ETH und dem Unispital in Zürich gehen Ende Jahr zu Ende. Danach möchte ich mich voller Elan in den Ständeratswahlkampf stürzen. St. Gallen ist bereit für eine grüne Stimme im Ständerat. Deshalb freue ich mich sehr auf diesen Wahlkampf, besonders auf die Gespräche mit den Menschen auf der Strasse.
Wie konsequent sind Sie ganz allgemein darin, gemachte Vorsätze in die Tat umzusetzen?
Ich nehme mir jedes Jahr vor, etwas mehr Freizeit einzuplanen, und scheitere bisher grandios damit (lacht). Aber im Ernst: Wenn ich mir etwas Konkretes vornehme, dann setze ich es in der Regel auch um. Aber keine Regel ohne Ausnahme. Meiner Erfahrung nach ist es umso schwieriger, je unkonkreter etwas ist. Das habe ich im Kopf, wenn ich mir Vorsätze mache.
Was bringt Sie jeweils aus der Ruhe?
Ungerechtigkeit. Das tönt etwas pathetisch, ich weiss. Aber ungerechte Behandlungen, sei es im Zwischenmenschlichen oder institutionell, wühlen mich auf. Dann möchte ich etwas dagegen tun.
Und wo hingegen finden Sie am besten zur Ruhe?
Ich bin sehr gerne in der Natur, sei es zum Wandern, Spazieren oder Joggen. Und ich höre gerne Musik, in Zukunft hoffentlich auch wieder öfters live an Konzerten.
Womit kann man Sie überraschen?
Mit differenzierten Positionen, die auch mal von einer Ideologie oder Parteilinie abweichen. Ich schätze es, wenn jemand seine eigene Meinung vertritt. Das ist die beste Voraussetzung, um über Parteigrenzen hinweg miteinander zusammen zu arbeiten.
Und was hoffen Sie für sich persönlich: Welche Überraschung sollte das nächste Jahr für Sie zu bieten haben?
Ein spannendes Wahljahr, mit überraschenden Wendungen. Das hält das Leben auf jeden Fall auf Trab.
Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».
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