Was hat ein Olympiastadion in der Ostschweiz verloren? Und wie ticken wir Ostschweizer überhaupt? Das schräg-komische Kammer-Musical «Trainingslager» geht genau diesen Fragen auf die Spur.
«Wer nimmt sich die Mühe, einen Plan so minutiös auszuarbeiten – für eine Idee, die eigentlich gar nicht realisierbar ist?» - Diese Frage stellte sich Spielleiter Oliver Kühn, nachdem er die – man kann es so sagen – wahnwitzigen Pläne eines Olympiastadions betrachtete. Ein Olympiastadion, welches der Architekt Rudolf Pfaendler in den 1920er-Jahren in St.Gallen realisieren wollte. Dazu hätte man den Bernegg-Hügel gleich weggesprengt, und sogar ein Flugplatz wäre geplant gewesen. In wie weit diese Konstruktionen glaubhaft waren – darüber scheiden sich bis heute die Geister. Dennoch bildet die Geschichte die passende Ausgangslage für das Kammer-Musical «Trainingslager».
Die Ostschweizer wollen damit im Stück allen zeigen, was in ihnen steckt. Und die vier «Archetypen» aus den Kantonen St.Gallen, Thurgau, Inner- und Ausserrhoden treffen zusammen. Bald werden die typischen Mentalitätsunterschiede jedoch verdeutlicht. Für Kühne, der in der Ostschweiz aufgewachsen ist, eine Herausforderung. «Wir wollten einerseits nicht in die typischen Klischees verfallen. Andererseits haben sich auch einige davon bestätigt – beispielsweise der Unterschied zwischen Stadt und Land», fasst er es zusammen.
Dennoch wollte man nicht einfach bloss die Botschaft rüberbringen: «Die Ostschweizer sind so. Punkt.» Denn dann wäre einerseits das Theater in fünf Minuten fertig erzählt gewesen. Was natürlich blöd wäre. «Die Geschichte soll sich vielmehr wie ein gutes Buch erzählen. Das Wichtigste soll unausgesprochen bleiben», so Kühne weiter. Durch «Trainingslager» sei ihm bewusst vor Augen geführt worden, in wie weit sich ein «Innerrhödler» vom «Ausserrhödler» unterscheiden könne, und ein Einwohner der Stadt St.Gallen eben auch bloss ein «St.Galler» sei – wie jemand, der von Rapperswil komme. Irgendwie seien wir Ostschweizer eben «Volksgruppen».
Aber wie ticken wir denn nun? Das können Interessierte ab dem 20. November selber herausfinden. Da es sich beim Stück «Trainingslager» ohnehin um ein Kammer-Musical handelt, findet es im kleinen Rahmen statt. «Gerade jetzt in der Corona-Zeit haben wir damit natürlich einen Glückstreffer gelandet», so Kühne weiter. Dennoch müsse man um jeden Reservationsplatz kämpfen. Die Angst sei bei den Leuten spürbar. Aber auch, dass man nach einer langen Durststrecke wieder Lust auf Kunst habe. Kühne: «Wir lassen uns nicht ins Boxhorn jagen.» So ticken wir Ostschweizer eben.
Manuela Bruhin (*1984) ist Redaktorin von «Die Ostschweiz».
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