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Wahlkampagne

Der Apfel-Aufschrei: Die Rechnung der SVP geht schon wieder auf

Die SVP hat es wieder getan. Gezielt hat sie eine Provokation platziert - und ihre Gegner gehen ihr auf den Leim und sorgen für kostenfreie Medienpräsenz der SVP. Nach schwarzen Schafen und Messerstechern erfüllt dieses Mal ein harmloser Apfel das Kalkül der Volkspartei.

Stefan Millius am 19. August 2019

Journalisten lieben Provokationen, die ihnen frei Haus geliefert werden. Denn alles, was sie danach tun müssen, ist die Gegenseite der Provokateure anrufen und mitschreiben, während ihnen diese in den Telefonhörer bellen. Und fertig ist die süffige Geschichte.

Die Rede ist in diesem Fall vom wurmstichigen Apfel, mit dem die SVP Schweiz in die Wahlen ziehen will. Ohne riesige Interpretationsfähigkeiten kann man deuten, dass die SVP die Schweiz als saftigen, gesunden Apfel sieht - und ihre politischen Gegner als Würmer, die diesen Apfel zersetzen. Es ist kein schönes Bild - optisch und inhaltlich. Und natürlich erinnert er an die Kampagnen der NS-Zeit, als ungeliebte Volksgruppen als Schädlinge dargestellt wurden. Das ist nicht die feine Art, keine Frage.

Aber man kann wirklich so naiv sein zu glauben, die SVP mache so etwa ohne Absicht? Es ging ihr wie so oft nicht um das Plakat als Werbemittel, sondern um das, was es auslöst, noch bevor es flächendeckend hängt. Gratis und franko beherrscht die Volkspartei derzeit gerade wieder alle Schlagzeilen. Und mit Garantie steht das, was derzeit passiert, in einem Strategiepapier der Partei.

Und das dank der Empörung der anderen Parteien. Die haben auch viele Jahre nach dem Start des Siegeszugs der SVP noch immer nicht gemerkt, dass der wirkungsvollste Kampf das Schweigen wäre. Mit jedem Aufschrei festigen sie das Lager der SVP und machen interessierte Unentschlossene auf die SVP-Haudegen aufmerksam.

Die Medien transportieren diese Empörung gerne. Wobei sie hin und wieder ein bisschen nachhelfen müssen. Das St.Galler Tagblatt titelt: «SVP-Apfel-Plakat: Valentin Landmann ist empört und der Obstverband schweigt». Das Zitat des Zürcher Anwalts und Nationalratskandidaten im Text lautet dann: «Ich bin nicht besonders glücklich über das Plakat.» Das ist nun nicht gerade ein lautstarker Protest. Da wollen wir nicht wissen, wie es klingt, wenn Landmann mal wirklich empört ist.

Und dass ernsthaft der Schweizer Obstverband angefragt wird, weil im Bild ein Apfel zu sehen ist, lässt auf einen gewissen Grad an Verzweiflung bei den Journalisten schliessen. Was bitte soll der Direktor des Obstverbands zu einem Apfel auf einem Wahlplakat sagen? Dass er persönlich eine andere Sorte bevorzugt?

Wer aber ist dankbarer für die Medien und gibt seiner Empörung wirklich Raum? Wen kann man knackig und wirklich entrüstet zitieren? Die Vertreter der Parteien von der Mitte bis links. Also Leute, die ohnehin für eine andere Klientel stehen. Mit anderen Worten: Die Empörten richten sich an die Empörten. Wer diese Art von Wahlwerbung toll findet, fühlt sich vom Aufschrei bestätigt, und wem es egal ist (die grosse Masse), der sieht und hört kaum hin.

Wirklich erstaunlich ist eigentlich nur, dass nach früheren Fällen wie schwarzen Schafen und Messerstechern die Masche der SVP auch dieses Mal wieder reibungslos funktioniert. Alle vier Jahre wird die Falle gestellt, und alle trotten brav hinein. Die Lernfähigkeit der politischen Gegner der SVP liegt bei Null. Dabei wäre es so einfach: Mit einem herzhaften Lachen die Aktion ins Leere laufen lassen. Wenn sich keiner aufregt, schreibt auch keiner drüber.

Aber man muss es der SVP attestieren: Auch wenn sie sich mit Buurezmorge und Fahnenschwingern immer schön beim Stammtisch positioniert, hat sie in ihren Reihen bedeutend mehr Ahnung von Marketingmechanismen als die intellektuellen Heerscharen bei den anderen Parteien. Nur die Juso schafft es ansatzweise, ähnliche Kampagnen mit vergleichbarem Resultat zu lancieren, aber aufgrund ihrer faktischen Bedeutungslosigkeit ist der Aufschrei dort kleiner.

PS: Wir schenken es uns, das Wahlsujet an dieser Stelle auch noch einmal zu zeigen. Wenn die SVP das möchte, kann sie bei uns inserieren. Denn auch das ist ein Nebeneffekt: Die umstrittenen Kampagnen schaffen es sogar mit Bild in die Medien - kostenfrei. Versuchen Sie das mal mit einem harmlosen Plakat.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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