Die St.Galler SVP-Nationalrätin Barbara Keller-Inhelder wurde von Medien zur wortlosesten Parlamentarierin gekürt. Die Rangliste ist wertlos. Interessant wird es erst, wenn man die Vorstossaktivität untersucht.
Barbara Keller-Inhelder, SVP-Nationalrätin aus Rapperswil, mag Mikrofone nicht sonderlich. Sie meidet das Rednerpult im Parlament und wurde vom BLICK zur «stillsten Politikerin der Schweiz» gekürt. Das ist auf den ersten Blick nicht schmeichelhaft, wir alle wünschen uns ja aktive Volksvertreter. Nur: Was ist aktiv - und was überaktiv? Keller-Inhelder begründet ihr Schweigen damit, dass die Geschäfte schon längst beschlossene Sache sind, wenn die Redelawine beginnt. Man plaudert also eigentlich nur noch für die Medien.
Das ist wohl nicht ganz von der Hand zu weisen. Es sind kaum Fälle bekannt, in denen ein Nationalrat durch seinen furiosen Auftritt am Rednerpult eine Mehrheit an sich reissen konnte, wo die Sache schon verloren schien. Und ohnehin: Sich zu Vorlagen zu äussern, ist recht einfach. Vorlagen zu lancieren und durchzubringen: Das ist eine andere Kategorie.
Eine stichprobenartige Untersuchung der Vorstösse der Ostschweizer Parlamentarier zeigt: Da gibt es grosse Unterschiede. Sowohl in der Zahl der eingereichten Postulate, Motionen und Interpellationen, aber auch, was die Erfolgsquote angeht. Wobei man hier vorsichtig sein muss: Die Mühlen in Bern mahlen langsam, viele Vorlagen «made in Ostschweiz» sind noch nicht im Rat angelangt. Ein eigentliches «Success-Ranking» ist nicht möglich. Kommt dazu, dass es einen Unterschied macht, ob jemand seit 15 oder 2 Jahren im Nationalrat sitzt. Und natürlich sagt die Zahl auch nichts über die Qualität und Sinnhaftigkeit der Vorstösse aus.
Dennoch zeigen die Zahlen, wie fleissig die einzelnen Nationalratsmitglieder die Verwaltung - und später den Rat - mit Vorstössen auf Trab halten. Ein Schwergewicht in dieser Beziehung ist mit 48 persönlichen Vorstössen die St.Galler SP-Nationalrätin Claudia Friedl. Bis dato konnte sie aber erst in einem Fall auf einen angenommenen Vorschlag anstossen. Der St.Galler FDP-Mann Walter Müller, seit 2003 im Rat, hat 43 Mal zu diesem Instrument gegriffen, 13 seiner Vorstösse wurden angenommen oder als erledigt abgeschrieben. Produktiv ist Marcel Dobler: Der FDP-Nationalrat ist erst seit 2015 im Rat und hat in dieser Zeit 23 Vorstösse eingereicht, drei davon sind in trockenen Tüchern. SVP-Urgestein Toni Brunner fühlte sich in 34 Fällen bemüssigt, etwas einzureichen, sechs der Vorstösse sind in seinem Sinn erledigt.
Ungekrönter König in Sachen Vorstösse dürfte aber Lukas Reimann, SVP SG sein. 59 Motionen, 40 Interpellationen, 18 parlamentarische Initiativen, drei Postulate und zwei Anfragen gehen auf sein Konto.
Übrigens: Mit 14 Vorstössen nicht allzu eingabefreudig ist der SVP-Mann Roland Rino Büchel. Untätigkeit kann man ihm allerdings dennoch nicht vorwerfen. Stolze 77 Mal meldete er sich in der Fragestunde zu Wort. Das ist jeweils die Gelegenheit für Parlamentarier, dann nachzufassen, wenn sie bei einem Geschäft nicht restlos befriedigt ist. Und der kritische Rheintaler nützt diese Gelegenheit weidlich.
Die Liste der eingereichten Vorstösse aller Ostschweizer Nationalratsmitglieder:
Barbara Keller-Inhelder, SVP SG
Hansjörg Brunner, FDP TG (noch keine Vorstösse)
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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