Acht Personen kommen im Seminarraum eines Hotels zu einer Retraite des Bundesverwaltungsgerichts zusammen. Eine Leserin sieht das und wundert sich. Sie ist im Homeoffice, ein Gericht zieht sich an einem externen Ort gemeinsam zurück. Eine Spurensuche.
«Die Ostschweiz»-Leserin T.S. (Name der Redaktion bekannt) hält sich von Sonntag bis Mittwoch der vergangenen Woche im Hof Weissbad in Appenzell auf. «Zur Erholung gegen die Einsamkeit» wie sie uns schreibt. Dabei fällt ihr während ihrer Aufenthaltszeit ein Hinweisschild auf, auf dem bestimmte Gäste begrüsst werden. «Herzlich willkommen», steht da, und der Gruss richtet sich an das Bundesverwaltungsgericht, das seinen Sitz in St.Gallen hat.
T.S. ist entrüstet. «Wieso können Angestellte des Bundesverwaltungsgericht Montag und Dienstag im Hof Weissbad zusammensitzen, während ich im Homeoffice sitzen muss statt im Büro? Und das bezahlt mit Steuergeldern??
Die zweite Frage ist natürlich eine sehr grundsätzliche, die nichts mit Corona zu tun hat. Ob Verwaltungsbereiche, ob national oder kantonal, ob aus der allgemeinen Verwaltung oder der Justiz, für einen Teil ihrer Arbeit ein Hotel im Appenzellerland aufsuchen müssen, das ist in erster Linie eine Geschmacksache, über die man sich streiten kann – oder eben gerade nicht.
Die Frage, warum es geschieht, während in der ganzen Schweiz eine Homeofficepflicht besteht, ist hingegen eine andere. Und wir haben sie dem Bundesverwaltungsgericht gestellt.
Gehandelt hat es sich laut Rocco R. Maglio, dem Medienbeauftragten des Gerichts, um eine Sitzung der Verwaltungskommission des Bundesverwaltungsgerichts. Diese treffe sich durchschnittlich zu einer ordentlichen Sitzung pro Monat. Dazu komme einmal im Jahr eine «Retraite» für die Jahresplanung, also eine Klausursitzung an einem externen Ort. Das sei nötig aufgrund des «Umfangs und der strategischen Ausrichtung.»
Dieses Jahr fand diese Retraite vom 1. bis 2. Februar im Hof Weissbad statt. Mit dabei waren die fünfköpfige Verwaltungskommission, die Generalsekretärin sowie ihr Stellvertreter. Ausserdem wurde eine aussenstehende Person als Moderator beigezogen.
«Das Präsidium hat die Frage der Durchführung der diesjährigen Retraite eingehend geprüft, insbesondere im Hinblick auf die Massnahmen im Zusammenhang mit dem Coronavirus», so Maglio auf die Anfrage. Die Regel, wonach sich maximal fünf Personen treffen dürfen, gelte für den privaten Bereich, nicht im Arbeitsumfeld. Man habe sich deshalb für die externe Durchführung «unter strikter Einhaltung der Sicherheits- und Hygienemassnahmen entschieden.» Diese Rahmenbedingungen habe das Hotel mit seiner Infrastruktur sicherstellen können.
Ganz allgemein weist der Medienbeauftragte darauf hin, «dass wir auch während Corona den Gerichtsbetrieb aufrecht erhalten müssen.» Dabei gelte seit Januar wieder die sogenannte erweiterte Telearbeit: «Die Beschäftigten sind nur soweit vor Ort tätig, als es der Gerichtsbetrieb erfordert.» Dem Homeoffice seien aber eben auch Grenzen gesetzt. Richterinnen und Richter sowie Mitarbeiter und das Generalsekretariat müssten tageweise am Gericht sein.
Auch die Sitzungen der Leitungsgremien könne man «aufgrund der besonderen Themen nicht im Rahmen von Videokonferenzen» abhalten, sie finden als Präsenzsitzungen statt. Auch dort halte man die vom BAG vorgeschriebenen Sicherheits- und Hygienemassnahmen strikt ein.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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