Ein Wirtschaftsredaktor der «Tagesschau» bei SRF wechselt in die Bundesverwaltung. Es ist eine Personalie, die kaum schlafende Hunde weckt. Denn sie ist mittlerweile der ganz normale Mechanismus zwischen SRG und dem Bund. Es geschieht immer und immer wieder. Und das will etwas heissen.
Man gönnt es ihm ja durchaus. Nach Jahren als Korrespondent in Washington, einer Berufung, die er turnusgemäss ohnehin bald mal hätte aufgeben müssen, verlässt SRF-Redaktor Peter Düggeli seinen Posten. Aber nicht, um in ein anderes Land zu wechseln oder die Heimbasis im Leutschenbach zu verstärken. Nein, er geht zur Bundesverwaltung, konkret ins Departement für auswärtige Anlegenheiten von Bundesrat Ignazio Cassis. Dort wird er nicht subaltern wirken, sondern landet direkt zuoberst in Sachen Kommunikation.
Ein Karriereschritt, für den nun wirklich jeder Verständnis haben muss. Mit hoher Wahrscheinlichkeit winkt in Bern mehr Geld bei weniger Arbeit und ungleich grösserer Jobsicherheit. Man kann dem werten Herrn Düggeli wirklich keinen Vorwurf machen, dass er schwach wird beim Angebot, zu Väterchen Staat zu wechseln. Man muss ja auch frühzeitig an seine Pensionskasse denken.
Die Frage ist eher, warum er das Angebot überhaupt erhalten hat. Und wieso sehr viele vor ihm den Schritt von der SRG in die Bundesverwaltung oder gleich als rechte Hand eines Bundesrats gemacht haben.
Die Fälle der letzten Jahre aufzuzählen, in denen das so war, würde den Rahmen sprengen. Es scheint jedenfalls eine direkte Linie zu geben. Fernab von der öffentlichen Wahrnehmung gibt es offenbar eine inoffizielle Jobbörse, bei welcher die Bundesverwaltung sucht und die SRG liefert.
Aber werfen wir dennoch als kleinen Beleg einen konkreten Blick auf das, was passiert ist. Peter Düggeli wird Kommunikationschef des Eidgenössischen Departements für auswärtige Angelegenheiten EDA von Bundesrat Ignazio Cassis. War das eine Stelle, für die man monatelang verzweifelt die Idealbesetzung gesucht hat? Nicht wirklich. Denn Düggeli übernimmt einen Posten, der erst vor kurzem frei wurde. Der bisherige Kommunikationschef von Bundesrat Cassis hat Ende Januar angekündigt, aufzuhören. Einen Monat später steht die Nachfolge fest. Jeder Headhunter, der etwas auf sich hält, reibt sich da die Augen. Das muss ja ein Glücksgriff gewesen sein!
Wie wir alle wissen, ist die SRG zwar auf Gedeih und Verderben der Bundespolitik ausgeliefert, was ihre finanzielle Zukunft angeht. Und dennoch, das teilt man uns unablässig mit, sind die SRG und ihre inzwischen sehr vielen Verbreitungskanäle völlig unabhängig von Bundesbern. Sogar hyperkritisch, eine ganz andere Welt.
Die SRG als Hort der Unabhängigkeit? Das darf man gern glauben. Vorausgesetzt, man glaubt auch, dass der Papst reformiert ist.
Die Wirklichkeit: So schnell geht es nur, wenn es eine Vorgeschichte gibt. Mit dem EDA, das ist anzunehmen, hatte Düggeli als Auslandkorrespondent von SRF immer mal wieder zu tun. Er scheint dabei einen guten Eindruck gemacht zu haben. Gut im Sinn von: Düggeli hat niemanden erzürnt beim EDA. Er hat nichts verbreitet als Journalist, was Cassis und Co. verärgert hat. Ansonsten würde man ihn kaum in den eigenen Reihen haben wollen.
Das heisst, dass der SRF-Mann in Washington als Bilanz am Ende seiner Amtszeit vorweisen kann: Der Aussenminister der Schweiz findet ihn toll. Das ist menschlich sehr erfreulich, stand aber vermutlich nicht als Bedingung im Jobprofil, als er Auslandkorrespondent wurde. Aber es hat sich eben so ergeben.
