Der Kanton St.Gallen gibt Gegensteuer. Er teilt dem Bundesrat unmissverständlich mit, dass dieser bei den Coronamassnahmen überbordet. Dafür brauchte es die ganze St.Galler Regierung. Aber Gesundheitschef Bruno Damann dürfte die treibende Kraft dahinter sein.
Die St.Gallerinnen und St.Galler haben 16 Jahre lang unter Gesundheitschefin Heidi Hanselmann (SP) überstanden - oder vielleicht durchlitten. Dann kam Bruno Damann an ihre Position. Der CVP-Regierungsrat hatte keine Lust auf das Gesundheitsdepartement, man hat ihm dieses aufgenötigt. Und heute muss man sagen: Dem Himmel sei Dank. Und dass er aktuell Regierungspräsident ist: Ein doppelter Dank nach oben.
Der ehemalige Arzt ist ein ausgesprochener Pragmatiker. Extreme sind ihm fremd, auf alle Seiten. Er will keine Zeichen setzen, sondern seine Arbeit verrichten. Und das tut er ausgesprochen gut. Nicht auszudenken, wenn das Gesundheitsdepartement an jemand anderen gegangen wäre.
Denn wie das «St.Galler Tagblatt» berichtet, hat die St.Galler Regierung nach einer sonntäglichen Sondersitzung dem Bund mitgeteilt, was er von dessen aktuellen Drohgebärden hält: Nämlich nichts. Erst gerade sind die neuesten Verschärfungen eingeführt worden, bereits wird mit weiteren Einschränkungen von der Maske im Freien bis hin zu einem Lockdown gedroht. Das findet man in St.Gallen «nicht vertretbar».
Vor allem, weil der Kanton seine Aufgaben erledigt hat: Alle neuen Einschränkungen wurden vollzogen, die Spitäler wurden auf die Lage vorbereitet, auch bei den Risikogruppen in den Heimen hat man vorgesorgt. Zurecht fragt die Regierung um Gesundheitschef Damann: Warum schon jetzt noch mehr davon? Oder wie es im Schreiben konkret heisst: «Aufgrund dieser Ausgangslage erachten wir derzeit eine erneute und deutliche Verschärfung der Massnahmen zur Einschränkung des öffentlichen und privaten Lebens nicht als vertretbar.»
Doch es geht noch markiger. Alles, was bereits eingeführt habe, lasse sich punkto Auswirkungen noch nicht wirklich abschätzen, so die Regierung. Es bestehe die Gefahr, dass man mit zusätzlichen Massnahmen «übersteuere», was fatale Folgen für Gesellschaft und Wirtschaft haben könne.
Und brauche es dennoch mehr Massnahmen, müsse das wenigstens auf dem Boden der Gesetzgebung stattfinden, sagt die St.Galler Regierung sinngemäss. Konkret: Dann müsste man die ausserordentliche Lage ausrufen. Denn derzeit operiert der Bundesrat auf denkbar dünnem Boden. Das Epidemiengesetz lässt das, was im Moment passiert, gar nicht zu. Zusätzliche Verordnungen dürfen nicht zu einer Verschärfung des eigentlichen Gesetzes führen, was jetzt aber passiert.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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