logo

Gastkommentar

Die Stellenmeldepflicht braucht eine Reform

Daniel Wessner ist Leiter Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) des Kantons Thurgau und wird sich künftig als Gastautor zu Themen rund um wirtschaftliche Aspekte und den Arbeitsmarkt äussern. Den Auftakt macht er mit der Stellenmeldepflicht für Unternehmen. Er sieht diesbezüglich Reformbedarf.

Daniel Wessner am 15. Februar 2023

Auch nach bald fünf Jahren ist vielen nicht klar, was die Stellenmeldepflicht - kurz SMP - eigentlich bedeutet. Die SMP wurde als Umsetzung der vom Volk angenommenen Masseneinwanderungsinitiative und nach langen politischen Diskussionen am 1. Juli 2018 eingeführt. Die Idee hinter der Bundesratsverordnung ist, das inländische Arbeitskräftepotential besser zu nutzen und damit verbunden die Zuwanderung zu bremsen. Dabei war es von Anbeginn fraglich, ob damit tatsächlich die Zuwanderung gesteuert werden kann. Wenn man das Aufwand zu Nutzen-Verhältnis nüchtern betrachtet, wird ersichtlich, dass trotz grossem Engagement der durchschlagende Erfolg ausgeblieben ist. In vielen Branchen erleben wir trotz Krisen einen Arbeits- und Fachkräftemangel und 2022 sahen wir ein Rekordjahr, was die Zuwanderung betrifft - nicht nur von Personen mit Schutzstatus S.

Hoher Aufwand

Die SMP verpflichtet Unternehmen, ihre offenen Stellen vor einer offiziellen Ausschreibung zuerst dem Regionalen Arbeitsvermittlungszentrum (RAV) zu melden, sofern der betreffende Beruf gesamtschweizerisch eine Arbeitslosenquote von über fünf Prozent aufweist. Das Staatssekretariat für Wirtschaft (SECO) erstellt jährlich eine verbindliche Liste der meldepflichtigen Berufe. Mit der exklusiven Meldung der Vakanz beim RAV erhalten die Stellensuchenden einen fünftägigen Informationsvorsprung. In dieser Zeit beliefert der RAV-Arbeitgeberservice die Firmen mit Dossiers von passenden Bewerberinnen und Bewerbern. Im vergangenen Jahr bearbeitete der Arbeitgeberservice der drei RAV-Zentren im Thurgau - nebst anderer Dienstleistungen - 23'193 Stellenmeldungen. Nicht ganz schlüssig beantwortet werden kann die Frage, wieviel erfolgreiche Vermittlungen von Stellensuchenden tatsächlich auf die SMP zurückzuführen sind.

Überholte Datengrundlage

In der gegenwärtigen Arbeitsmarktsituation ist es für den Arbeitgeberservice des RAV bei gewissen Berufen schwierig, relevante und passende Dossiers zusammenzustellen. Dennoch muss die Stellenmeldung bearbeitet werden. Daraus wird ersichtlich: Der Arbeitsmarkt entwickelt sich dynamischer als die Datengrundlage. Das führt dazu, dass gewisse Stellen gesamtschweizerisch meldepflichtig sind, obwohl in diesen Branchen inzwischen ein Mangel an Arbeitskräften herrscht. Zudem gab es im Thurgau – und auch in anderen Kantonen - meldepflichtige Berufe, die bei uns unter der Arbeitslosenquote von fünf Prozent lagen, die aber aufgrund des schweizerischen Durchschnitts auch bei uns meldepflichtig waren.

Reformbedarf offensichtlich

Damit die Akzeptanz der Stellenmeldepflicht nicht weiter leidet und die Kosten für Staat und Wirtschaft nicht weiter steigen, braucht es Reformen. Zu denken ist dabei an eine quartalsweise Aktualisierung der Datengrundlage oder die Erhöhung des Schwellenwertes von aktuell fünf Prozent. Eine Abschaffung der SMP und der damit verbundenen Bürokratie scheint nicht realistisch. Damit würde die von der Politik gewählte Umsetzung der Masseneinwanderungsinitiative unterlaufen.

Positive Aspekte

Bei aller Kritik ist aber auch festzuhalten, dass es durchaus positive Erfahrungen gibt mit der SMP. Einerseits ist der Arbeitsmarkt deutlich transparenter geworden, andererseits verbesserte sich die Zusammenarbeit zwischen den RAV und den Unternehmen spürbar. Die Dienstleistungen unseres Arbeitgeberservice und die sorgfältige Zusammenstellung der Bewerbungs-Dossiers werden ausserordentlich geschätzt. Wie die SECO-Zahlen belegen, nutzen mittlerweile sehr viele Unternehmen die kostenfreie Stellenvermittlung auch bei nicht meldepflichtigen Stellen. Das sind im Thurgau immerhin mehr als 15 Prozent aller gemeldeten Stellen.