Wie übrigens in sehr vielen Fällen vor ihm. Geht es um Spitzenposten in den Kommunikationsabteilungen des Bundesrats und der Bundesverwaltung, dann braucht es offenbar keinen Headhunter. Es reicht, wenn man TV schaut oder Radio hört. Da kriegt man schnell mit, wer geeignet ist. Wer so richtig nett ist.
Denn Düggeli ist längst nicht der einzige, der die Plattform SRG genutzt hat für eine sichere Pension nach beschaulichen Arbeitsjahren. Ein einziges weiteres Beispiel von vielen sei hier erwähnt. Neben Cassis fand auch jemand anders, nur ein SRF-Mann könne ihr eine echte Hilfe sein. Seine Amtskollegin Karin Keller-Sutter setzte auch auf diese wahrenBrutstätte von Talenten. Sie holte Christoph Nufer als Kommunikationschef in ihr Justiz- und Polizeidepartement. Der war bis dahin, bitte festhalten, Leiter der Bundeshausredaktion des Schweizer Fernsehens. Also dem Organ, das vor allem eines machen müsste: Karin Keller-Sutter und ihre Gschpänli im Bundesrat so richtig zum Schwitzen bringen. Mit gnadenloser Durchleuchtung. Stattdessen war seine Arbeit für die natürlich völlig unabhängige SRG offenbar eine Art goldene Visitenkarte für einen Jobwechsel. Der Gebührenzahler klatscht. Wollen wir nicht alle jedes Jahr Geld abliefern, damit es die SRG und der Bundesrat so richtig kuschlig haben?
In aller Offenheit: Jemand, der seinen Beruf als Journalist ernst nimmt, müsste sich eigentlich permanent völig unmöglich machen in Bundesbern. Lästig wie eine Schmeissfliege, mühsam wie Pickel, aufsässig wie ein pubertierender Teenager. Denn das ist ja die Aufgabe unabhängiger Medien.
Man muss sie nicht mögen im Bundesrat. Man darf nicht einmal. Man muss förmlich erstarren bei ihrem Namen. Wenn nicht, haben diese Medien und ihre Vertreter ihren Job nicht richtig erledigt.
Was sagt es also aus, wenn SRF-Leute bei der Suche nach einer neuen Herausforderung so überdurchschnittlich oft beim Bund landen? Und zwar nicht, weil sie verzweifelt gegen die Tür rennen, sondern weil diese Tür für sie weit offen ist? Es besagt, dass sich der natürliche Freund und Feind in Wahrheit sehr nahe sind. Und daran kann man bemessen, wie ernst wir die Berichterstattung auf den SRG-Kanälen über die Bundespolitik ernst nehmen sollten.
Was das alles mit der aktuellen Situation zu tun hat? Wenn man gnädig ist: Gar nichts. Wenn man realistisch ist: Sehr vieles. In der grössten Krise der aktuellen Geschichte des Landes findet der Bundesrat, dass er mit Leuten der SRG am besten fährt. Darf man vermuten, dass diese Leute schon während ihrer journalistischen Laufbahn wenig Ehrgeiz hatten, der Landesregierung an den Karren zu fahren? Dass sie gerade in der Coronakrise besonders lammfromm waren?
Und natürlich stellt sich die Frage, warum die beiden gewählten Beispiele ausgerechnet die FDP-Bundesräte betreffen. Wären das nicht die, die sich durch mehr Staatsferne auszeichnen müssten – und damit fernab von der SRG bewegen? Theoretisch. Aber halten wir uns vor Augen:
Die FDP stand auch schon stärker da als derzeit. Ihr zweiter Bundesratssitz wackelt. Gesetzt den Fall, einer von beiden muss gehen, wäre es da nicht praktisch, wenn man ein führendes Medium der Schweiz hinter sich weiss? Zum Beispiel die SRG in Form eines früheren Spitzenmanns?
Aber wir können ja die Probe aufs Exempel machen. Stimmt die These oder ist alles nur ein grosser Zufall? Wir sehen es, wenn ein Jobangebot eines Bundesrats bei Autoren von «Die Ostschweiz» eingehen. Wir sind dann mal unten beim Briefkasten und warten…
Stefan Millius (*1972) ist freischaffender Journalist.
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