Renage, Absender und Chef des Stammes der Onega, erwartet mich zum Besuch eines urzeitlichen Initiationsrituales: Zwei Männern wird ein Krokodilmuster auf den Rücken geschnitten. Ohne Narkose.

Nach meiner Ankunft in der Hauptstadt Port Moresby führt meine Reise über zwei lange Tage und Nächte per Buschflugzeug und Kanu tief hinein in das riesige Sepikbecken, in eines der grössten Biotope unseres Planeten. Mächtige Stille, flirrende Hitze bei Tag und ein funkelnder Sternenhimmel liegen nachts über weitem, üppigem Grün. Von irgendwoher trägt der Wind Stimmen über zeitloses Land: helles Kinderlachen, befehlende Frauen, kreischende Vögel. Da und dort gleiten Kanus durch glitzerndes Schwemmland, von urzeitlichen Siedlungen durchsetzt.

Die Initiation findet im Häuptlingshaus statt – in flackerndem Feuerschein ein Szenario von archaischer Wucht: Menschen, unzählig, von ganz jung bis uralt, meist als Vögel maskiert und bemalt tanzend und singend seit Tagen und Nächten, kollektiv in Trance weit weg im Universum ihrer verstorbenen Ahnen. Schreie, Lachen, Geplauder und der Geruch von Schweiss hängen in schwerer, rauchiger Luft. In der Hausmitte liegen auf frischen Bananenblättern zwei junge Männer mit geschlossenen Augen. Schnitt für Schnitt ertragen sie regungslos das Aufschneiden ihrer Haut:

ca. 1 Zentimeter lang, 0,5 Millimeter tief. Über hundert Schnitte dürften es sein. Blut wird mit Wasser abgetupft. Später wird der Rücken mit einer Mischung aus Lehm, Harz und Kräutern abgedeckt. Infektionen werden kaum auftreten. Es wird sich eine Vernarbung bilden, einem Krokodilmuster gleich.

«Mit dieser Prüfung gehören sie zu uns. Sie haben gelernt stark zu sein und Schmerz auszuhalten. Mit dem Tattoo besitzen sie zudem fortan die ganze Macht der Krokodile. Sie gehören zu unseren Ahnen mit all ihrer Intelligenz und Kraft». Renage will mir erklären, was sich nicht erklären lässt.