Passend zur Schafskälte macht ein als eher dümmlich geltendes Tier im anziehenden Wahlkampf Karriere.
Passend zur Schafskälte macht ein Tier im anziehenden Wahlkampf Karriere. Ob Bock, Mutterschaf, Lamm oder gar Hammel, weiss oder schwarz: Es ist zur Werbe-Ikone geworden.
Dabei steht in Brehms Tierleben: «Es begreift und lernt nichts [..] Seine Furchtsamkeit ist lächerlich, seine Feigheit erbärmlich.» Vernichtend. Das schwarze Schaf, seine Schäfchen ins Trockene bringen, der Wolf im Schafspelz: Auch Redensarten mit Schaf sind nicht gerade schmeichelhaft für das Tier.
Am Anfang war die SVP
Angefangen mit dem Schaf, das ist weitgehend unbestritten, hat die SVP. Sie illustrierte damit die Stimmensammlung für ihre Initiative für die Ausschaffung «krimineller Ausländer». Das war ein durchschlagender Erfolg, sie wurde 2010 angenommen. Auch am Wahlsieg der SVP im Jahr 2007 hatte das Schaf durchaus seinen Anteil.
Allerdings: Wo Erfolg ist, ist auch Krach. So soll nicht etwa die SVP-Werbeagentur das Polit-Schaf erfunden haben, sondern der britische Designer Dan Bailey. Der will auch den Gummipinguin entwickelt haben. Wie meist verliert sich hier die Geschichte des intellektuellen Eigentums im blökenden Ungefähr.
Allerdings bewies auch die SP 2007 Humor und konterte mit einem Plakat mit der Schlagzeile «Abzotteln, SVP». Dafür vergriff sie sich am Parteimaskottchen «Zottel»; der Geissbock kickte nun ein SVP-Schaf weg, nicht ein schwarzes Schaf, aka krimineller Ausländer.
Es liefert Milch, Wolle und Fleisch
Der Siegeszug des Schafs als politischer Werbeträger war aber nicht aufzuhalten. Bis nach Spanien, bis nach Lateinamerika setzte sich das Hausschaf durch. Kein Wunder, weltweit gibt es über 1,2 Milliarden davon. Auch das ist kein Wunder, so kann der Schafbock am Tag bis zu 50 Begattungen vornehmen. Aber vor seiner politischen Verwendung war das Schaf vor allem als Nutztier beliebt; es liefert Milch, Wolle und Fleisch (das man allerdings mögen muss).
Der Versuch der Befürworter der Massentierhaltungsinitiative, das Schaf durch Schweinchen zu ersetzen, gelang dagegen nicht. Kein Schwein gehabt, die Initiative wurde an der Urne abgeschmettert.
Aber beim Schaf gibt es inzwischen jede Menge Trittbrettfahrer. Oder Kampagnenmanager, denen nichts Besseres einfällt, als auch das Schaf zu verwenden. Schäflich, pardon, sträflich zurückhaltend ist allerdings die SVP. Als Slogan für ihren Wahlkampf hat sie gewählt: «Für eine sichere Zukunft in Freiheit». Ganz ohne Schaf.
In den Unterplakaten setzt sie inzwischen auf Schockbilder, Schlagzeilen wie «Südländer überfallen ältere Frau» und die Unterzeile: «Wer das nicht will, wählt SVP». Man darf gespannt sein, ob sich am Wahlresultat das Fehlen der Zugmaschine Schaf widerspiegelt. Oder vielleicht wird es noch aus dem Stall oder von der Weide geholt.
Die Bachelorette der Schweizer Politik
Auch die Bachelorette der Schweizer Politik benutzt die Schafsymbolik. So trägt Sanija Ameti (GLP, Co-Präsidentin «Operation Libero») auch mal einen roten Pullover mit lauter weissen Schafen, ausser einem schwarzen auf Brusthöhe. Dazu verrät sie dem «Sonntagsblick»: «Ich bin das schwarze Schaf der Schweizer Politik, genau wie Christoph Blocher.»
