Die Schuldenberge in Europa nehmen zu – und zwar in einem gigantischen Ausmass. Seit Lehman Brothers – Waldmeyer hatte nur einen Monat zuvor, im August 2008, seinen ersten Porsche Cayenne (schwarz, innen auch) gekauft – hatte sich die Euro-Geldmenge sage und schreibe versiebenfacht.
Grund genug für Waldmeyer, sich eine neue Geldstrategie zurechtzulegen.
Waldmeyer beobachtete das bunte Treiben an den Geldmärkten schon länger: Die italienische Schuldenquote beispielsweise stieg 2021 auf rund 160% des BIPs, die Spaniens auf 125%, Griechenland liegt schon seit 2020 klar über der 200er-Marke. Irgendwie und irgendwo wurde offenbar Rettungspolitik mit Konjunkturpolitik vermischt. Und mittels Notenpresse werden künstliche Einkommen erzeugt, Bürger und Firmen profitieren und erhalten Geld.
Waldmeyer, als ehemaliger Unternehmer soweit in Betriebswirtschaft gestählt, fühlte sich plötzlich, zumindest was Volkswirtschaften betraf, hilflos und leer. Das europäische Perpetuum mobile war einfach ein Rätsel: Die Schuldenexplosion bleibt nämlich ohne Folgen – es geht einfach weiter.
Italien erhält nun aus dem Corona Hilfsfonds über 200 Milliarden Euro. Mario Draghi, dem ex EZB-Chef und wundersamen Geldvermehrer, bleibt es vergönnt, diesen Batzen zu verteilen. Natürlich eine schöne Aufgabe.
Bereits flossen drei Milliarden als frische Kapitalisierung in die neue Alitalia ITA ein - 12 Milliarden hat die seit Jahren marode Airline den italienischen Staat bereits früher gekostet.
12 Milliarden! Das entspräche, nur so zum Vergleich, rund 100’000 neuen, gut ausgestatteten Porsche Cayenne – was einer Wagenkolonne von Meisterschwanden bis nach San Gimignano gleichkäme. Schön viel, nur für eine Airline, zumal man mit den 100‘000 Porsches eine halbe Million Italiener transportieren könnte. Das Sümmchen von 12 Milliarden entspricht auch dem zehnjährigen BIP des Kantons Appenzell Innerrhoden (was Waldmeyer wiederum weniger schockierte, zumal der Minikanton über keinen Flughafen verfügt). Trotzdem: Die Kosten für solche Airlines scheinen gigantisch zu sein. Waldmeyer fragte sich, wann wohl die Swiss das nächste Mal wieder Zuschüsse einfordern wird.
Aber zurück zum Bel Paese: Der italienische Staat übernimmt zurzeit weitere grosse Konzerne, so beispielsweise den maroden Stahlkonzern AM, mithin der grösste europäische Stahlkocher. An allen Ecken und Enden wird also verstaatlicht.
Auch bei Renault in Frankreich sitzt der Staat als Copilot in den mit viel Plastik bewehrten und schwer verkäuflichen Fahrzeugen. Nicht systemrelevante Firmen schlüpfen vermehrt, elegant getarnt mit Pandemie- oder sonstigen Notkrediten, unter staatliche Schutzschirme. Ursula von der Leyen, Präsidentin der Europäischen Kommission, wird dabei von Madame Lagarde sekundiert, der Chefin der Europäischen Zentralbank EZB (sehr spendabel, wie der Vorgänger Draghi). Die Damen zeigen sich sehr grosszügig und verteilen Billionen. Richtig: echte Billionen, nicht nur die angelsächsischen mageren „billions“. Die beiden Damen hatten früher schon das stillschweigende Plazet von Mutti Merkel genossen, heute hilft der hochgemerkelte Scholz weiter, indem er nichts sagt und nichts tut. Auch Macron sieht das ganz gerne, verzeichnet die Grande Nation doch ebenso Rekorddefizite und weist mit bald drei Billionen Euro notabene die absolut höchste Verschuldung in der Eurozone auf. Dieses Quartett aus Nicht-Ökonomen scheint hier ein ganz toxisches Süppchen zu kochen.
Ja, da geschieht so einiges, immer noch unter dem Deckmäntelchen von Corona. Allerdings bezahlen vor allem die Deutschen die Rechnung, plus die Holländer und die Skandinavier. Die Briten haben sich bekanntlich abgeseilt und beschäftigen sich nun lieber mit sich selbst.
Banken, Medienkonzerne, Werften, Energieunternehmen, Börsen, Fluggesellschaften: Viele Firmen und Konstrukte in Europa sind nicht mehr überlebensfähig. Und so werden diese Zombie-Konzerne verstaatlicht oder im besten Fall durchgefüttert. Allerdings torkeln auch im Privatbereich viele Zombie-Firmen durch die Wirtschaftswelt. Aber Banken statten sie einfach mit billigem Geld aus, welches sie gratis von ihren Zentralbanken erhalten. Letztere kaufen auch schon mal, mittels eigens geschaffenen Geldes, diverse Werte direkt an der Börse zusammen. Und wie wir wissen, kauft die EZB fast unbegrenzt Staatsanleihen ihrer klammen Länder auf; vor allem die de facto wertlosen Papiere Italiens wiegen derzeit etwas schwer in diesen illustren Portefeuilles der Zentralbanken.
La Cage aux Folles, besetzt mit den verantwortlichen Staatsdienern der Finanzwelt? Max Waldmeyer versuchte, dieses absurde Gebaren zusammenzufassen: Es wird also schier unbegrenzt Geld gedruckt und anschliessend gratis oder nahezu mit Nullzinsen in marode Wirtschaftszweige gepumpt.
Waldmeyer überlegte in der Folge, ob er nun ebenso umdenken und (beispielsweise nur) die Hotelbuchung in der Toscana stornieren sollte? Alternativ könnte er das Hotel nämlich einfach kaufen. Geld kostet ja nichts. In Dänemark wurden jüngst Hypotheken mit negativen Zinsen vergeben. Vielleicht liesse sich auch in Italien eine Bank finden, welche, auch nur beispielsweise, dieses hübsche Hotel Castello Rosato finanzieren würde, mit einer Hypothek von -0.25%. Waldmeyer hätte also ein regelmässiges Zusatzeinkommen - und dies aus einer Schuld! Plus das Castello natürlich.
Man könnte noch ein bisschen grosszügiger denken. Think big, mit einer gewissen römischen Grandezza eben: „Charlotte, vielleicht sollten wir ganz Italien kaufen!“, seufzte Waldmeyer vor sich hin.
Charlotte antworte, wie sie immer antwortete in solchen Fällen: nämlich gar nicht.
Roland V. Weber (*1957) verbrachte einige Zeit seines Lebens mit ausgedehnten Reisen. Aufgewachsen in der Schweiz, studierte er Betriebswirtschaft in St. Gallen und bekleidete erst verschiedene Führungspositionen, bevor er unabhängiger Unternehmensberater und Unternehmer wurde. Er lebt in den Emiraten, in Spanien und in der Schweiz. Seit Jahren beobachtet er alle Länder der Welt, deren Wirtschaft, Politik und Gesellschaft. Er bezeichnet sich selbst als «sesshafter digitaler Nomade», als News Junkie, Rankaholic und als Hobby-Profiler.
Roland Weber schreibt übrigens nur, was er auch gerne selbst lesen würde – insbesondere, wenn Sachverhalte messerscharf zerlegt und sarkastisch oder ironisch auf den Punkt gebracht werden.
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