Kann jemand, der öfters nicht auf Parteilinie ist, Präsident dieser Partei werden? Aktuell steht diese Frage beim St.Galler FDP-Nationalrat Marcel Dobler im Raum. Spätestens, seit er für eine Abschaffung der Coronamassnahmen steht. Im Interview sagt Dobler, was er von diesen Zweifeln hält.
Er wäre bereit, im Rahmen eines Co-Präsidiums die FDP Schweiz in die Zukunft zu führen: Der St.Galler Nationalrat Marcel Dobler. Er hat seine Ambitionen bekanntgegeben und hätte wohl keine schlechten Chancen. Vorausgesetzt, die FDP kann sich eine Zweiervertretung an der Spitze überhaupt vorstellen.
Marcel Dobler stellte sich am Montag im Onlineportal «Nebelspalter» in einem Videointerview den Fragen von Reto Brennwald. Angesprochen auf die aktuellen Coronamassnahmen, sprach Dobler Klartext: Er würde sie per sofort abschaffen. Konkret sprach er die Maskenpflicht an. Der FDP-Nationalrat meinte, wenn sich jeder, der sich impfen lassen will, das könne, solle man zur Eigenverantwortung zurückgehen.
Das St.Galler Tagblatt ortet in diesen Aussagen nun eine Hürde für Doblers Ambitionen, wie es am Tag danach schrieb. Er wolle die FDP einen, doch stattdessen spalte er sie damit. Denn bei seiner Partei ist aktuell keine Rede von einer Aufhebung der Massnahmen. Die Fraktion will zwar nicht weiter gehen als aktuell, spricht aber nicht von einer Änderung des Kurses. Einzelne Exponenten sind sogar im Fall eines Anstiegs der Zahlen nach dem Sommer dafür, die Zügel wieder anzuziehen. In diesem Zusammenhang weist das Tagblatt auch darauf hin, dass Dobler immer mal wieder von der Parteilinie abweicht. Unschwer ist darin die Frage zu erkennen, ob er vor diesem Hintergrund FDP-Präsident werden könne.
Im Interview mit «Die Ostschweiz» sagt Marcel Dobler, wie er diese These beurteilt:
Marcel Dobler, haben Sie sich mit den Aussagen zu den Coronamassnahmen sozusagen den Weg zum FDP-Präsidium verbaut?
Das glaube ich nicht. Unsere Basis schätzt es, wenn Politikerinnen und Politiker klare Aussagen machen. Auch wenn sie sich daran reiben. Das braucht es für eine zielführende Debatte. Zudem habe ich diese Fragen vor längerer Zeit beantwortet – in der Funktion als Nationalrat der FDP St.Gallen. Es versteht sich von selbst, dass ich als Präsident der FDP Schweiz in einer anderen Rolle wäre.
Gab es parteiintern Reaktionen auf das Interview? Und wie sahen diese aus?
Ich habe enorm viele Reaktionen erhalten – deutlich mehr als sonst. Sie waren bisher alle positiv. Das freut und bestärkt mich.
Sie sind ja durchaus ein Taktierer, Sie werden gewusst haben, dass solche klaren öffentliche Aussagen eine Auswirkung haben. Steckte vielleicht sogar Kalkül dahinter? Wollten Sie sich ein starkes Profil verpassen?
Ich würde meinen, dass ich bereits ein deutliches Profil besitze. Ich weiss aber, dass in unserer Basis zu den Coronamassnahmen unterschiedliche Standpunkte bestehen – wie übrigens in allen Parteien. Es braucht deshalb Positionsbezüge, welche die Debatte vorantreiben.
Der indirekte Vorwurf lautet ja: Sie weichen zu oft von der Parteilinie ab, um Präsident zu werden. Wie sehen Sie das?
Petra Gössi war vor ihrer Wahl politisch ziemlich am selben Ort wie ich das heute bin. Das können Sie in der Berichterstattung aus dem Jahr 2016 nachlesen. Nur zwei Parlamentarier waren damals «rechter» als sie. Ja, es gibt Fragen, die ich anders beantworte als einige meiner Kolleginnen und Kollegen in der Fraktion. Ich stamme aber auch aus einer FDP-Kantonalpartei, die etwas weiter rechts steht als der Durchschnitt. Und komme aus einem Kanton, der etwas bürgerlicher ist als andere Kantone. In den meisten Fragen stimme ich aber ab wie der Rest der Fraktion.
Sie haben es hier bereits erwähnt, dass sie als Präsident der FDP in einer anderen Rolle wären. Konkret müssten Sie auch Positionen vertreten, die sich nicht mit Ihrer eigenen decken. Die Frage ist: Können und wollen Sie das wirklich?
Wenn man Parteipräsidentin oder Parteipräsident wird, hat das einen Einfluss auf die eigene Positionierung. Als Präsident der FDP werde ich in den Parteigremien und der Fraktion meinen Standpunkt mit guten Argumenten einbringen. Dann aber selbstverständlich die Position der Mehrheit vertreten. Das gehört zu dieser Funktion. Ich glaube aber, in der aktuellen Debatte um die politische Ausrichtung der zukünftigen Präsidentin oder des zukünftigen Präsidenten geht eines vergessen: Die FDP braucht insgesamt ein schärferes Profil, mehr Einigkeit in zentralen Fragen und muss sich auch organisatorisch gut aufstellen. Dafür leiste ich mit meiner bisherigen Führungserfahrung gerne einen Beitrag.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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