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Ideen für die Zeit ab Montag

Das ultimative «Survival-Kit» für Ungeimpfte

Ungeimpft? Ungetestet? Und nicht genesen? Sie brauchen dringend Überlebenshilfe ab Montag, möglicherweise bis zum 24. Januar. Wir sagen Ihnen, wie Sie diese Zeit durchstehen, ohne zum nächsten Impfbus zu rennen.

Stefan Millius am 10. September 2021

Mitarbeit: Manuela Müller

Nein, niemand wird verhungern in der Schweiz. Weder wortwörtlich noch kulturell oder intellektuell. Auch wenn Restaurants, Museen, Bibliotheken, Freizeitparks, Fitnesscenter und so weiter ab Montag für Leute ohne Zertifikat verbotene Zone sind. Man kann sich selbst bekochen oder mit Essen beliefern lassen, im Freien joggen gehen und sich den Prospekt des Landesmuseums auf dem Handy anschauen.

Aber mit etwas Kreativität kann man noch viel mehr. Gelegentlich lassen sich sogar mehrere Ziele auf einen Schlag erreichen. Was können Ungeimpfte in den nächsten Wochen und Monaten alles anstellen?

Wie wäre es beispielsweise mit «Bierkasten Lift-up»? Noch dürfen Ungeimpfte ja – und man ist dankbar für die Grosszügigkeit – einkaufen gehen. Also einen Kasten Bier holen und die Muskeln stählen. Aber bitte nicht sich selbst betrügen: Getrunken wird erst NACH dem Training, denn so ein leerer Harass Bier ist nun wirklich keine Herausforderung. Wer kein Bier mag, kann die Ehefrau stemmen oder den Bernhardiner des Nachbarn, sofern er mitspielt (und sie natürlich auch). Für einen sanften Einstieg bietet sich der Hamster des anderen Nachbarn an. Man soll es ja am Anfang nicht übertreiben.

Als Alternative zu den immergleichen Pizza-Kebab-Schnitzelbrot-Lieferdiensten sind Hofläden zu empfehlen. Die Produkte sind immer frisch, wobei sie natürlich den Nachteil haben, dass sie sich in aller Regel im Rohzustand befinden und gekocht werden müssen. Aber klingeln Sie doch einfach mit Ihrem Einkauf bei der kochwütigen Nachbarin, Stammabonnentin von «Betty Bossi» seit 30 Jahren, sie wird entzückt sein, Ihnen mit frischen Zutaten etwas zaubern zu dürfen. Der Bauer ihres Vertrauens ist sicher auch begeistert, wenn Sie gleich selbst eine Kuh melken. Das geht durchaus in die Muskulatur und macht den Kaffee, den Sie ja künftig selbst zuhause zubereiten müssen, zu einer faszinierenden Story, die jeder hören will.

Statt ins Fitnesscenter können Sie sich in der noch jungen Disziplin des «Rasenmäher-Joggings» üben. Danach ist der Rasen gemäht und Sie haben Ihren Puls hochgejagt. Möglicherweise werden Sie zum Quartiergespräch, wenn Sie rennend den Rasen mähen, aber ganz offen: Das sind Sie als Ungeimpfter ja sowieso schon. Ist der Ruf mal ruiniert…

Überhaupt, das mit der Fitness ist keine grosse Sache. Der Wald hält unendlich viele ganz natürlich gewachsene Fitnessgeräte bereit. Baumastschwingen, über Brennesselstauden hüpfen und so weiter. Wenn Sie schon mal da sind, sollten Sie auch gleich einige Beeren pflücken. Denn eben, wir übernehmen keine Verantwortung dafür, dass Sie auch in einigen Wochen noch Essbares kaufen können.

Und werden Sie zum coolen Barkeeper. Seien wir ehrlich, wir überzahlen in der Gastronomie irgendwelche Mischgetränke sowieso hemmungslos. In einem Gin & Tonic beispielsweise hat es, Spoiler, Gin und Tonic. Beides kann man auch kaufen. Aber das ist natürlich etwas für Anfänger. Finden Sie endlich heraus, was wirklich in einem «Sex on the beach» steckt und stellen Sie schockiert fest, dass die Rohmaterialen etwa 5 Prozent von dem kosten, was Sie in einer Bar liegen lassen. Geben Sie alles und schaffen Sie sich einen dieser Shaker an, mit denen Tom Cruise vor etwa 17 Generationen die Teenies zum Kreischen gebracht hat. Das mit dem Hüftschwung können Sie im Notfall lassen, solange die Mischung stimmt. Unterm Strich wird es bis Ende Januar nur darum gehen, permanent relativ betrunken zu sein, und das geht auch ohne Restaurants.

Finden Sie – vorsichtig bitte – heraus, ob sich im nachbarschaftlichen Umfeld noch einige Seuchenschleud... pardon, einige Ungeimpfte befinden, die mitmachen und ziehen Sie einen gemeinsamen Wochenkalender auf. Jeden Abend kocht ein anderer. Das ist günstig, Sie essen abwechslungsreich und vor allem: In der Gesellschaft, in der Sie sich wirklich bewegen wollen. Bundesrat Berset möchte eine Parallelgesellschaft installieren: Die kann er haben.

Kultur? Überschätzt. Endlich sind wir nicht mehr gezwungen, durch ein Museum zu gehen und so zu tun, als ob wir kapieren würden, was wir sehen. Endlich dürfen wir behördlich legitimiert und ohne schlechtes Gewissen aufs Sofa liegen und auf Netflix eine Show schauen, in der irgendwelche Freaks miserable Tattoos von anderen Freaks überstechen, damit sie wieder ins Freibad können, ohne dass es peinlich wird. Das ist die Hochkultur der Ungeimpften, überlassen wir Rembrandt und Co. doch den andern. Wir wollten ja gar nie ins Museum, es war nur eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Nun zwingt man uns zu billiger Unterhaltung – dafür sollten wir dankbar sein!

Und was machen wir mit den Kindern? Kein Indoorspielplatz, kein Connyland, nichts geht mehr. Aber kein Problem. Wenn Sie den Plan oben akribisch befolgen, sparen Sie richtig Geld. Kaufen Sie Ihren Kindern völlig überteuerte Markenklamotten, das angesagteste Velo und die neueste iPhone-Version und schicken Sie sie durchs Quartier. Die anderen Kinder werden ihre Eltern hassen dafür, dass diese geimpft sind. Denn sie müssen ins Museum oder in den botanischen Garten. Weil sie dürfen.

Eigentlich sollten wir dem Bundesrat dankbar sein. Ein Leben lang haben wir das getan, was man eben so tut. Nun dürfen wir nur noch tun, was man uns lässt, und das ist nicht sehr viel. Aber mit ein bisschen Fantasie entdecken wir so Dinge, die uns auf ewig verborgen geblieben wären. Und vermutlich haben wir es sogar lustiger als die Leute, die mit einem hämischen Grinsen im Gesicht und ihrer Zertifikats-App im Anschlag ins Restaurant gehen.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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