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ASTAG-Präsident Lörtscher im Gespräch

«Die Krise zeigt brutal, dass ohne Transport nichts geht»

Die Corona-Vollbremsung hat auch die Transportbranche kalt erwischt.

Marcel Baumgartner am 01. Mai 2020

Einige Anbieter kamen zum Stillstand, andere mussten sogleich wieder Vollgas geben, um die Verteilung von Gu?tern sicherzustellen. Noch selten war die Bevölkerung dermassen auf ein funktionierendes Transportwesen angewiesen. Fu?hrt das zu einer Imagekorrektur? Oder hören wir schon bald wieder die alten, kritischen Stimmen? Ein Interview mit ASTAG-Sektionspräsident Martin Lörtscher – gefu?hrt Anfang April 2020.

Martin Lörtscher, ab Mitte März hatten die Einkaufsläden Mühe, regelmässig die Regale zu füllen. Führte dies zu einem erhöhten Transportaufkommen im Lebensmittelbereich?

Auf jeden Fall. Transporteure, die im Food-Bereich tätig sind, haben alle Hände voll zu tun. Fahrer und Fahrzeuge sind permanent im Einsatz, sieben Tage die Woche. Die völlig unvernünftigen Hamsterkäufe führen bei den Detailhändlern, Logistikern und Transporteuren zu unplanbaren Spitzen und stellt für die gesamte Versorgungskette eine grosse Belastungsprobe dar. Normalerweise bilden Feiertage wie Weihnachten, Ostern usw. im Detailhandel zu Spitzen. Diese sind jedoch planbar und man kann auf Erfahrungswerte der Vorjahre zurückgreifen. Die aktuelle Situation kam für alle völlig überraschend. Das egoistische Verhalten der Konsumenten konnte so niemand erahnen – so etwas hat es noch nie gegeben. Daher ist es umso wichtiger, dass unsere Chauffeure alles geben, damit die Regale rasch wieder befüllt werden.

Das Beispiel zeigt, wie wichtig die Transportbranche für das Funktionieren der Gesellschaft ist. Ohne sie würde alles stillstehen. Wie ist Ihre Einschätzung: Wurde das in der breiten Bevölkerung auch so wahrgenommen?

In der Vergangenheit wurde unsere Branche richtiggehend «verteufelt». Völlig zu Unrecht sind wir in den Köpfen vieler Leute für schlechte Luft und verstopfte Strassen verantwortlich. Dabei geht völlig vergessen, dass unsere modernen Fahrzeuge sehr sauber unterwegs sind und, dass kein Unternehmer seine Fahrzeuge aus Spass auf die Strasse schickt. Jedes Fahrzeug hat einen Auftrag im Dienste der Wirtschaft und nützt unserer Bevölkerung – daher heisst es ja auch Nutzfahrzeug.

Ohne Transporteure blieben die Regale in den Läden leer, Tankstellen hätten keinen Treibstoff und die Milch würde beim Bauern nicht mehr abgeholt. Aber auch alles was online bestellt wird, muss mit einem LKW transportiert werden. Die aktuelle Situation zeigt auf eine brutale Weise, dass ohne Transport nichts geht. Ich glaube, dass das von den Leuten auch wahrgenommen wird.

Hinter jedem Transport stehen unzählige Mitarbeitende. Sie mussten in dieser Phase einen unglaublichen Einsatz leisten. Wie erlebten Sie diese Situation? Wie wurden die entsprechenden Mitarbeitenden motiviert?

Ich spüre unter den Chauffeuren eine grosse Solidarität. Man ist stolz darauf, einen unerlässlichen Beitrag zum Funktionieren unserer Grundversorgung leisten zu können. Wenn man in den sozialen Medien schaut, spürt man gegenüber den Truckern eine grosse Dankbarkeit. Das ist sehr motivierend und gibt, trotz schwieriger Situation, einen Schub.

Bleiben wir beim Beispiel der Lebensmitteltransport: Könnte die gesamte Situation zu einem Umdenken in der Bevölkerung führen? Könnte die Transportbranche und ihr Image allenfalls entsprechend profitieren?

Ich hoffe natürlich, dass unser Image dadurch langfristig profitieren wird. Doch bin ich auch Realist, der Mensch vergisst schnell. Hat sich die Situation wieder normalisiert wird so ziemlich rasch alles wieder selbstverständlich. Es ist daher wichtig, dass wir unser Image pflegen und den Leuten immer wieder aufzeigen, was unsere Branche eigentlich tagtäglich leistet.

Nun gibt es ja auch zahlreiche Bereiche in der Transportbranche, die zum Stillstand gekommen sind. Wie hart war und ist die Situation?

Auf jeden Fall, es gibt sogar sehr viele Bereiche, in denen nichts mehr geht und alle Fahrzeuge stehen. Auch sind unsere Car-Unternehmen in einem extremen Ausmass von der Krise betroffen. Die Aufträge sind gänzlich weggebrochen. Egal ob Lastwagen oder Reisebus: Dahinter stecken sehr hohe Kosten, die auch hohe Fixkosten verursachen. Es ist daher für viele Betriebe existentiell, dass die vom Bundesrat in Aussicht gestellte Wirtschaftshilfe effektiv greift – rasch und unkompliziert. Ich stelle innerhalb der Branche aber wie erwähnt auch eine grosse Solidarität fest. Unternehmen, die unter der Krise zu leiden haben, stellen ihre Ressourcen völlig unkompliziert denjenigen Unternehmen mit zu viel Arbeit zur Verfügung. Dadurch gibt es zahlreiche Car-Chauffeure, die sich wieder hinter das Steuer eines Lastwagens setzen und so mithelfen, die Bevölkerung mit Gütern des täglichen Bedarfs zu versorgen.

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Autor/in
Marcel Baumgartner

Marcel Baumgartner (*1979) ist Chefredaktor von «Die Ostschweiz».

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