Wer sich der Förderung von Startups verschrieben hat, kommt um die Digitalisierung kaum mehr herum. Und das nicht nur, weil viele neue Unternehmen voll auf dieses Thema setzen. Im Gespräch mit Simon May, Geschäftsführer des St.Galler Instituts für Jungunternehmen.
Das Institut für Jungunternehmen (IFJ) hat seit seiner Gründung vor fast 30 Jahren mehr als 105'000 Gründerinnen und Gründer von Unternehmen auf dem Weg in die Selbständigkeit begleitet. Unter anderem mit Beratung rund um die Gründung, Tools für die Erarbeitung eines Businessplans und Instrumenten für Buchhaltung und Administration, mit Intensivkursen und Referaten. Im Lauf der Geschichte konnte das IFJ zudem zahlreiche Partner aus verschiedenen Bereichen gewinnen, was es erlaubt, einen umfassenden kostenlosen Startup-Support zu leisten.
Simon May, als das IFJ gegründet wurde, war von der Digitalisierung noch keine Rede. Kann man sagen, wie oft Sie heute im Austausch mit Digital-Startups stehen?
Digitalisierung steckt heutzutage in sehr vielen Projekten drin. Dies können oft Kleinigkeiten sein, wie zum Beispiel Digitalisierung des Arbeitsalltags durch Nutzung von Online-Kollaborations-Tools, digitale Kommunikation mit Kunden und Partnern bis hin zu eigentlichen Digitalisierung-Startups. Diese trifft man beispielsweise im Umfeld von Fintech, Insurtech, VR, Healthtech, IoT, AI, Agritech oder Proptech an. Im aktuellen Jahr wickelt das IFJ rund 2000 Firmengründungen ab, das sind 10 Prozent der relevanten Gründungen pro Jahr. Von den TOP 100 Schweizer Startups wurden 80 der 100 durch die Förderprogramme des IFJ begleitet und unterstützt. Neben dem schweizweiten Support für alle Branchen fördern wir mit der Schwester-Organisation Venturelab die besten Technologie und Innovation basierten Startups und finanzieren Spin-offs aus Schweizer Hochschulen. Ausserdem ttrainieren wir im Auftrag von Innosuisse in den Bereichen ICT, Advanced Engineering, Medtech und Biotech.
Wie hat sich der Wert rund um Digital-Startups entwickelt? Und seit welchem Zeitraum sind sie wirklich ein Thema geworden?
Als etablierteste Plattform in der Startup-Szene verfolgen wir dies natürlich hautnah. Der Anteil an digitalen Startups hat in den letzten Jahren stark zugenommen. Nicht nur «rein» digitale Startups haben zugenommen, sondern in sehr vielen neuen Firmen wurde der Anteil an digitalen Komponenten im Unternehmen siginifikant grösser.
Haben Sie selbst als Unternehmen Ihr Know-how in diesem Bereich ausgebaut aufgrund der Nachfrage, beispielsweise durch spezialisiertes Personal?
Die Förderprogramme werden laufend der Nachfrage angepasst. Gerade das neue Trainingsprogramm Innosuisse für ICT-Startups erfreut sich enormer Nachfrage. Im IFJ engagieren wir für Trainings, Referate und Coachings meist externe Spezialisten. So sind unsere Angebote aktuell, die Inhalte professionell.
Welche Themen, Angebote und Dienstleistungen rund um IT und Digitalisierung rufen besonders viele Gründer auf den Plan?
Das sind Applications, VR, Big Data, Blockchain, Health, Ecommerce, IoT, AI, SaaS, Wearables. Smart City, Smart Home, Agritech und weitere. Auch in den Hightech-Bereichen Medtech und Biotech sind Software-Komponente absoult zentral und eng mit den Entwicklungen verschmolzen.
Sind viele der Konzepte, die Ihnen vorgestellt werden, zukunftsfähig? Oder ruft die Digitalisierung auch wenig chancenreiche Ideen hervor, beispielsweise Trittbrettfahrer?
Uns als Startup-Förderer werden je nach Unterstützung oder Förderprogramm relativ viele ausgereifte Ideen vorgestellt. Die meisten Ideenträger kommen kurz vor der Firmengründung zu uns. Da profitieren die Gründer am meisten von unseren Aktivitäten. Grundsätzlich gilt: Je früher und je intensiver Ideenträger/innen ihre Ideen mit anderen Personen teilen, desto mehr Feedback bekommen sie und können die Inputs in die Entwicklung und ins Geschäftsmodell einfliessen lassen.
Auf die Ostschweiz bezogen: Können Sie aus Ihrer Arbeit heraus einschätzen, ob die Digitalisierung in der Region angekommen ist oder nicht?
Die Ostschweiz strengt sich mit Initiativen wie «IT St.Gallen rockt» seit längerem an, auf der Landkarte mit digitalen Startups zu punkten. Obwohl in der Region Firmen wie Namics, LC Systems oder Abacus beheimatet sind, ist es schwierig, Erfolg versprechende ICT-Startups in die Ostschweiz zu locken. Unternehmensdemographisch gesehen siedelt sich ein grosser Anteil der Schweizer Top-Startups in den Kantonen Zürich und Waadt rund um die technischen Hochschulen an. Aus meiner Sicht als gebürtiger St. Galler ist es wie beim Metzger: Es darf etwas mehr sein.
Wenn Sie einige allgemeine Tipps für potenzielle Gründer im Bereich der Digitalisierung geben könnten, wie lauten diese?
Sprich über deine Idee – verbessere deine eigen sozialen Fähigkeiten, hol viel Feedback ein, kreiere Neues in und rund um deine neue Firma. Werde zu einem «Category Creator» - entwickle ein sehr gutes Produkt für einen grossen Markt und verändere damit Bestehendes komplett. Frag den Kassier oder die Taxifahrerin – sei sicher, dass deine Kunden dein Produkt wollen, fordere Feedback. Du musst verstehen, was im aktuellen Markt schiefläuft, bevor du in diesem Markt erfolgreich sein kannst. Vorbereitung ist enorm wichtig – wenn du einen ambitiösen Startup aufbauen willst, wirst du Investoren an Bord holen. Für diese Kontakte und Treffen musst du dich grandios vorbereiten. Die Szene ist hoch professionell, vernetzt, und es geht um viel Geld. Wie hoch ist deine «Unit Economics» - Geschäftsmodell sind dazu da, Geld zu verdienen. Du musst dir im Klaren sein, wie viel Geld du pro verkauftes Produkt wirklich verdienst. Dies ist auch eine der zentrale Fragen in Kontakten mit Investoren. Ehrlichkeit währt am längsten – Investoren sehen weit mehr als 1000 Businesspläne jedes Jahr. Gehe offen mit den Schwächen um, sei bodenständig, sei ehrlich und punkte mit Offenheit. Vorleistungen und Vertrauen – nur wer anderen hilft, dem wird auch geholfen. Bringe dich in Communities oder bei anderen Startups ein, schaffe Transparenz und teile Kontakte. Achtung Komplexität – alles wird noch komplizierter und vernetzter (KI, VR, IoT). Startups von morgen werden noch technischer und komplexer. Dies bringt aber auch enormes Potenzial.
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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