Manchmal sind es Alltagsgegenstände, die mehr Beachtung verdienen würden. Das dachte sich auch der Fotograf Benno A. Stadler, der mit einer anspruchsvollen Technik die Säulen von Altstätten ins rechte Licht gerückt hat – wie, verrät er im Interview.
Die Säulen von Altstätten sind für viele alltäglich und sie gehen achtlos daran vorbei. Dabei spielen sie eine grosse Rolle in der Geschichte. Weshalb war es Ihnen wichtig, die Säulen in den Mittelpunkt zu stellen?
Ich bin ein «original Städtlibuab», also im Städtli von Altstätten aufgewachsen. Auch ich ging in meiner Jugend achtlos an den Säulen vorbei. Erst, als mich Jack E. Griss, ein passionierter Geschichtenschreiber und -erzähler, auf die Säulen ansprach und mir von seiner Idee eines Buches über die Säulen im Städtli erzählte, befasste ich mich intensiver mit diesen. Bei meiner Suche nach den geeigneten Perspektiven für die Säulenbilder wurden zudem Jugenderinnerungen wach und ich erkannte das grosse Potenzial für hervorragende Architekturaufnahmen.
Das Buch verfolgt keine historischen Ziele, sondern soll poetisch sein und die Leser geniessen lassen. Für wen ist das Buch gedacht?
Mit der Kombination der Geschichten und Versen von Jack E.Griss sowie meinen Lichtbildern soll das Buch eine Hommage an das bauliche Erbe des Städtli sein. Es soll zum Schmökern, Verweilen und Sinnieren einladen. Auch die eigenen Erinnerungen ans Städli können so wieder erstehen. So, wie meine Erinnerungen während der nächtlichen Lichtmalerei nach und nach wieder erwachten. Es ist ein ideales Buch für musische Menschen, welche gerne poetische Geschichten lesen und harmonische Photographien betrachten, auch wenn diese Menschen keinen direkten Bezug zum Städtli haben.
Wie ist es Ihnen gelungen, die Säulen sprichwörtlich ins rechte Licht zu rücken? Wie sind Sie vorgegangen?
Bei meiner Suche nach den geeigneten Aufnahmewinkeln wurde mir schnell klar, dass ich den Säulen mit einer standardmässigen Ablichtung nicht gerecht werden konnte. Ich wollte die Erhabenheit der einzelnen Säulen unbedingt in meinen Photographien festhalten und die Säulen in ihrem Raum zeigen. Auch wollte ich keine Fahrzeuge oder Personen auf den Bildern haben. Es blieben also nur die ruhigen, werktäglichen Nachtstunden zwischen 00.30 Uhr und 05.30 Uhr. Aus diesen Gründen entschied ich mich, die Säulen mittels intuitivem Lichtmalen abzubilden. Die Lichtmalerei lernte ich während meiner Ausbildung zum Werbephotograpen in der Kunstgewerbeschule Zürich kennen. Das Lichtmalen ist eine Mischung aus Langzeit- und Mehrfachbelichtungen. Das Intuitive dabei ist der Umstand, dass die verwendete Lichtmenge nicht durch Belichtungsmesser oder Kamerasensoren bestimmt werden kann. Die Leistungsstärke der mobilen Lichtquellen kann nur geschätzt und nach Gefühl eingestellt werden.
Welches waren die grössten Herausforderungen bei der Umsetzung?
Das Lichtmalen als solches ist eine alte Anwendungstechnik im Photographenmetier. Es stammt aber aus der Zeit, in welcher noch mit lichtempfindlichem Filmmaterial gearbeitet wurde. Der technische Transfer der Lichtmalerei von der chemischen in die digitale Photographie war wesentlich kniffliger als ursprünglich gedacht.
Wie lief die Zusammenarbeit mit Jack E. Griss?
Sehr gut! Wie eingangs erwähnt, hatte Jack E. Griss die Idee für unser Buchprojekt. Von seinen ersten Ideen zum jetzigen Werk gab es diverse Zwischenstufen. Die Entwicklung unseres Projektes verlief sehr einvernehmlich und harmonisch. Ich glaube, sagen zu dürfen, dass wir uns gegenseitig inspiriert haben. Ich würde mich sehr freuen, mit Jack noch weitere Projekte in Angriff nehmen zu dürfen.
Gab es Reaktionen der Leute, als sie am Werk waren?
Da ich zu nachtschlafender Zeit arbeitete, gab es wenig bis keine Reaktionen. Nur einmal wurde wegen Lichtbelästigung die Polizei gerufen. Da ich aber für meine nächtliche Lichtmalerei von der Stadt Altstätten das Einverständnis hatte und die Einsatzzentrale der Kantonspolizei ebenfalls informiert war, verlief die Kontrolle problemlos. Für mich selber war es aber sehr spannend, zu beobachten, wie so ab 04.00 Uhr die Lichter in den Wohnungen angezündet wurden und wie wieder langsam Leben in die Gassen des Städtli zurückkehrte.
Wie anfangs erwähnt, kommen wir oftmals an Sachen vorbei, die wir gar nicht mehr richtig wahrnehmen. Haben Sie nun eine andere Sichtweise erhalten – dank des Buches?
Ja, dies ganz sicher. Als Bildermensch bin ich sensibel gegenüber Unscheinbarem. Die Arbeit an diesem Buch hat meine diesbezüglichen Sinne nochmals geschärft.
Wie zufrieden sind Sie mit dem Ergebnis?
Ganz unbescheiden: Sehr zufrieden! Es Ist für mich auch sehr befriedigend, wie meine Kunden auf meine Lichtmalereien reagiert haben. Meine Kunden kannten mich in der Regel «nur» als Marketingmenschen und als Werbephotographen.
Gibt es ein Bild, auf welches Sie besonders stolz sind?
Nein, ich mag alle meine Photographien in diesem Buch. Die eine manchmal etwas mehr, die andere mal etwas weniger. Und alle jene, welche ich als ungenügend erachtete - und keinen Eingang in dieses Buch gefunden haben - waren genau so wichtig für den Gestaltungsprozess, wie jene, die im Endeffekt im Buch publiziert wurden.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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