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Zeyer zur Zeit | UBS-CS

Der 20-Milliarden-Skandal

Zum Schnäppchenpreis von 3 Milliarden kaufte die UBS die Credit Suisse. Deren Wert: 23 Milliarden. Eigentlich müsste Karin Keller-Sutter sofort zurücktreten.

«Die Ostschweiz» Archiv am 17. Juni 2023

Im Handelsregister findet man es schwarz auf weiss: Die UBS übernimmt «gemäss Fusionsvertrag vom 19.03./06.04./22.05.2023 und Bilanz per 31.12.2022. Aktiven von CHF 99’850’000’000.00 und Passiven (Fremdkapital) von CHF 77’189’000’000.00“ der Credit Suisse Group AG».

Nachgeschaut hat – wer sonst – Lukas Hässig von «Inside Paradeplatz». Was die UBS schon verschämt als «negativen Goodwill» auswies, ist nun amtlich. Der Kauf war mit einem geradezu obszönen Gewinn verbunden. Aber das ist längst nicht alles. Obendrauf legte der Bund noch eine Risikoübernahme von 9 Milliarden Franken. Eine Liquiditätsgarantie von 250 Milliarden Franken. Und einen Abschreiber von 16 Milliarden Franken auf sogenannte AT1-Bonds.

Gegen all das laufen inzwischen weltweit Hunderte von Klagen. Von rasierten Anleihen-Besitzern, von durch den Kauf Geprellten und selbst von CS-Mitarbeitern, denen als Bonus AT1-Bonds zugehalten worden waren. Es sei halt alles sehr wacklig gewesen, und es habe pressiert, behauptet Bundesrätin Keller-Sutter. Welch ein Unsinn. Die UBS bereitete sich bereits seit letztem Herbst auf die Übernahme vor; der Ex-UBS-VR-Präsident und der Ex-UBS-CEO der CS verrieten ihrem ehemaligen und hoffnungsfroh zukünftigen Arbeitgeber selbstverständlich keinerlei Interna.

Den Schaden haben die Stakeholder der CS – und vor allem der Schweizer Steuerzahler. Selten in der Wirtschaftsgeschichte ist eine unfähige Regierung («this is not a bail-out») dermassen über den Tisch gezogen worden. Flankiert von einem Beamtenheer, das im vollen Bewusstsein der Haftungsfreiheit und Verantwortungslosigkeit dilettierte. Ob das die PUK wirklich aufdeckt und aufräumt?

Man kann jetzt schon sagen, dass dieser Kauf zum Schnäppchenpreis der grösste Skandal der Schweizer Wirtschaftsgeschichte ist. Es gibt hier einen strahlenden Sieger. Der heisst Colm Kelleher. Der britisch-irische Manager ist seit April 2022 VR-Präsident der UBS. Sein Handwerk lernte er bei der US-Zockerbank Morgan Stanley, die er durch die Wirren der Finanzkrise 2008 steuerte.

Sein grösstes Problem bei den Kaufverhandlungen und bei der historischen Pressekonferenz vom 19. März war, dass er ein staatstragend-ernstes Gesicht machen musste. Während er dem Gehampel seiner Verhandlungspartner zuschaute und am liebsten kurz verschwunden wäre, um kräftig und schallend zu lachen.

Denn Kelleher wusste, dass er von Seiten der CS keinerlei Widerstand zu erwarten hatte. Die Bank war am Absaufen, ihr Führungspersonal fürchtete Haftungsklagen und sehnte sich nach einem trockenen Plätzchen nach dem Untergang. CEO Körner war bekanntlich an der letzten CS-GV sogar der Lohn gestrichen worden, dem wurde dann ein Platz in der Geschäftsleitung der UBS zugehalten.

Seitens der Bankenaufsicht FINMA und vom SNB-Präsidenten Thomas Jordan erwuchs Kelleher auch kein Widerstand. Die FINMA zog den Kopf ein, weil sie noch kurz vor dem Desaster den stabilen Zustand der CS testiert hatte. Und Jordan wollte sich nicht in politische Entscheide einmischen.

