Rund hundert Ertrunkene liegen wohl für immer auf dem Grund des Bodensees. Es sind die Opfer von Unfällen auf und im Wasser, statistisch erfasst seit dem Jahr 1947. Dass sie nicht auftauchen, hat mit den besonderen Bedingungen des Bodensees zu tun.
Die Polizeikräfte der Anrainerländer des Bodensee gehen von 95 Leichen aus, die der Bodensee kaum je wieder freigeben wird. Möglicherweise sind es mehr, die Körper könnten durch den Rhein und andere Zuflüsse unbemerkt in das schwäbische Meer geschwemmt worden sein. Bei den 95 seit 1947 statistisch erfassten Personen handelt sich vor allem um Opfer von Tauch-, Bade- und Bootsunfällen.
Dass viele Leichen nie mehr auftauchen hängt mit den spezifischen physikalischen Umständen des Gewässers zusammen. In zwanzig Meter Wassertiefe herrscht eine konstante Wassertemperatur von rund vier Grad Celsius. Dabei läuft der Verwesungsprozess sehr langsam ab. Es bilden sich kaum Fäulnisgase, die für Auftrieb sorgen. An einzelnen Stellen ist der Bodensee 250 Meter tief. Eine auf vierzig und mehr Meter abgesunkene Leiche taucht in der Regel nie mehr auf.
Sediment erschwert die Suche
Verstorbene die an weniger tiefen Stellen verschwinden, werden in der Regel nach wenigen Tagen durch die Verwesungsgase an die Oberfläche getrieben. Dort verleiben sie zwei bis drei Tage, werden sie in dieser Frist nicht entdeckt, versinken sie anschliessend meistens für immer.
Auf dem Seegrund lagert eine dicke Sedimentschicht, sterbliche Überreste darin zu orten ist für Taucher und für Unterwasserkameras sehr schwierig. Die Zuflüsse tragen viel Geschiebe und weitere Stoffe in den See ein. Dass der Boden geologisch sehr uneben beschaffen ist, bedeutet ein zusätzliches Hindernis bei der Suche.
Abgetriebene Tote
Ob eine Leiche rasch wieder an der Oberfläche erscheint, hängt auch mit der Kleidung zusammen. Badehosenträger tauchen meistens nach wenigen Tagen wieder auf. Die Textilen von vollständig bekleideten Personen saugen sich mit Wasser voll, mit diesem zusätzlichen Gewicht bleiben sie länger in der Tiefe. In dieser Zeit kann der tote Körper abgetrieben werden und sich nicht mehr im Suchgebiet befinden. Der Bodensee ist für seine teils sehr starken Unterwasserströmungen bekannt.
Sollte wider Erwarten doch nach Jahren ein Kleidungsstück oder ein anderes Überbleibsel eines Toten aufgefunden werden, könnten die DNA-Spuren bei der Identifizierung der Person helfen. Von den bekannten Toten im Bodensee sind auch Vermisstenakten vorhanden, die bei der Klärung der Identität helfen würden.
Adrian Zeller (*1958) hat die St.Galler Schule für Journalismus absolviert. Er ist seit 1975 nebenberuflich, seit 1995 hauptberuflich journalistisch tätig. Zeller arbeitet für diverse Zeitschriften, Tageszeitungen und Internetportale. Er lebt in Wil.
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