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SVP-Ständeratskandidat Roland Rino Büchel

Der hemdsärmelige Diplomat aus dem Rheintal

Mit dem Rheintaler Roland Rino Büchel schickt die St.Galler SVP einen ihrer Politiker ins Rennen um den Ständerat, der die wohl spannendste Biografie innerhalb der Kantonalpartei hat. Büchel ist ein Gegenentwurf zu früheren Kandidaturen der SVP - und deshalb gefährlicher.

Stefan Millius am 28. Juni 2019

Wir schreiben das Jahr 2019. Die Kandidatur von Roland Rino Büchel für den Ständerat im Namen der St.Galler SVP scheint allenthalben legitim und logisch. Nur: Es war nicnt immer so.

2007 kandidierte der Oberrieter Roland Rino Büchel für die St.Galler SVP für den Nationalrat. Er schaffte ein gutes Resultat, verpasste aber die Wahl dennoch recht deutlich. Rund 6000 Stimmen lag er hinter dem auf dem fünften Platz gewählten Lukas Reimann, was für den ersten Ersatzplatz reichte.

Büchel durfte sich aber Hoffnungen auf eine Hintertür machen. Denn nach den Nationalratswahlen fand der zweite Wahlgang für den Ständerat statt. Toni Brunner trat für die SVP mit viel Ambitionen an. Wäre dieser gewählt worden, hätte Büchel ohne Verzögerung doch noch Nationalrat werden können. Und später im Jahr kämpfte Bundesrat Blocher um seine Wiederwahl. Es war das Jahr, als es für die SVP um viel ging.

Wer Roland Rino Büchel in jener Zeit traf, kann sich daran erinnern, dass er eine persönliche Formel kreiert hatte: «BBB», rief er gern an Anlässen. Das stand für «Blocher, Brunner, Büchel». Die drei B waren ein Schlachtruf dafür, dass Blocher Bundesrat bleiben und Brunner Ständerat werden sollte - und Büchel selbst in den Nationalrat rutschen kann.

Die Geschichte ist bekannt. Blocher wurde abgewählt, Brunner wurde nicht zum Ständerat gewählt, Büchel blieb Kantonsrat. BBB blieb eine Hoffnung, mehr nicht.

Büchels Glück war eine Schwangerschaft, und zwar die von Jasmin Hutter. Deren Rücktritt brachte Büchel 2010 als Nachrutscher in den Nationalrat, die Wiederwahlen 2011 und 2015 waren dann problemlos. Wohl auch, weil sich der Rheintaler sehr schnell Profil verschaffte in Bern. Er gehört - neben Toni Brunner - zu den wenigen Protagonisten der St.Galler SVP, die man schweizweit kennt. In erster Linie, weil sich der Sportmanager und intime Kenner der Szene immer wieder als Kritiker grosser Sportverbände wie der FIFA profilierte.

Es gibt noch anderes, was ihn innerhalb der Partei auszeichnet. Schon mit seiner Ausbildung zum Botschafts- und Konsulatsangestellten zeigte Büchel, dass ihn die weite Welt interessiert. Er hat vermutlich so einige Länder und Kulturen mehr bereist als der durchschnittliche SVP-Anhänger. Und so gesehen hat er zwischen Kartoffelsalat und Zäuerli und der Ansprache des Gemeindepräsidenten nicht viel verloren.

Aber, und das macht ihn als Kandidaten so interessant, er beherrscht den Spagat. Man traut ihm zu, harte Verhandlungen auf internationalem Parkett in mehreren Sprachen zu führen. Gleichzeitig käme man, wenn er unter Parteifreunden ist, nicht auf die Idee, dass er einen anderen Hintergrund als diese hat. Im Rheintal spricht Büchel anders als vor Medien in Bern oder bei Schawinksi.Er ist volkstümlich, er sackert im Dialekt, er teilt hart aus. Kurz: Er passt sich an. Das tut auch Roger Köppel auf seiner laufenden Ständeratstournee - je nach Publikum steht ein anderer Köppel dort. Es ist eine vielsagende Parallele.

Die diplomatische Vergangenheit kann auch nicht darüber hinwegtäuschen, dass Büchel durchaus undiplomatisch sein kann. Das Gästebuch auf seiner Webseite ist eine herrliche Lektüre auf einer langen Zugfahrt. Kritische bis bösartige Zuschriften löscht der Nationalrat nicht etwa, sondern beantwortet sie genussvoll und ausführlich. Er geht auf sein Gegenüber ein und zersetzt dessen Argumente. Gnadenlos.

Die direkte Auswirkung: Das bewusste Gästebuch füllt bereits 147 Eintragsseiten. Verglichen mit den Webpräsenzen der übrigen Ostschweizer Parlamentarier ist das gigantisch.

Der Grund: Offenbar polarisiert Büchel mehr als sie, obschon er sich im Bundeshaus konziliant gibt. Meist reicht ein kurzer Text aus seiner Feder, um das Blut einiger Leute in Wallung zu bringen. Bei «Die Ostschweiz» schrieb er einst angriffig über das Phänomen Greta, kurz darauf sass er aufgrund seiner Aussagen bei «Talk täglich» von Tele Züri. Der Rheintaler gehört nicht zu denen, die dauernd das Mikrofon suchen; aber ihm reicht eine gezielte Provokation, um nachhaltige Präsenz zu erreichen.

Das ist eine spannende Konstellation für den 20. Oktober. Der altgediente Gewerkschafter Paul Rechsteiner, der Vernunftspolitiker Benedikt Würth, der Unternehmer Marcel Dobler und schliesslich die diplomatisch ausgebildete Saftwurzel Roland Rino Büchel.

Die Frage in Bezug auf den SVP-Mann ist nur noch: Holt er dank seiner «anderen Art» tatsächlich viele Stimmen über die eigene Partei hinaus oder ist es gerade sein internationaler Touch, der ihn bei der eigenen Basis verdächtig macht?

Vieles spricht dafür, dass er die eigenen Leute im Sack hat, weil er eben auf Kommando ihre Sprache spricht. Und die anderen, weil er auch anders kann. Büchel zu unterschätzen wäre ein Fehler.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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