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Beate Uhse

Die Sex-Pionierin, die in St.Gallen verstorben ist

Sie ist heute vor 18 Jahren in St.Gallen gestorben und wäre in diesem Oktober 100 Jahre alt geworden: Beate Uhse, die Frau, die eine für ihre Zeit unübliche Karriere hinlegte und Namensgeberin einer bekannten Marke ist. 18 Jahre nach ihrem Tod ist das Erbe der Frau allerdings schwer angeschlagen.

Stefan Millius am 16. Juli 2019

Am 25. Oktober 1919 kam sie im damaligen Ostpreussen zur Welt, am 16. Juli 2001 verstarb sie in St.Gallen. Beate Uhse, deren Namen heute Sinnbild für Erotikartikel ist, die allerdings auch in vielen anderen Bereichen für Pionierleistung stand. Dass eine Frau ihrer Generation im Sexbusiness Furore macht und gleichzeitig zur allseits respektierten Persönlichkeit aufsteigt: Das ist ein Fall, der seinesgleichen sucht.

Gearbeitet hat die damals 82-Jährige bis kurz vor ihrem Tod. Und sie blickte zu diesem Zeitpunkt vor allem auf eine Errungenschaft zurück: Es war ihr gelungen, die als schmuddelige, düstere und unseriös geltende Erotikbranche salonfähig zu machen. Es war nicht ihre einzige ausserordentliche Leistung. Sie war in jungen Jahren als Kunstfliegerin und später mit der Luftwaffe unterwegs, als man Frauen im Allgemeinen das Cockpit nicht zutraute. Bereits nach dem Zweiten Weltkrieg gründete sie in Flensburg ihren ersten Sexshop - der Überlieferung nach den ersten der Welt.

Überhaupt würde ihr Leben Bücher füllen (und tut das zum Teil auch). Ein Ehemann, der im Krieg bei einer Flugzeugkollision starb. Sie selbst: Gefangen genommen von britischen Truppen, Kriegsgefangenschaft, dann die Freilassung, alleinerziehende Mutter. Dann erneute Heirat. Überstandener Magenkrebs. Und schliesslich mit stolzen 75 Jahren noch den Tauchschein absolviert. Sie starb an den Folgen einer Lungenentzündung in St.Gallen. Wieso genau hier, ist nicht überliefert. Beigesetzt wurde sie in ihrer deutschen Heimat.

Dass sie mit ihrem Namen dereinst einen veritablen Konzern führen würde, war ihr kaum bewusst, als sie ihren ersten Laden eröffnete. Ihr war es eine Mission, den Umgang mit der Sexualität zu normalisieren, den Spass an der Lust für alle zugänglich zu machen. Entsprechend liess sie sich auch nicht in Hinterhöfe setzen oder versuchte gar, ihre Shops zu «maskieren». Es war letztlich diese Offenheit, die das Erfolgsrezept brachte. Die Marke Beate Uhse brachte für das totgeschwiegene, aber hoch lukrative Geschäft eine neue Dimension. Der Versandhandel und später die Namensgebung eines Erotikkanals waren weitere Meilensteine.

Umso schöner, dass die Gründerin das bittere Ende - oder die Vorstufe dazu - nicht mehr erleben muss. Vor wenigen Tagen wurde bekannt, dass der Erotik-Konzern Beate Uhse bereits zum zweiten Mal in der Insolvenz steckt. Das ist der vorläufige Schlusspunkt zu einer langen Leidensgeschichte. Bereits früher hatte sich der Personalbestand massiv reduziert. In erster Linie dürfte es der wuchernde Onlinehandel sein, der dem immer noch stark auf den stationären Handel fokussierten Unternehmen den Rest gegeben hat.

Auch so ist es ein kleines Wunder, dass sich die Marke jahrzehntelang gehalten hat. Und vermutlich wird das bekannte Label «Beate Uhse» auch weiterhin Bestand haben, es ist der einzige echt verbliebene Wert. Dass die Gründerin damals keinen Kunstbegriff wählte, sondern mit ihrem eigenen Namen für das umstrittene Produkt stand, dürfte im Nachhinein ein Teil des Erfolgs gewesen sein. Das verlieh dem Ganzen die Seriosität und Transparenz, die der Rest der Branche vermissen liess.

In der Ostschweiz hat Beate Uhse indirekt weitere Spuren hinterlassen. Vor einigen Jahren wurde der in Steinach wohnhafte Unternehmer Richard Orthmann verhaftet. Es ging um Bestechung sowie um Beihilfe zur Veruntreuung. Orthmann, so der Vorwurf, soll mit einem Kredit über 45 Millionen Euro die Aktien des Beate-Uhse-Konzerns gestützt haben. Dort war er zuvor als Aufsichtsratsvorsitzender tätig gewesen - und das Unternehmen war schon damals in Schieflage.

Die Anklage wurde später fallen gelassen. Und Orthmann hatte die Untersuchungshaft genutzt und ein Buch geschrieben. Zu erzählen hatte er wohl genug, nicht zuletzt durch die Zeit mit Beate Uhse.

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Autor/in
Stefan Millius

Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.

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