Geld, das man ohne Gegenleistung erhält, macht träge. Nicht nur der Aufschwung, auch der Stillstand beginnt im Kopf.
Dies gelesen: «OECD-Steuerreform: Millionen für Zug, Almosen für die Ostschweiz» (Quelle: Kommentar Stefan Schmid, www.tagblatt.ch, 15.5.2023)
Das gedacht: Im Jahre 1950 waren im Handelsregister des landwirtschaftlich geprägten Kantons Zug 1000 Firmen registriert. Heute sind es 37'000. Zug hat sich von einem armen zum reichsten Kanton der Schweiz entwickelt. Diese Erfolgsgeschichte hat viel mit der Nähe zum Grossraum Zürich zu tun. Nicht weniger entscheidend war und ist jedoch die erfolgreiche Wirtschafts- und Standortpolitik. Dazu gehören tiefe Steuern für Unternehmen.
Diese tiefen Steuern müssen auf Druck der OECD angepasst werden. Grosse, internationale Unternehmensgruppen mit einem jährlichen Umsatz von mindestens 750 Millionen Euro müssen neu eine Mindeststeuer von 15% des Ertrages abliefern. Dies führt zu Mehreinnahmen. Entsprechend der Vorlage, über die wir am 18. Juni abstimmen, stehen drei Viertel dieser zusätzlichen Steuereinnahmen jenen Kanton zu, in denen grosse Unternehmen bisher tiefer besteuert wurden. Damit können die Einnahmen gezielt dort eingesetzt werden, wo die Steuererhöhung zu einem Verlust an Standortattraktivität führen. Ein Viertel der zusätzlichen Steuergelder geht an den Bund. Von diesen Einnahmen fliesst ein Teil in den nationalen Finanzausgleich
Mit diesem Verteiler sind die SP und die Gewerkschaften nicht einverstanden. Sie sind der Überzeugung, dass die zusätzlichen kantonalen Steuereinnahmen zur Hälfte umverteilt werden sollten. Beispielsweise für Kitas, Prämienverbilligungen, einen Teuerungsausgleich bei der AHV oder Finanzhilfen zu Gunsten von Entwicklungsländern.
Stärker als vorgeschlagen sollen zudem die wirtschaftlich schwachen Kantone profitieren. In dieses Horn bläst auch Stefan Schmid, Chefredaktor des Tagblatts. Er erhofft sich von einem Nein zur OECD-Steuer zusätzliche Subventionsmillionen für die Ostschweizer Kantone. Dabei geht vergessen, dass beispielsweise der Kanton St.Gallen bereits heute jedes Jahr zwischen 300 und 400 Millionen Franken aus dem Finanzausgleich erhält. Dazu kamen in der Vergangenheit immer wieder zwei- und dreistellige Millionenbeträge von den Gewinnausschüttungen der Nationalbank. Wir leben vom Geld, das andere verdienen. Wir leben über unsere Verhältnisse.
Der Zufall will es, dass gleichzeitig mit dem Kommentar von Stefan Schmid das Tagblatt über die Feier zum 125-Jahr-Jubiläum der Universität St.Gallen berichtete. Als in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts der Bund die Gründung einer eidgenössischen Handelsakademie ablehnte, gründete man in der Stadt St.Gallen kurzerhand die eigene Handelsakademie. Das erste Unterrichtssemester startete mit sieben Studenten und 58 Hörern. Heute sind knapp 10'000 Studierende an der Universität St.Gallen eingeschrieben. Die HSG ist ein entscheidender regionaler Wirtschaftsfaktor und der internationale Leuchtturm der Ostschweiz.
Als eigentlicher Gründer der Handelsakademie gilt Regierungsrat Theodor Curti, der vor seiner politischen Karriere unter anderem Chefredaktor der liberalen «St.Galler Zeitung» war. Im Gegensatz zu seinem indirekten Nachfolger machte er nicht die hohle Hand, sondern setzte auf Eigeninitiative und unternehmerisches Handeln. Eine Haltung, die sich heute in Zug, nicht aber in der Politik des Kantons St.Gallen wiederfindet.
Geld, das man ohne Gegenleistung erhält, macht träge. Dies zeigt beispielhaft die Ablehnung des Sonderkredits für die Arealentwicklung «Wil West» durch das St.Galler Stimmvolk. Die Ostschweiz braucht nicht weitere Subventionsmillionen, sondern mehr Unternehmergeist und den Mut zur Veränderung. Nicht nur der Aufschwung, auch der Stillstand beginnt im Kopf.
Die mit der Einführung der OECD-Steuer anfallenden zusätzlichen Steuereinnahmen gehören denjenigen Kantonen, in denen sie verdient werden und die diese Gelder in die wirtschaftliche Entwicklung investieren. Im Interesse der Schweiz als global wettbewerbsfähiger Wirtschaftsstandort. Und damit auch im Interesse der Ostschweiz.
Kurt Weigelt, geboren 1955 in St. Gallen, studierte Rechtswissenschaften an der Universität Bern. Seine Dissertation verfasste er zu den Möglichkeiten einer staatlichen Parteienfinanzierung. Einzelhandels-Unternehmer und von 2007 bis 2018 Direktor der IHK St.Gallen-Appenzell. Für Kurt Weigelt ist die Forderung nach Entstaatlichung die Antwort auf die politischen Herausforderungen der digitalen Gesellschaft.
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