Seitens des Bundesrats führte eine frisch ins Amt geschlüpfte Bundesrätin die Verhandlungen, die noch nie im Leben etwas von AT1-Bonds gehört hatte, geschweige denn in der Lage war, die entscheidenden Punkte bei einem solchen Notverkauf zu verstehen. Ihr wurde vorgemacht, dass die UBS ja nur vier Tage Zeit habe, die Bücher der CS zu prüfen. Da könnten dermassen viele Leichen im Keller liegen, dass die UBS nur aus Staaträson und Verantwortungsbewusstsein für den Finanzplatz Schweiz überhaupt an einen Kauf denke.

Deshalb legte Kelleher am Anfang das unverschämte Angebot von einer schmürzeligen Milliarde auf den Tisch. Natürlich wusste er, dass da selbst der Bundesrat aufjaulen würde, also legte er grosszügig noch 2 Milliarden drauf. Um das aber mit Pokerface an weitere Bedingungen zu knüpfen.

Eben eine Übernahme von Risiken in der Höhe von 9 Milliarden. Eine Liquiditätsgarantie der SNB von 250 Milliarden. Und den Totalabschreiber der AT1-Bonds von 16 Milliarden durch die FINMA. Aber selbst ein Kelleher kann nicht an alles denken, mit jeder möglichen Dummheit rechnen.

Ob der Kommunikationschef Pascal Hollenstein, dessen Kernkompetenz mehr in der Verteidigung der Sache von Jolanda Spiess-Hegglin als im Finanzbereich liegt, daran schuld ist, dass Keller-Sutter den fatalen Satz sagte «this is not a bail-out»? Denn wenn es das nicht ist, fällt die Begründung dahin, wieso die FINMA 16 Milliarden abschreiben konnte. Entsprechende Klagen laufen in der Schweiz, in den USA und weltweit; da dürfte die Staatshaftung greifen.

Durch diesen Abschreiber hat sich die Schweiz übrigens international kräftig unglaubwürdig gemacht; Grossinvestoren werden es sich nun zweimal überlegen, ob sie ihr Geld tatsächlich unter einem Staat anlegen wollen, der dermassen leichtfertig auf die Eigentumsgarantie pfeift und Gläubigern einfach mal 16 Milliarden wegnimmt.

Das nennt man nun einen Klassiker zum Thema: Privatisierung de Gewinne, Sozialisierung der Verluste. Die UBS, also die Aktionäre und die bonusberechtigten Manager, brauchen Schubkarren, um die Gewinne nach Hause zu schieben. Mindestens 20 Milliarden Kaufgewinn, dazu das Monopol in der Schweiz, Schweizer Firmen haben keine nationale Alternative mehr, wenn sie internationale Geschäfte machen wollen. Dazu – allerdings nur für Blödis – das Image, dass die UBS aus Verantwortungsbewusstsein die CS gekauft habe.

Regierende müssen nicht unbedingt Sachkompetenz haben. Das zeigen auch der deutsche Wirtschaftsminister und Finanzminister aufs Hässlichste. Aber eine Fähigkeit sollten sie haben: die richtigen Fragen stellen. Also hätte KKS einfach mal fragen sollen: was genau kauft die UBS für 3 Milliarden? Was kriegt sie dafür? Und wieso genau schenken wir ihr noch weitere 16 Milliarden, plus 9 Milliarden, plus 250 Milliarden Garantie? Wäre es da nicht besser, die SNB übernimmt den Laden, räumt das unfähige Management weg, frontet für kurze Zeit und bringt die Credit Suisse mit neuen Führungskräften an die Börse?

Das hätte sie fragen können. Sollen. Müssen. Stattdessen liess sie sich gnadenlos über den Tisch ziehen, mitsamt dem Rest-Bundesrat, der FINMA, der SNB und all den Sesselfurzern in Bern, die ihren Verhandlungspartnern der UBS haushoch unterlegen waren. Welch Skandal.

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