An Selbstbewusstsein fehlt es der «jungen, muslimischen Frau und Politikerin mit Migrationshintergrund» nicht. Ob ihre Ideen, die Schweizer Neutralität als «feige» zu beschimpfen oder in Pristina ein Wahlplakat für ihre Kandidatur in den Schweizer Nationalrat aufzuhängen, beim Wähler Erfolg haben, ist allerdings fraglich.
Ameti behauptet auch, dass sie als schwarzes Schaf pro Tag bis zu 100 Hassmails bekomme. Wird sie allerdings angefragt, ob sie freundlicherweise ein paar auch anonymisierte Beispiele vorweisen könne, verstummt sie, was allerdings weder weisse noch schwarze Schafe tun.
Schafe, die kicken
Bereits 2017 hatten sich die Jungspunde der Grünliberalen bei der Abstimmung über die Energiestrategie 2050 des SVP-Schafs bedient, das hier – vielleicht etwas verwegen – kein schwarzes Schaf, sondern ein Ölfass aus der Schweiz herauskickt.
Bislang die aufmerksamkeitsträchtigste Verwendung des Schafs stammt allerdings von der «Bürgerrechtsbewegung» Campax. Diese Kampagnen-Rabaukentruppe fällt immer wieder durch peinliche Fehlgriffe auf. So rempelten sie die «Freiheitstrychler» an: «Hier klicken und kein Postkonto für Faschisten fordern.» Campax hatte die Verwendung des alteidgenössischen Schlachtrufs «Horus» missverstanden und beschimpfte die Folkloretruppe deswegen als «Faschisten», denen man ihr Postkonto wegnehmen solle, das sie wie alle legalen Organisationen in der Schweiz völlig zu Recht besitzt.
Im aufziehenden Vorwahlkampf zog Campax nun einem SVP-Schaf einen schwarzen Pullover über und schrieb drauf «FCK NZS». Das ist linksradikaler Slang für «Fuck Nazis». In der Ostschweiz ist das auch als «Eimol am Tag s'System figge» bekannt.
Das Campax-Schaf sollte als Briefkastenaufkleber dienen und kickte die traditionellste sowie die grösste Partei der Schweiz weg. Die Texterklärung: «Stopp SVP Propaganda. Auch kein FDP-Material.» Damit erweist sich Campax endgültig als antidemokratische Veranstaltung. Denn Antidemokrat ist, wer verhindern will, dass sich der Stimmbürger vor der Wahl umfassend über die Programme und Absichten aller demokratischen Parteien informiert.
Ein kurzer Anfall von Einsicht
Als das dann ein noch grösseres Gebrüll gab, als es Campax erwartet hatte, wurde dem Schaf der Pullover samt Aufschrift schnell wieder ausgezogen, das sei ein «Missverständnis» gewesen, winselte Campax für einmal kleinlaut. Aber an der inhaltlichen Aussage halte man fest, machten sie diesen kurzen Anfall von Einsicht wieder wett.
Dabei war es überhaupt kein Missverständnis, sondern volle Absicht. Wer auch nur einen Millimeter rechts der politischen Überzeugungen von Campax steht, läuft schnell Gefahr, als Nazi oder Faschist beschimpft zu werden.
Allerdings sind die Möglichkeiten des Schafs noch lange nicht ausgereizt. Bislang kommt es im Wesentlichen als weisses oder schwarzes Tier vor. Dabei könnte es auch bunt werden: Grün, rot, blau, gelb, die Palette der Parteifarben stünde zur Verfügung, von braun ganz zu schweigen.
The Return of the Sheep
Dann gäbe es das geschorene Schaf als Symbol für zu hohe Abgaben. Das zottelige Schaf stünde für mangelhafte menschliche Fürsorge. Die Schafherde natürlich für dumme Mitläufer. Magere Schafe symbolisierten Nahrungsmittelprobleme. Nasse Schafe müssten ins Trockene gebracht werden.
Hier gibt es für die politischen Parteien und Bewegungen noch viel zu tun. Vor allem, da die SVP offensichtlich den einmal eroberten Raum der Schafsymbolik unverständlicherweise verlassen hat. Daher warten wir nicht nur auf «Shaun, das Schaf», sondern auch auf «SVP-Schaf Reloaded, Part III, The Beginnings, The Return of the Sheep, The Last Sheep». Aber wir wollen ja keine Tipps umsonst geben …
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