Zutaten wie weisser Pfeffer, Salz, frische Milch und Zwiebeln gehören in die St. Galler Bratwurst.
Die berühmteste Ostschweizerin ist die St. Galler Bratwurst. Am 1. August feiert sie wieder einen Höhepunkt. Und uns allen wird er wieder bewusst: Der berühmte Senfgraben.
Knackig im Biss soll sie sein, aber nicht zu hart. Leicht gesalzen, aber nicht fade. Mild, aber nicht papieren. Und pfeffrig mit einem Hauch von Muskat, aber weder scharf noch verwürzt. Auswärtige pilgern ihretwegen in die Ostschweiz. Greifen sich ein goldbraun gebratenes Stück frisch vom Grill. Und sogar St. Gallen-Bodensee Tourismus wirbt mit einer Degustation im Kerngebiet der St. Galler Bratwurst.
Die Wurst hat’s in sich
Bratwürste werden in vielen Metzgereien der Deutschschweiz überdurchschnittlich gut verkauft. Die St. Galler Bratwurst ist die bekannteste und beliebteste Kalbsbratwurst. Sie gehört seit rund 10 Jahren zum kulinarischen Erbe der Schweiz und wird mit Herkunftsgarantie IGP (Indication Géographique Protégée) produziert.
«Mindestens die Hälfte des Muskelfleischanteils muss vom Kalb sein, damit die Wurst Kalbsbratwurst heissen darf», ergänzt Urs Bolliger, Geschäftsführer der Sortenorganisation St. Galler Bratwurst. So will es der Bund, der über das kulinarische Erbe wacht. Die Sortenorganisation gibt der Qualitätswurst eine Stimme mit regelmässigen Tests bei seinen Mitgliedern, rund 40 Wurstproduzenten aus den Kantonen St. Gallen, Thurgau und Appenzell.
Erstmals erwähnt wurde die St. Galler Bratwurst in einer Satzung der Metzgerzunft von St. Gallen im Jahr 1438. Im Gegensatz zu anderen Würsten, die lediglich mit Schweinefleisch hergestellt wurden, verfeinerten die Ostschweizer Wurstproduzenten ihre Produkte bereits in jenen Tagen mit etwas Kalbfleisch. «Damals wurden die Qualitätskriterien für die St. Galler Bratwurst definiert», ergänzt Urs Bolliger.
«In unsere Kalbsbratwurst kommen Voressen, Brust- und Schulter vom Kalb, kerniger Hals- und Nackenspeck vom Schwein und frische Milch», sagt Oscar Peter, Inhaber der Metzgerei Schmid in St. Gallen. Wegen der erlesenen Fleischwaren ist sie für viele wohl die beste Kalbsbratwursterei. «Dazu geben wir Salz, weissen Pfeffer, Macis, die getrocknete Blüte der Muskatnuss, Zwiebeln, etwas Glutamat als Geschmacksverstärker und eine Brise Phosphat, um das Brät zu binden.»
Auf die Frage, was eine gute St. Galler Bratwurst ausmacht, antwortet Urs Bolliger: «Es gibt Würste, die sind stärker gewürzt als andere oder beinhalten mehr Zwiebeln. Andere werden mit etwas Zitronensaft verfeinert oder setzen mit mehr oder weniger Schweinefleisch Akzente.» Letztlich liege es in der Hand des Metzgers, der über Art und Zusammensetzung der Wurst entscheide.
Jede Wurst hat ihre Fans
Zerkleinert werden die Zutaten in einem Cutter, dem sogenannten Blitz. Das Fleisch und die Gewürze werden zu feinem Brät verarbeitet und in hauchdünne Schweinedärme gefüllt. «Dann brühen wir die Würste eine halbe Stunde bei siebzig Grad im heissen Wasser auf», erklärt Oscar Peter.
Die Wurst, die mit 250 Kalorien pro 100 Gramm zu Buche schlägt, wäre dann fertig für den Grill. Doch noch fehlt die Qualitätskontrolle, die auf jedes heisse Wasserbad folgt. «Und das passiert oft, denn bei uns wird während sechs Tage die Woche gewurstet.» Im Sommer seien das bis zu zehn Chargen à je 65 Kilogramm im Tag.
«Wir führen keine Rangliste, wenn es um die Wurst geht», entgegnet Urs Bolliger auf die Frage nach der besten Kalbsbratwurst. «Entscheidend ist das Handwerk. Jeder Betrieb hat sein Wurstrezept und seine Fangemeinde.» Die Sortenorganisation garantiere lediglich eine Mindestqualität auf hohem Niveau.
Zutaten wie weisser Pfeffer, Salz, frische Milch und Zwiebeln gehören in die St. Galler Bratwurst.
«Unsere Mitglieder bieten Variationen dazu, die sich von Region zu Region unterscheiden.» Je dicker die Wurst, desto besser entfalte sich das Aroma, sagt Oscar Peter. «Das Brät sollte fein geblitzt sein, das Gewürz darf nicht dominieren», beschreibt er die ideale Kalbsbratwurst. «Und der Fleischgeschmack muss das herausragende Aroma sein.»
Vakuumiert halten sich Kalbsbratwürste etwa fünf Tage im Kühlschrank und ein halbes Jahr im Tiefkühlfach. Ist sie pasteurisiert, kann man sie bis zu zehn Tage im Kühlschrank aufbewahren.
Jenseits des Senfgrabens
Und wie bereitet man eine St. Galler Bratwurst richtig zu? «Etwa 90 Prozent der Würste werden auf den Grill gelegt», sagt Oscar Peter. «Je nach Grösse und Dicke braucht sie zwischen 10 und 15 Minuten.» Urs Bolliger ergänzt: «Man darf die Kalbsbratwürste auf keinen Fall einschneiden.» Denn weniger robust als der zähe Rinderdarm, der den Cervelat zusammenhält, ist der Schweinsdarm einer Bratwurst. «Reisst dieser beim Grillen ein, ist das ein Qualitätsmerkmal», sagt Urs Bolliger.
Wenn die Grillhitze der Wurst ein feines Röstaroma entlockt und sie durch den karamellisierenden Milchzucker schön goldbraun gebraten ist, hat man alles richtig gemacht. Wer mag, kann die Bratwurst auch 20 Minuten im Wasser ziehen lassen. «So einfaltet sie ein besonders feines Aroma», schwärmt Oscar Peter. «In St. Gallen essen wir die Kalbsbratwurst vom Grill im Säckli mit einem Bürli und trinken ein Klosterbräu dazu.»
Urs Bolliger ergänzt: «Wer in St. Gallen zur Bratwurst Senf verlangt, läuft Gefahr, als kulinarisch rückständig zu gelten oder beleidigt sogar die Leute.» Er spricht von einem Senfgraben, der von Winterthur über Wetzikon bis nach Rapperswil reicht. «Westlich des Grabens isst man die Wurst mit, östlich ohne Senf.» In der Ostschweiz geht man eben davon aus, dass eine aromatische St. Galler Bratwurst sich selbst genügt.
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