Einige Highlights

Uzwilerin mit begrenzter Lebenserwartung

Das Schicksal von Beatrice Weiss: «Ohne Selbstschutz kann die Menschheit richtig grässlich sein»

am 11. Mär 2024
Im Gespräch mit Martina Hingis

«…und das als Frau. Und man verdient auch noch Geld damit»

am 19. Jun 2022
Das grosse Gespräch

Bauernpräsident Ritter: «Es gibt sicher auch schöne Journalisten»

am 15. Jun 2024
Eine Analyse zur aktuellen Lage

Die Schweiz am Abgrund? Wie steigende Fixkosten das Haushaltbudget durcheinanderwirbeln

am 04. Apr 2024
DG: DG: Politik

«Die» Wirtschaft gibt es nicht

am 03. Sep 2024
Gastkommentar

Kein Asyl- und Bleiberecht für Kriminelle: Null-Toleranz-Strategie zur Sicherheit der Schweiz

am 18. Jul 2024
Gastkommentar

Falsche Berechnungen zu den AHV-Finanzen: Soll die Abstimmung zum Frauenrentenalter wiederholt werden?

am 15. Aug 2024
Gastkommentar

Grenze schützen – illegale Migration verhindern

am 17. Jul 2024
Sensibilisierung ja, aber…

Nach Entführungsversuchen in der Ostschweiz: Wie Facebook und Eltern die Polizeiarbeit erschweren können

am 05. Jul 2024
Pitbull vs. Malteser

Nach dem tödlichen Übergriff auf einen Pitbull in St.Gallen: Welche Folgen hat die Selbstjustiz?

am 26. Jun 2024
Politik mit Tarnkappe

Sie wollen die angebliche Unterwanderung der Gesellschaft in der Ostschweiz verhindern

am 24. Jun 2024
Paralympische Spiele in Paris Ende August

Para-Rollstuhlfahrerin Catherine Debrunner sagt: «Für ein reiches Land hinkt die Schweiz in vielen Bereichen noch weit hinterher»

am 24. Jun 2024
Politik extrem

Paradox: Mit Gewaltrhetorik für eine humanere Gesellschaft

am 10. Jun 2024
Das grosse Bundesratsinterview zur Schuldenbremse

«Rechtswidrig und teuer»: Bundesrätin Karin Keller-Sutter warnt Parlament vor Verfassungsbruch

am 27. Mai 2024
Eindrucksvolle Ausbildung

Der Gossauer Nicola Damann würde als Gardist für den Papst sein Leben riskieren: «Unser Heiliger Vater schätzt unsere Arbeit sehr»

am 24. Mai 2024
Zahlen am Beispiel Thurgau

Asylchaos im Durchschnittskanton

am 29. Apr 2024
Interview mit dem St.Galler SP-Regierungsrat

Fredy Fässler: «Ja, ich trage einige Geheimnisse mit mir herum»

am 01. Mai 2024
Nach frühem Rücktritt: Wird man zur «lame duck»?

Exklusivinterview mit Regierungsrat Kölliker: «Der Krebs hat mir aufgezeigt, dass die Situation nicht gesund ist»

am 29. Feb 2024
Die Säntis-Vermarktung

Jakob Gülünay: Weshalb die Ostschweiz mehr zusammenarbeiten sollte und ob dereinst Massen von Chinesen auf dem Säntis sind

am 20. Apr 2024
Neues Buch «Nichts gegen eine Million»

Die Ostschweizerin ist einem perfiden Online-Betrug zum Opfer gefallen – und verlor dabei fast eine Million Franken

am 08. Apr 2024
Gastkommentar

Weltweite Zunahme der Christenverfolgung

am 29. Mär 2024
Aktionswoche bis 17. März

Michel Sutter war abhängig und kriminell: «Ich wollte ein netter Einbrecher sein und klaute nie aus Privathäusern»

am 12. Mär 2024
Teuerung und Armut

Familienvater in Geldnot: «Wir können einige Tage fasten, doch die Angst vor offenen Rechnungen ist am schlimmsten»

am 24. Feb 2024
Naomi Eigenmann

Sexueller Missbrauch: Wie diese Rheintalerin ihr Erlebtes verarbeitet und anderen Opfern helfen will

am 02. Dez 2023
Best of 2023 | Meine Person des Jahres

Die heilige Franziska?

am 26. Dez 2023
Treffen mit Publizist Konrad Hummler

«Das Verschwinden des ‘Nebelspalters’ wäre für einige Journalisten das Schönste, was passieren könnte»

am 14. Sep 2023
Neurofeedback-Therapeutin Anja Hussong

«Eine Hirnhälfte in den Händen zu halten, ist ein sehr besonderes Gefühl»

am 03. Nov 2023
Die 20-jährige Alina Granwehr

Die Spitze im Visier - Wird diese Tennisspielerin dereinst so erfolgreich wie Martina Hingis?

am 05. Okt 2023
Podcast mit Stephanie Stadelmann

«Es ging lange, bis ich das Lachen wieder gefunden habe»

am 22. Dez 2022
Playboy-Model Salomé Lüthy

«Mein Freund steht zu 100% hinter mir»

am 09. Nov 2022
Neue Formen des Zusammenlebens

Architektin Regula Geisser: «Der Mensch wäre eigentlich für Mehrfamilienhäuser geschaffen»

am 01. Jan 2024
Podcast mit Marco Schwinger

Der Kampf zurück ins Leben

am 14. Nov 2022
Hanspeter Krüsi im Podcast

«In meinem Beruf gibt es leider nicht viele freudige Ereignisse»

am 12. Okt 2022
Stölzle /  Brányik
Autor/in
Daniel Wessner

Daniel Wessner ist lic. iur. HSG und Rechtsanwalt. Er leitet seit 2016 das Thurgauer Amt für Wirtschaft und Arbeit (AWA) mit rund 200 Mitarbeitenden als kundenorientiertes Dienstleistungszentrum für die Wirtschaft, die Unternehmen und die Stellensuchenden. Er engagiert sich im Vorstand der Schweizerischen Arbeitsmarktbehören VSAA, in der Eidgenössischen Arbeitskommission EAK sowie in zahlreichen weiteren nationalen, kantonalen und grenzüberschreitenden Gremien. Vor seiner Tätigkeit im Kanton Thurgau war er in leitenden Funktionen in der Finanzbranche und in der Unternehmensberatung in Zürich tätig.

Hier klicken, um die Mobile App von «Die Ostschweiz» zu installieren.